Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 3, 1983

Westlicher Teil der Nordfassade mit Teilen des Kolossalfrieses: Allegorie der Weisheit mit Stele des Piaton und der lybischen Sibylle, dem Reichswappen und Teilen des Nibelungenfrieses (links König Etzel). Ausgeführt 1886. - Sämtliche Fotos: Fr. Gangl rasende Technik und wilde Composition be liebt gewordene, moderne Richtung. Die Er zeugnisse dieser Richtung wirken allerdings in der Nähe betrachtet interessant und erfreuen das Auge durch das Lebensvolle und Spru delnde der Phantasie, aus der Ferne aber. . .wirken sie jedoch wie ein wüstes Conglomerat und nirgends findet man sich bemüßigt, auf Einzelheiten einzugehen. Ich erinnere Sie an die so interessante FriesComposition des Wiener neuen Burgtheaters, die Wirkung derselben Ist, so schön auch die einzelnen Figuren an sich sind, eine durchaus unmonumentale. - Wenn ich auch den Bau in einer gewissen freien Renaissance durchde tailliere, so will ich doch dessen weihevolle Wirkung nicht zerstört wissen. Und Zur Strassen schlägt den richtigen Mittelweg ein, kein sciavisches Anlehnen an die Antike, und trotz vieler Freiheiten sind doch seine Compositionen ruhig und klar in den Massen und Lini en. Aus der Sicht des Architekten zeigt sich hier Stil als Funktion der Formgelegenheit, als ab hängig vom Anspruch des monumentalen Bauwerkes, der durch die Zitierung antiker Form legitimiert werden kann. Diese Ansicht Schmitz' mutet umso seltsamer an, als dieje nigen Teile der Bauplastik, die auf seinen ei genhändigen Entwurf zurückgehen, eine gänzlich andere stilistische Grundhaltung aufweisen. Sowohl die ornamentalen Baude tails, wie Säulenkapitelle bzw. -basen, Bogen zwickel und Konsolen, wie auch die von Putten umspielten Obelisken der Dachbekrönung sind einem bewegten, hochpathetischen Stil verpflichtet, der ganz auf die Architektur abge stimmt ist. Die im Oberösterreichischen Landesarchiv aufbewahrten eigenhändigen Entwurfszeichnungen Schmitz' im Maßstab 1:122 führen die Intention des Entwerfers un mittelbar vor Augen. Tiefes Relief verbindet sich mit einer fast nervös anmutenden Beweg lichkeit des ornamentalen Dekors und gibt dem Konsolentwurf eines Medusenhauptes eine fast „impressionistische", barocke Note. Besonders deutlich wird das Zusammentref fen der unterschiedlichen stilistischen Flaltungen von Bildhauer und Architekt in der Ecklö sung am Fries, wo die dynamisch gekrümm ten, spannungsgeladenen Eckkartuschen (Entwurf Schmitz) mit den Figuren in eigenar tiger Weise kontrastieren. Es nimmt nicht wunder, daß im Verlauf des erwähnten Strei tes um eben diese Eckgestaltung Schmitz den Stil Zur Strassens nun in verändertem Licht sieht:, ,Für den Musealbau habe ich den freien Styl der spätesten Flochrenaissance ange strebt und keine classisch-strenge Rich tung! . . .Es ist also von vorne herein unstatt haft, einen im Styl der Antike gehaltenen strengen Figurenfries an ein solches spät und frei gestaltetes Bauwerk anzubringen. Wenn Sie jetzt ein harmonisches Ganzes haben wol len, so müßten Sie Flerrn Professor Zur Stres sen auffordern . . . alle Details ... einer Gorrectur zu unterwerfen."23 Man wird nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß zwischen März und September 1885 (dem Entste hungsdatum dieser Stellungnahme) im Zuge der weiteren Ausarbeitung der Friese die Un stimmigkeiten zwischen den doch unter schiedlichen Generationen angehörenden Künstlern ihren Anfang genommen haben, wobei für Schmitz auch eine künstlerische Weiterentwicklung in Richtung ,,wilhelmini schem" Barock - etwa bedingt durch die Aus einandersetzung mit dem Viktor-EmanuelDenkmal - nicht auszuschließen ist. Immerhin scheint die Ablehnung des Wiener Burgthea terfrieses Rudolf V. Weyrs^" durch Schmitz doch symptomatisch für die Situation in Linz: die Behauptung der Monumentalität und nicht zuletzt die klar ablesbare Mitteilung des Inhal tes bedingen auch nach Meinung des Archi tekten eine stärkere Anlehnung an die Antike, eine freie Behandlung der Form wird erst in den untergeordneten Formgelegenheiten des ornamentalen Dekors möglich. Gerade die nicht eindeutige, changierende Haltung Bruno Schmitz' in der Stilfrage sollte zu denken ge ben, ob nicht die möglichen stilistischen Ab stufungen Klassizismus - Antikenrezeption und Neubarock-„Freiheit der Form" nicht all ein als aufeinanderfolgende Zeltphänomene gesehen werden dürfen, oder ob nicht auch eine inhaltliche Konditionierung der Form er folgt und damit der Stilbegriff in horizontaler Richtung erweitert werden muß.2= Die hier zusammengestellten Überlegungen zu einem für Oberösterreich bedeutsamen Kunstwerk des Historismus, die eine erschöp fende Behandlung der Fragen rund um den Linzer Museumsfries selbstverständlich nicht leisten können, sollen lediglich eine Anregung darstellen, auch der lange verkannten Kunst des späteren 19. Jahrhunderts die Wertschät zung zukommen zu lassen, die ihr im Rahmen objektiver Betrachtung gebührt; denn erst vor dem Hintergrund einer positiven Haltung zur Kunst des Historismus v. a. auch im provinziel len Bereich wird eine endgültige Beurteilung des Denkmälerbestandes erst möglich. Anmerkungen 1 Eine ausführliche Arbeit zur Architektur des Mu seums wird vom Verf. vorbereitet: Zur Architektur geschichte des Museums Francisco-Garoiinum in Linz im 19. Jahrhundert; erscheint voraussichtlich im Jahrbuch des 00. Museaivereines 1984. Eine kurze Zusammenfassung bietet der Aussteliungskataiog: Der Kolossalfries am Museum FranciscoCarolinum und dessen Baugeschichte (Katalog des 00. Landesmuseums Nr. 116), Linz 1983. 2 Oberösterreichisches Landesarchiv (in der Fol ge: OOLA) Musealvereinsarchiv 82/297, 298. 3 OOLA 82/299. 4 OOLA 82/339-342 (Brief Schmitz vom 24. 8. 1884). 21

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