Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 4, 1983

Die Wiege Österreichs — Die Ostarrichi Gedenkstätte in Neuhofen an der Ybbs Gottfried Stangler .. in der Gegend, die in der Voikssprache Ostarrichi heißt, in der Mark und Grafschaft des Grafen Heinrich, des Sohnes des Mark grafen Liutpald, in dem Ort, der Niuvanhova (Neuhofen) genannt wird ..so heißt es in jener Schenkungsurkunde vom 1. November 996, die auch ais Ostarrichi Urkunde bekannt ist. Ais am 10. Mai 1980 Bundespräsident Dr. Rudoif Kirchschläger die Ostarrichi Gedenk stätte ihrer Bestimmung übergab, hatte eine lange Entwicklung, die schließlich in der Er richtung eines eigenen Museums gipfelte, ih ren Abschiuß gefunden. Die Bedeutung des Begriffes,,Ostarrichi" wird noch eingehender behandelt werden, zu nächst möchte ich einmal darauf hinweisen, daß die wissenschaftiiche Wertung der Ostarrichi-Urkunde nicht zu allen Zeiten gleich war. Es ist jedenfalls eine Tatsache, daß die ,,Austriaca" in der Quellenforschung zur österrei chischen Geschichte in dem Maße an Bedeu tung gewonnen haben, in dem auch auf politi scher, wirtschaftlicher und vor allem kultureller Ebene die Österreich-Idee forciert und unter mauert wurde. Es gibt vielfältige Gründe, warum im Jahre 1896, neunhundert Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung des Namens Österreich, das Datum nicht beson ders beachtet wurde; Die komplizierte staats rechtliche Stellung und umständliche Benen nung der ,,im Reichsrate vereinigten Königrei che und Länder", umgangssprachlich ,,Cisleithanien" genannt (der Name ,,Österreich" blieb einerseits der Dynastie und dem Ge samtstaat, andererseits den beiden Erzher zogtümern ,,Ober und unter der Enns" vorbehaiten), weiters die im selben Jahr aufwen digst veranstaltete Jahrtausendfeier des ,,Mil lenniums" der magyarischen Landnahme und damals gehegte fachliche Zweifel an der Echtheit der Ostarrichi-Urkunde werden dazu beigetragen haben, dieses Jubiläums nicht zu gedenken. Erst fünfzig Jahre später, im Jahre 1946, war es auf Grund der Zeitsituation ver ständlich, daß man sich dieser Urkunde erin nerte. ,,Ostarrichi" wurde Symptom und Sym bol für das Werden und Entstehen Öster reichs. Es war daher bezeichnend für die österreichbewußte Politik nach 1945, als man sich endiich der eigenen Mögiichkeiten und Chancen besann und gemeinsam an den Wiederaufbau und die Erneuerung des Staa tes ging, daß der damalige Bundeskanzler Leopold Figi anläßlich der urkundiichen Erst nennung Österreichs in Neuhofen einen Ge denkstein enthüllte. Ein schiichter Stein neben der Kirche erinnert seither daran, daß Neuho fen an der Ybbs sich mit einiger Berechtigung ,,die Wiege Österreichs" nennen durfte. Bundespräsident Dr. Kari Renner, der Bedeu tung psychologischer Unwägbarkeiten wohl bewußt, benützte die Geiegenheit, in einer Veranstaltung in der Präsidentschaftskanzlei den ailiierten Hochkommissaren und den ei genen österreichischen Mitbürgern die alt ehrwürdige Herkunft des Namens Österreich und die Bedeutung geschichtlicher Kontinuität eindrucksvoll vor Augen zu führen. Es war also nicht notwendig, irgendetwas zu erfinden, um ein profiliertes Österreichbewußtsein aufzu bauen. Es kam nur darauf an, die vorhande nen Fakten, wie etwa die Östarrichi-Urkunde, einer breiteren Bevölkerung aufzuzeigen. Fünfundzwanzig Jahre später, im Herbst 1971, hatte sich viel geändert, Österreich war frei, unabhängig und ein selbstbewußtes Mit glied der internationalen Staatengemein schaft, mitten in der Zeit der Hochkonjunktur. Am Staatsfeiertag, dem 26. öktober 1971, fand ein Festakt vom Land Niederösterreich und der Gemeinde Neuhofen statt, wobei der Festredner, Univ.-Prof Dr. Adam Wandruszka von der Wiener Universität, in seinem Vortrag vor allem die Bedeutung der Urkunde vom 1. November 996 unterstrich. Wandruszka, einer der führenden Historiker Österreichs, wurde schiießlich einer jener Initiatoren, der vor allem von wissenschaftlicher Seite anreg te, die Wichtigkeit dieser Urkunde beispiels weise in einem Gedenkraum einem breiteren Publikum darzulegen. Ende 1974 wurde von Prof. Wandruszka das Konzept für die Innen gestaltung einer Gedenkstätte vorgelegt. Im Babenbergerjahr 1976 nahm dann Lan deshauptmann Maurer am 26. öktober die Grundsteinlegung der Gedenkstätte an der Westseite des Neuhofner Kirchenplatzes vor. Die zu dieser Zeit laufende Babentierger-Ausstellung im Stift Lilienfeld mit ihren außeror dentlich guten Besucherzahlen dokumentierte eindrucksvoli das Interesse der Österreicher an ihrer Geschichte, im spezieilen auch der Frühzeit. Bei dieser Ausstellung wurde zum ersten Mal auch das öriginal der östarrichi Urkunde aus dem Bayerischen Hauptstaats archiv München in Österreich gezeigt. Als im Jahre 1977 mit dem Bau der Gedenk stätte begonnen wurde, opferten nicht nur die beauftragten Firmen, sondern auch der öster reichische Zweig des internationaien Bauor dens und die Gemeindeangehörigen von Neuhofen an der Ybbs, Markt im pol. Bezirk Amstetten, Außenansicht der Ostarrichi Gedenk stätte. Zu den Aktivitäten dieser wertvollen kultu rellen Einrichtung gehören u. a. Gastausstellun gen der österreichischen Bundesländer. Im Jahr 1984 wird Oberösterreich vertreten sein Ui 27

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