Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Clown aus Glas am Regal eröffnet die Helligkeit mit Optimismus, der ansteckt, daneben die Hoffnung, daß Gabi bald kommen wird und ich ilir dann abgedroschene Liebesfloskeln sagen kann, die ich dann gerade wirklich meinen werde. Nichtereignisse haben viel mehr Intensität als Ereignisse, so als ob sie doch irgendwann passieren würden. Die Vorstellung erfordert Kon zentration, die Übung, Ungeschehenes geschehen zu machen! Ich bin als Muttersöhnchen aufgewachsen, habe mich jedoch anders entwickelt, als die Eltern planten, das nennen nun viele tragisch. Warum Nacht, warum schlafen, ist das Leben nicht kurz genug, so viel verlorene Zeit, darum schiebe ich die Müdigkeit immer bis spät in die Nacht hinaus und versuche früh zu erwachen, möglichst lange ak tiv zu leben, die Angst vor dem Verlust einiger Lebensminuten - wozu aber? Die Angst ist das Hauptmittel zur Zucht, sie ist gefährlicher als jede Bombe. 16. 05. 78 / Dienstag Ich verspüre ein plötzliches Gefühl von Heiterkeit und Dankbarkeit beim Einatmen des ersten Sommerduftes, die Gedanken fast über mütig durch das Gehirn zucken lassen, dabei die Willenlosigkeit manch anderer deutlich sehen, sie, die mit gesenkten Köpfen, alleine mit ihren Problemen, umherirren und nicht den Sommer begreifendie neue Zeit. Ich fand ein Buch, welches so anders ist, mir neuen Auftrieb gab, mich in eine Welt führte, die mir als Ideal lange schon vorschwebte und auch die Handlung zu einer Zeit, die mich beim Drandenken in Aufregrmg versetzt. Schade um die Zeit, die vertrödelt wird, die wegführt vom eigentli chen Ziel des einzelnen. Verwartete Zeit, ein Drittel des Lebens sinn los vertane Minuten und Stunden, vertan im Warten auf Menschen, auf Zusammenkünfte, daß der Tag vergeht, warten, daß man alleine ist. Ich schätze die seltenen Augenblicke, ja manchmal sogar Stunden, welche ich glücklich bin, ich verschweige es, weihe niemanden ein, habe mir dadurch ein letztes Stückchen Menschsein erhalten, nichts preisgegeben, sich nicht verkauft haben ... ich lebe ... ich lebe . . . mich gar arg entsetzt hat, so daß eine Kluft zwischen mir und dem Ding entstand, also eine weitere Beziehung künftig unmöglich mach te. So schnell die Änderung kam, so schnell war sie überwunden. Ein Ausgleich war bereits seit einiger Zeit gefunden, so daß rüchts als Erirmerung übrigbleibt. 2. 06. 78 / Freitag ,,Ist dir eigentlich schon aufgefallen, daß sich so vieles verändert hat, ohne von uns bemerkt worden zu sein?" eine Frage, die im Raum steht und die ich nicht einmal in Gedanken beantworten möchte. Ich muß. Eine lapidare Antwort, eine Gesichtberührung und den Lip penstift genießen. 5. 06. 78 / Montag Nach FieberanfäUen am geschlossenen Fenster sitzen und den Maler buben zuschauen, wie sie die Farbe hinter dem Meister hertragen, ohne dafür je eine Belobigung zu bekommen. Suchend sind ihre Blicke nach vorne gerichtet, so voller Wünsche, daß ich gerührt bin, oder ist es nur wieder das aufkommende Fieber? 27. 06. 78 / Dienstag Eine Straße, nicht breit, keine Haupt- oder Durchzugsstraße. Ich gehe auf diespr Straße ohne das genaue Ziel zu kennen, immer wieder ver sucht, in eine der vielen Seitengassen einzubiegen. Jemand geht auf gleicher Höhe auf der anderen Straßenseite, wir blicken uns ab und zu an, sprechen oder nicken uns nicht zu, ich fühle so etwas wie Ver bundenheit, das gleiche Schicksal, so wandern wir weiter, ich und mein Gehgefährte. Die riesengroße Freude, am Morgen ohne Brechreiz aufgewacht zu sein. Es geht wieder aufwärts! 17. 05. 78 / Mittwoch Was am Nachmittag hätte sein sollen: mit ihr alleine in einem Lokal sitzen und über uns sprechen. Sich sagen können, daß man sich auf die Nerven geht, ist mehr, als zuckersüße Liebe ins andere Ohr flü stern. 19. 05. 78 / Freitag Dem Ärgernis Platz machen, aufstehen und gehen, ohne Vorankün digung, ohne umschauen, im Hintergrund die verdutzten Gesicher wissen. Trotz Sonnenschein keine Sonnenbrillen tragen, trotz Regen Sonnenbrillen tragen, Scheren nicht zum Aus- und Abschneiden be nutzen, sondern zum Essen - Randgruppenmitglied. Es regnet in Strömen, das Naß rinnt über meine Augen, das Hemd pickt klitschnaß auf der Haut und ich genieße. 21. 05. 78 / Sonntag Die Reise nach Schladming war ein guter Ausgleich zur Situation der letzten Woche. Zwei Tage voller Entspannung, ohne sich dauernd mit ungeliebten Dingen herumquälen zu müssen. Erfreulich die in der altgewohnten Umgebung auftretende Besserung meiner Zustän de. Alles ist ideal - die Euphorie erwacht. Die Lippen fest aufeinandergepreßt, das Motiv meiner Gedanken spielerei unvorhergesehen wahrnehmen - eine Überraschung, die 96

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