Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 2, 1983

Oberösterreichisches Kuiinarium Versuch einer Bestandsaufnahme Helga LItschei Das Land ob der Enns von der kulinarischen Seite her vorzustellen, scheint auf den ersten Blick eine einfache, glatte, runde Sache zu sein, ein „g'mahts Wieserl", wie der Ober österreicher sagt. Da hat man eben zu berich ten von G'selchtem, Kraut und Knödeln, von Bier und Most, von Unzer Torte und Ischler Krapferln, von noblen Restaurants und biede ren Landgasthäusern. So war es, so ist es, und so möge es bleiben. War es wirklich immer so? In den Reisetage büchern von Vincent und Mary Novelle, jenem Londoner Ehepaar, das Mozart fanatisch ver ehrte und Im Jahre 1829 eine ,,Wallfahrt zu Mozart" nach Salzburg und Wien unternahm, steht zu lesen, daß sie der Küche im Raum zwischen Straßwalchen und den Strengber gen so sehr mißtrauten, daß sie, wo immer sie einkehrten, sich ein Huhn braten ließen und es mit Salat verspeisten. Das war zwar eintönig, aber man wußte wenigstens, was man im Ma gen hatte. Über Linz schreibt Vincent: ,,Der Gasthof, wo wir zu Nacht aßen, war der schlechteste, den wir je gehabt, obwohl er für einen der besten im Orte galt, und das lästige Schnüffeln und die freche Neugier waren kaum zu ertragen". Und seine Mary stößt in dasselbe Horn; ,,ln Linz stiegen wir in der,Ka none' ab, wo der Wirt ein Narr und Hanswurst war". Nun, die Noveilos haben sicherlich über trieben, sie waren enttäuscht und luden ihren Arger in ihren privaten Notizen ab. Aber diese Ergüsse kratzen doch ein wenig an der Fas sade der,,noblen Restaurants", die es zwei fellos auch Im Oberösterreich des Biedermeier gab. Wie sah es mit den ,,biederen Landgasthäu sern" aus? Auch für sie sei ein Schlaglicht ge setzt. Es fällt auf ein Wirtshaus auf einem der Linzer Ausflugsberge und in eine Zeit rund hundert Jahre nach den Noveilos. In besagter Herberge pflegten an den Wochenenden jene Linzer einzukehren, die - kleine Angestellte und Beamte - nach Dienstschluß am Sams tagnachmittag hinaufgestiegen waren auf den Aussichtsberg, um den Sonntag bereits von aller Früh an in Gottes freier Natur genießen zu können. Am Abend aber saßen sie noch spät im Extrazimmer beisammen, rauchten und tranken. Das Extrazimmer hatte die treffende Bezeichnung ,,Omnibus", so eng standen Ti sche und Bänke. Die Stimmung war glänzend, man sang ,,Gstanzln", die auf der Gitarre-der ,,Klampfn" - begleitet wurden, und die Frau enzimmer verrührten ein paar Stück Zucker mit dem Moststössel, dem ,,Dirdldeitschek", im Glas, denn die herbe Landessäure war un gesüßt nur rauhen Männerkehlen zuzumuten. Und wenn einer ein Krügel Most, ein anderer eine Halbe Bier und ein Dritter eine Knack wurst besteilten, dann brachte der Wirt - ein Original, wie es heutzutage kaum noch denk bar Ist - den Most in der einen und das Bier in der anderen Hand. Die Knacker fingerte er aus der Hosentasche hervor, wo sie den Weg von der Kuchl bis zum „Omnibus" weich gebettet Die gute alte Zeit der oberösterreichischen Landgasthöfe! Erinnerungsfoto ,,Frz. Schilcher Seeauwirth zum weissen Rössl" in Bad Goisern. Heute ist dieses stattliche Bauwerk leider arg verwahrlost. Vielleicht findet sich im Zug des modernen Fremdenverkehrs eine Möglichkeit der Rettung. ■aap™«i 9edilisu- eniü.

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