Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 3, 1983

Johannes Keplers Credo Der Bergsee Oh, welcher edlen Güter doch berauben Die Menschen sich, die nach dem Kriege trachten! Oh, über diese Blinden, diese Tauben, Die Gottes großes Schöpfungswerk verachten! Denn höben sie die Augen nach den Sternen Und lauschten sie dem hohen Lied der Sphären, so müßten ihre Herzen endlich lernen. Den Frieden als ein Heiligtum zu ehren. Ja, wenn die Menschen sich dazu verständen. Der Schau des Weltalls fromm sich hinzugeben. Dann könnten sie nicht frevlerisch verschwenden Das wunderbare, gottgeschenkte Leben. Dann müßten sie, ergriffen, hingerissen Von der Erhabenheit des Göttlich-Schönen, Den Schöpfer im Geschöpf zu lieben wissen Und, Kinder eines Vaters, sich versöhnen! Die himmlische Trift Gnadenvoll vom Draußen der Welt geschieden. Liegt der Bergsee mitten im Gottesfrieden, Der sich in den Dom der Natur gerettet. Heilig gebettet. Dunkelgrün umruhen ihn Urwaldfichten, Die sich in die Wasser hinunter dichten. Grau herniederblickende Felsen sinnen Tief in sein Innen. In das Grau der Felsen, das Grün der Wipfel Blitzen SUberlichter entrückter Gipfel. Wolkenschnee, gefallen aus blauer Stunde, Glänzt aus dem Grunde. Und so lebt der See um der Berge willen, die in ihm ihr uraltes Heimweh stillen. Wieder Bild zu werden, wie Gott es schaute. Eh er sie baute. Und so lebt der See dieser Wolken wegen. Die in seine Tiefe zurück sich legen, Ihr, wie einst dem Schöpfergeist, einzuwohnen: Himmelsvisionen. Schwer wallende Wolkenschwaden Erfüllen den Raum bis zum Rand. Der Regen spinnt Faden um Faden Rastlos durchs trauernde Land. In ein Meer von Grau ist zerflossen Der Landschaft vielfarbiges Licht. Und nachts wie für immer verschlossen Ist die hohe, unendliche Sicht. Wie eng bist du, Welt, jetzt geworden, O Welt - weit und wunderbar. Als hoch der Polarstern im Norden Hirt allheller Nächte war! Ja, Hirt, um den sie geweidet. Der Sterntiere mythische Schar, In silberne Vliese gekleidet. Beglänzend das irdische Jahr! Den paradiesischen Frieden, Wo Drache und Bär ohne Trug, Durchschwärmte der Perseiden Traumflüchtiger Sternblütenflug, Daß doch wieder die Nächte betaute Glanz göttlicher Zeichenschrift Und uns schenkte das lang nicht geschaute. Das BUd von der himmlischen Trift! Das Mühlrad Umhaucht von reiner Kühle, Umgrünt von Dämmerschein, Grüßt eine alte Mühle, Ein Traum aus Moos und Stein, Ein Traum, der in der Sprache Des Rades zu uns spricht. Das aus Smaragd der Ache Sich Glanz der Laute bricht. Wir schauen und wir lauschen. Wie seiner Schaufeln Gang Aus tiefem Wasserrauschen Herauf schöpft Klang nach Klang. Und wie doch immer wieder. Was so ins Licht der Welt Gehoben wurde, nieder In Flut der Tiefe fällt. Musik und BUd in einem. Stets neu und immer alt. Kommt dieses Spiel zu keinem Auch nur versuchten Halt. Uns aber ist, als trage Sich mit dem Rad der Zeit In unsre Erdentage Gesang der Ewigkeit. Orgel der Seele. Gedichte, Wien, Verlag Krenmayr & Scheriau 1953 86 Der Tag ein Leben. Gedichte, hrsg. vom Kulturamt der Stadt Linz 1955

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