Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 3, 1983

Das Museum als Bildungsstättezehn Jahre Stadtmuseum Linz im Nordico Georg Wacha Unter „Museum" werden so viele verschie dene Institutionen subsumiert, daß hier diffe renziert werden muß. Da wären zuerst die „Schatzkammern" im engeren wie im weite ren Sinne zu nennen, das sind die Sammlun gen von Kronjuwelen, Insignien und Gold schmiedearbeiten, die man aus historischem Interesse oder aus Sensationslust besucht, die großen Gemäldegalerien zu erwähnen, die Schätze der Weltkunst, meist aus Sammiungsbeständen der Herrscherhäuser hervor gegangen. Hier bemüht man sich - mehr oder weniger erfolgreich-, die ehrfurchtsvolle Stille der ,,heiligen Stätte" zu durchbrechen, den Kontakt des Betrachters mit den Exponaten herzustellen, ihm die Scheu zu nehmen. Es sei hier nicht erörtert, ob diese Forderung über spitzt ist, ob nicht eine gewisse Schranke zwi schen dem einmaiigen Kunstwerk, der Schöp fung eines Auserwählten, und dem Alltags menschen bestehen bleiben muß, ob es sich z. B. um ein aus dem Kontext herausgerissenes religiöses Denkmal oder um ein profanes Werk handelt, das zur Zeit seiner Entstehung auch nur für einen bestimmten Kreis oder für einen besonderen Anlaß bestimmt war. Auch wenn so viel von dem Bekämpfen der Schwel lenangst die Rede ist, eine gewisse Schwelle zwischen dem Arbeite-, Erwerbs- und Alltags leben und der hohen Kunst bleibt bestehen. Sieht man bei den Museen von NaturkundeSammlungen, von Technischen oder Volkskunde-Museen, von SpezialSammlungen ab, so bleibt noch immer eine erkleckliche Anzahl, die als historische Sammlungen oder Terrltorialmuseen die Aufgabe haben, zu bewahren, was ehemals zum Alltag der Menschen (des Bürgers, des Bauern) gehörte. Den Vorwür fen, Immer nur bestimmte soziologische Schichten zu berücksichtigen, wird man wohl nicht mit eigenen Schauräumen, sondern eher mit Ausstellungen begegnen können. Damit sind wir eigentlich beim Thema: es ge hört zur Aufgabe dieser Museen - sie seien in der Folge speziell gemeint -, verschiedene Abschnitte der Geschichte einer Stadt oder ei nes Landes der Bevölkerung nahezubringen. Wenn in einer Großstadt die Spezialisierung schon weit fortgeschritten ist, so werden man che Themenkreise ausscheiden, etwa die Na turkunde, die Archäologie, die Volkskunde. In Mittelstädten werden die Territorialmuseen auch diese Bereiche wahrzunehmen haben. Es kann hier nicht das gesamte Spektrum des Ausstellungswesens im Nordico behandelt werden. Es genüge der Hinwels, daß im Linzer Stadtmuseum vom September 1973 bis Juli 1983 275 Ausstellungen stattgefunden haben, die z. B. auch Textilien, Druckgrafik, Knoten kunst, Foto- und KInematografie, Volks- und Naturkunde, Technik und Medizin zum Ge genstand hatten. Ein auf Jahre verteiltes Puppentheater von Jörg Janout im Nordico, Wintersaison 1973/74. - Foto: Lichtbildstelle des Stadtmuseums Linz (Fr. MIchalek) Großprojekt soll internationale Ausstellungen über das Zweistromland, Ägypten, Syrien, die Etrusker nach Linz bringen. Damit wäre die primäre Aufgabe eines Mu seums erfaßt, zugleich wäre ein Überblick über die Tätigkeit des Stadtmuseums im Nor dico seit der Übersiedlung hierher im Jahre 1973 gegeben. Auch andere Aspekte sind bei der Bildungsarbeit zu beachten. Bildungsstätte: Das Wort wirkt antiquiert. Bil dung ist nicht mehr gefragt. Die Zeiten von ,,Bildung Ist Macht", die Arbeiterbildungsver eine - das ist vorbei. Gerade noch im Zusam menhang mit Volksbildung, mit Erwachse nenbildung wirkt der Begriff zeitgemäß. Zu der Bildungsarbeit der Museen gehört aber nicht nur die Betreuung von Schülern und Schulklassen. Museen haben als Bildungs stätten Im weitesten Sinne durch Führungen und Vorträge, durch kulturelle Veranstaltun gen und speziell durch ihr Ausstellungspro gramm eine Aufgabe zu erfüllen. Wenn bei ei ner Umfrage zur Bildungsarbeit an österrei chischen Museen (1982) in der Hauptsache die Fragen den Schulklassen, den eigenen Räumen für Betreuung von Schülern, den Work Shops galt, so ist dies nur als eine Blick richtung zu beachten. Die Bildungsarbeit im Museum hat wesentiich weitere Kreise zu zie hen. Im Nordico hat man sich schon seit dem Be stehen der musealen Einrichtungen um die Kinder im vorschulpflichtigen Alter bemüht. Bereits im Winter 1973/74 hat Jörg Janout sein Puppentheater in dem noch nicht fix als Schauraum ausgestalteten Erdgeschoßge wölbe aufgebaut. Der Andrang in den Wintersaisonen der genannten und der folgenden Jahre war beträchtlich. Es wurde versucht, die Tradition durch ail die Jahre hindurch fortzu setzen, was jedoch wegen des Wechsels der Veranstalter auf Schwierigkeiten stieß. Da nunmehr ein Musisches Zentrum in Linz exi stiert, ist dieser Bedarf nicht mehr so zwingend wie in den ersten Jahren. Kindergärten und Horte sind gern gesehene Gäste im Stadtmuseum. Es kommt hier oft auf die Aktivität der Betreuerinnen an, wie diese die Kinder schon im vorhinein auf einen Be such im Nordico vorbereiten, es kann auf Wunsch ein entsprechend geschulter Führer beigegeben werden. Wenn auch solche Gruppen zahlenmäßig nicht ins Gewicht fal len, so ist dies dennoch der erste Kontakt ei nes Kindes mit der Institution des Museums. Es kann nur begrüßt werden, wenn solche Ak tionen verstärkt Platz greifen. Für das schulpflichtige Alter wurden mit Unter stützung der Aligemeinen Sparkasse in Linz spezielle Termine vereinbart, an denen die Klassen mit Heimatkundeunterricht (3. Klasse Volksschule bzw. 4. Klasse Sonderschule) in das Nordico gebracht und hier von einem hauseigenen Führer durch die stadtgeschicht liche Sammlung geleitet werden. Der Einsatz von Autobussen seilte eine sinnvolle Ausla stung des Fahrzeuges und des Personals er geben. Durch solche Aktionen haben auch Schüler weiter entfernter Pflichtschuien in den genannten Jahrgängen das Nordico besu chen können. Von einem ganz anderen Gesichtspunkt geht die Aktion ,,das lebende museum" aus. Eine Wiener Gruppe hat sich zum Ziel gesetzt, mit Schülern bestimmte Themen in Details zu ver folgen und durch einen längeren Aufenthalt in einem begrenzten Teilbereich des Museums, durch Spiele, Handfertigkeiten und Auffüh rungen den Eindruck zu intensivieren. Die erstmals 1982 erprobte und 1983 wiederholte Aktion hat von selten der Schulbehörde, der Lehrerschaft und auch der Schüler einhellig positive Reaktionen gebracht. Die Schwierig keit besteht darin, für eine größere Zahl von Schülern bzw. Klassen diese „Mueseumsbelebung" durchzuführen, die personal- und zeitaufwendig ist und daher nur begrenzt in ei ner größeren Stadt eingesetzt werden kann. Selbstverständlich benutzt die Lehrerschaft viele der Möglichkeiten des Museums zur Ge staltung des Unterrichts. Dies gilt für die stadt geschichtlichen Schauräume, beginnend mit 23

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2