Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 3, 1983

Ausschnitt aus dem Kolossalfries der Ostseite „Die vorgeschichtliche Zeit": Der Priester, Druide, schneidet mit der goldenen Sichel die heilige Mistel vom Eichbaum; der Seher, der Barde, preist die Taten der Väter. Ais Opfertiere werden iinnenbedeckte Rinder herangeführt. Ausgeführt im Herbst 1885 m m j Wettbewerbsentwurf und auf den eigentlichen Bauplänen vorgesehen worden waren. Er ließ auf eigene Faust Gipsmodelle anfertigen, zer trümmerte diese jedoch selbst wieder, da sie seinen Vorstellungen nicht entsprachen. Eine im Oberösterreichischen Landesmuseum aufbewahrte Entwurfszeichnung,die offen sichtlich in dieser Zeit entstanden ist, zeigt be reits eine weitere Stufe der Entwicklung: zwar ist das dekorative Element des Risalitfrieses noch vorherrschend, doch wird durch die Schrifttafel (,,Jagd") und die Putten bereits Bezug auf die Freifigur genommen. Mittler weile muß jedoch Zur Strassen unter Inan spruchnahme der Hilfe Harteis, der sich sei nerseits zu dieserZeit mit seinem Kompagnon Schmitz zerstritten hatte, seinen Entwurf, der figurale Reliefs anstelle der ornamentalen Mo tive an den Risaliten vorsah, in Linz durchset zen. Es ist in diesem Zusammenhang von In teresse, daß sich im Oberösterreichischen Landesmuseum nicht nur der Lichtdruck des Bozzettos in mehreren Exemplaren befindet, sondern kürzlich auch ein kleines Bruchstück (ca. 10x15 cm) des Modeiles selbst aufge funden werden konnte; es erhebt sich die Fra ge, ob etwa hinter Schmitz' Rücken dieser Entwurf im Original nach Linz gesandt wurde. Begreiflicherweise reagierte der Architekt schwer gekränkt, er fühlte sich hintergangen und drohte sogar, von der Leitung des Unter nehmens zurückzutreten; das Zusammentref fen von figuralem Friesfeld und Freifiguren empfand er als ,.entsetzlich". Mittlerweile waren im Frühling 1885 die Sand steinblöcke für den Fries versetzt worden und im September konnte nach den endgültigen Modellen in Drittelgröße, deren genaue Ent stehungszeit nicht feststellbar ist, mit der Aus führung begonnen werden. Nachdem ein sonst nicht weiter bekannter Bildhauer na mens Sobry, der zur Unzufriedenheit des Ko mitees arbeitete und mehrere Figuren ver schlug, Ende Oktober an der Weiterarbeit ge hindert werden konnte, nahm Mitte November 1885 der Leipziger Bildhauer Rudolf Cöllen mit seiner Werkstatt die Arbeit auf und vollendete den gesamten Fries zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten in fast einjähriger Arbeit im Oktober 1886. Damit fand die wechselvolle Entstehungsgeschichte dieses Kunstwerkes ihren Abschluß, die sich in der Auseinander setzung der Künstler einerseits und der Ver antwortlichen in Linz, vor allem Dr. Dürrnberger, Dr. Habison und Josef M. Kaiser, ande rerseits entwickelte; allen Unstimmigkeiten zum Trotz war es schließlich dem Engage ment aller Beteiligten zu verdanken, daß die ses bedeutende Dokument zur Geschichte Oberösterreichs entstehen konnte. Eine Untersuchung der Stellung des Linzer Museumsfrieses innerhalb der gleichzeitigen Kunstübung schließlich muß von der Sonder stellung des Kunstwerkes ausgehen, das als „Import" keine direkten Zusammenhänge mit der Entwicklung in der Donaumonarchie, vor allem also Wiens, aufweist. Melchior Zur Strassen (1832 bis 1896)i= war Schüler Imhoffs und Rauchs, sein Werk muß daher im Kontext der rheinischen bzw. Berliner Plastik gesehen werden; eine selbständige Leipziger Schule der Bildhauerei - Zur Strassen wirkte hier von 1875 an als Professor an der Staatli chen Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe - scheint nicht greifbar zu sein. Mit der Wahl Strassens kam in Linz ein Künst ler zum Zug, der - durch seine Generations lage bedingt - aus dem Umkreis der klassizi stischen Bildnerei der Rauchschule kam und einer Grundhaltung verpflichtet blieb, die man als ,,narrativen Realismus der Jahrhundert mitte und Gründerzeit"!® bezeichnet hat. Eine gewisse Zuständlichkeit zeichnet die Szenen am Linzer Fries aus, ein leichtes Insichruhen der Figuren, wie es besonders in der Belehnungsszene deutlich wird, wo die monumen tale, streng zentral aufgebaute Komposition eine eigentliche Interaktion der Personen nicht zuläßt; das Ganze erweckt vielmehr den Ein druck synthetischer Zusammenstellung, un willkürlich fühlt man sich an die im 19. Jahr hundert beliebten ,,lebenden Bilder"!^ erin nert. Daneben wird in Linz jene genaue Deskription des Details spürbar, wie sie vor allem Werke der Berliner Skulptur des 2. und 3. Jahrhundertviertels aufweisen, wie z. B. die Werke Friedrich Drakes;!® in dem Denkmal für Peter Beuth^® verbindet sich in exemplari scher Art und Weise die Betonung des Details mit einer normativ-klassizistischen Grundhal tung. Allerdings werden am Linzer Fries im Vergleich zu diesen Werken der sechziger und siebziger Jahre in Ansätzen bereits neue Tendenzen verarbeitet. Sowohl in der Behandlung des Reliefs, die eine starke Licht-SchattenWirkung hervorruft, als auch in der forciert vorgetragenen Torsion einzelner Figuren, wie z. B. der Reliefs von Buchdruckerkunst und Töpferei am linken Risalit der Westfront, tau chen Elemente des Neubarock - wenn auch nur in Andeutungen - auf. Deutlicher als am ausgeführten Werk sind diese barocken An klänge in den spontaneren Entwürfen und Modellen spürbar. Das Erreichen dieser Stufe setzt Walter Krause®® in Wien in die Zeit um 1875, als Viktor Tilgner (1844 bis 1896) mit den Entwürfen zum Tritonbrunnen (Wien, Volksgarten) zum ,,hochbarocken Stadium" (Krause) durchstieß; etwa gleichzeitig erreicht die Berliner Plastik mit den Arbeiten Reinhold Begas diese Haltung, die Zur Strassen nicht mehr mitmacht, lediglich in Details rezipiert. Bruno Schmitz war sich dieser Situation voll bewußt, wenn er in einem Brief vom 25. März 1885 zum Stil des Frieses Stellung nimmt: „Ich bin mit Zur Strassens Wahl sehr einver standen, denn jedenfalls ist die classisch-einfache Haltung und Linienführung für diese Friesarchitektur angebrachter als die durch 20

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2