Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 2, 1983

Denkmalpflege Der Maler und Restaurator Heimut Michael Berger Dietmar Straub Daß Helmut Michael Berger am 1. November 1925 in Pertisau am Achensee geboren wur de, soll, seine Herkunft betreffend, nicht irre führen. Beide Elternteile entstammen alten Linzer Familien, der Großvater väterlicherseits war ein bekannter Urfahrer Baumeister. Hel mut Michaels Vater mußte als Wasserbau ingenieur in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg die Arbeit dort annehmen, wo sie sich bot. So verschlug es ihn mit Familie nach Tirol, erst an den Achensee, später ins Zillertal. Doch die Schule besucht Helmut Michael schon wieder in Linz, das er nun nicht mehr verlassen wird. Schon früh schlägt ein unerbittliches Schicksal zu: der vierzehnjährige Realgymnasiast erlei det eine Gehirnhautentzündung, an deren Folgen er vollkommen ertaubt. Zwei Faktoren sind es dann, die ihn in weiterer Folge diesen frühen Lebensknick seelisch bewältigen las sen, ihm emotionelles und geistiges Zentrum, ja Lebensinhalt werden: eine liebende, ver ständnisvolle und seine Interessen teilende Gattin, Mutter von vier Kindern, und die bil dende Kunst. In dieser findet Helmut Michael nach anfänglichem Bemühen um die Garten architektur die berufliche Erfüllung, die ihm unter Ausklammerung des verlorengegange nen akustischen Sektors die volle Persönlich keitsentfaltung gestattet. Zwar ist die Ausbil dungszeit überschattet durch Kriegswirren und Nachkriegszeit, doch eine Zähigkeit, die er auch später noch dringend brauchen wird, läßt ihn am erstrebten Ziel festhalten: Herbert Dimmel und Eisner werden seine Lehrer an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Als Dimmel die Kunstschule der Stadt Linz, die spätere Hochschule für künstlerische und in dustrielle Gestaltung, begründet, setzt er hier seine Studien noch drei weitere Jahre fort. Daneben lernt er zusammen mit seiner Kolle gin und späteren Frau bei Rudolf Steinbüchler, dessen starke Künstlerpersönlichkeit in dem jungen Mann prägende Eindrücke hinterläßt. Seine Begabung, seine ersten bildnerischen Leistungen finden ihre objektive Bestätigung: 1947 erhält er den 2. Preis im Wettbewerb „950 Jahre Österreich", 1951 einen Förde rungspreis des Landes Oberösterreich. Seine Ausbildung ist nun beendet, 26 zum Teil schwerste Lebensjahre liegen hinter ihm, doch jetzt ist er freischaffender Künstler. Dies bedeutet die Konfrontierung mit den rauhen Wettbewerbsbedingungen des Alltags, ein Sich-stellen-müssen der Kritik, sei sie nun im einzelnen ästhetisch fundiert, doch festgelegt, oder auch nur schlicht verständnislos. Schon in der eigenen Familie gibt es Probleme: das nach Bombenschäden am Linzer Friedhof von ihm neugestaltete Familiengrab findet durch aus nicht die ungeteilte Zustimmung der Fami lienmitglieder. Sein kubisch-expressionisti scher Stil, der zwar gegenständlich bleibt, doch jedem gefälligen Naturaiismus abge neigt ist, ist in keiner Weise „modisch", basiert auf einer sittlich tiefen, selbstkritischen künst lerischen Überzeugung, trägt eine sehr per sönliche Handschrift. Es entstehen in Hofkirchen i. M. 1951 als Fresko ein hl. Sebastian, das erste Gefange nendenkmal im Mühlviertel unter russischer Besatzungsmacht, ein Mosaik in der Schule Heiligenberg, Sgraffiti in St. Isidor und im Pfarrheim Eferding, sowie Fresken in der Lin zer Harbachschule. Bedeutsam die Identifika tion des Künstlers mit der Situation des von ihm Dargestellten: sein Hofkirchener Seba stian (der in der Zwischenzeit leider vernichtet wurde) trägt unverkennbare Züge eines Selbstporträts und hat damit dokumentari schen Wert. Wie denn dieser Hang zur Selbst darstellung auch später durchbricht, so etwa in den Apostelmedaillons in St. Wolfgang, der Marienkrönung in Dambach bei Garsten und besonders in der Kreuzigungsdarstellung am Flügelaltar der Kirche in Doppl. Die bedeutendste Leistung in Bergers eigen schöpferischem Werk stellt zweifellos die an fangs der sechziger Jahre ausgeführte künst lerische Ausstattung der Bruder-Klaus-Kirche in Doppl-Leonding dar, eines Neubaus, für den ihm die künstlerische Gesamtgestaltung übertragen worden war. Wie in anderen Städ ten erfuhr auch in Linz der Sakralbau in den Jahrzehnten nach dem Krieg durch die Schaf fung neuer Wohnsiedlungen neue Anstöße, suchte man auf diesem Gebiet nach neuen Ausdrucksformen. Berger wußte seine Chance zu nutzen, er prägte dem gesamten Bau das unverkennbare Siegel seiner künstle rischen Persönlichkeit auf und schuf ein „Be kenntniswerk kirchlicher Kunst" (Wutzel).^ Von den von ihm entworfenen Glocken mit ih ren interessant gestalteten Glockenkronen und den Reliefdarstellungen der Glockenmän tel, Darstellungen der hl. Familie, des Erz engels Michael, der hl. Barbara und einem Schriftfeld mit dem Gebet des Bruder Klaus, über die Kirchentore mit ihren urchristlichen Symbolen von Fisch und Taube führt der ge stalterische Wille des Künstlers ins Innere der Kirche. In der Werktagskapelle befindet sich an der Klinkerwand hinter dem Altarblock aus Kon glomerat und dem Bronzetabernakel ein in seiner Schlichtheit berührender schmiede eiserner Grucifixus, in der Taufkapelle die mit einem bronzenen Deckel versehene Tauf stelle aus Konglomeratstein, während ein kleines Betonglasfenster das Taufsymbol zeigt. Im Zentralraum endlich der aus weißem toskanischen Travertin geometrisch schlicht ge formte Altartisch, das bronzene Tabernakel und ein schmal aufragendes Standkreuz mit dem Corpus Christi. Dahinter, an der Stirn wand hängend, das dominierende Zentrum des Raumes: ein wohl auf gotischer Tradition fußender, so doch vom Künstler völlig neu konzipierter Flügelaltar, ein Schrein, dessen expressive bildnerische Inhalte - farblich auf den liturgischen Jahresablauf abgestimmt - den Betrachter gleichsam anspringen. Sechs Darstellungen sind durch öffnen und Schlie ßen der fünf Flügelpaare herstellbar: die Evangelistensymbole, Mariae Verkündigung, Maria mit dem Kinde, die Kreuzigung, Aufer stehung und das Pfingstwunder. Diese Bilder, von einer realistisch-geometrisierenden, die Farben als integratives Ausdruckmittel einbin denden Gestaltung - unter ihnen ist wohl die Kreuzigung als stärkstes, unmittelbar erschüt terndes anzusehen - verleihen dem Kirchen raum eine mystische Weihe, strahlen eine Gläubigkeit und Überzeugungskraft aus, der sich kein, auch nicht ein modernem bildneri schen Stilgefühl unvertrauter Betrachter, ent ziehen kann. Hier ist dem Künstler eine Arbeit gelungen, mit der er sich auch heute, in der Rückschau über zwei Jahrzehnte, voll identifiziert. Bedauerlich nur, daß die Flügel des Schreins nun schon seit langem geschlossen bleiben und es dem Besucher damit nicht möglich ist, das Werk im einzelnen kennenzulernen. Auch in späteren Jahren hat Berger eigen schöpferisch gearbeitet (s. Werkverzeich nis A) - erst im Sommer 1981 stellte er in einer Ausstellung im Landeskulturzentrum ürsulinenhof in Linz gemeinsam mit Peter Dimmel und Matthäus Fellinger einen Zyklus graphi scher Arbeiten vor-, doch den schöpferischen Höhenflug des Doppier Schreins hat er nicht wieder erreicht. Teils war es Frustration über mangelndes Verständnis und Kritik an seinem opus magnum, teils wirtschaftliche Notwen digkeit - die Familie war in der Zwischenzeit auf sechs Köpfe angewachsen -, teils aber doch auch die Faszination einer neuen künst lerischen Herausforderung: jedenfalls wandte sich Berger dem Gebiet zu, mit dem sein Name heute weitgehend assoziiert wird: der Restaurierung, vorwiegend von Stuck und Fresko. Vertraut gemacht mit der ihm noch neuen Technik hatte er sich als Mitarbeiter des Alt meisters Professor Fritz Fröhlich, vorerst in St. Wolfgang, dann vor allem im Stift Reichers berg, wo im Hinblick auf die damals geplante Schwanthaler-Ausstellung Kirche und Augu stinisaal in jenen Glanz versetzt wurden, der einige Jahre später die vielen Tausende Be sucher dieser Ausstellung so sehr beeindrukken sollte. Daneben aber hatte Berger sich mit seiner Freskenrestaurierung in der Linzer Prunerstiftskirche bereits bestens eingeführt 49

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2