Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Bücherecke Straßburg zu seinem Nachfolger gewählt und damit Präsident der Internationalen Paneuropa-Unlon. Inzwischen geht das Leben Ottos von Habsburg welter, sowohl als Privatmann, als auch als politi scher Schriftsteller. Er Ist überall geachtet und aner kannt. So schreibt z. B. Otto Schulmeister anläßlich des 60. Geburtstages über Ihn: „Otto Habsburg zwingt auch dem Republikaner Respekt ab, well er ein Beispiel dafür gibt, daß Charakter stärker Ist als das Schicksal, auch als vergangene Geschichte, daß Intellekt nicht permanenten Verrat bedeuten kann" (S. 108). Sehr eingehend befaßt sich Vasari mit dem Wahl kampf für das Europa-Parlament in Straßburg und mit der Wahl der Abgeordneten, zu dem Bayern 14 Abgeordnete entsenden konnte. Unter den Abge ordneten, die von der Christlich-Sozialen Union (CSU) gestellt wurden, befand sich auch Otto von Habsburg, der dazu die deutsche Staatsbürger schaft annehmen mußte, jedoch unter Beibehalt der österreichischen. Im letzten Kapitel schildert der Autor sehr ausführ lich die Arbelt Im Europa-Parlament in Straßburg. Otto von Habsburg gehört hier dem politischen Aus schuß an, der für alle Fragen der Außen-, Innen-, Slcherheits- und Menschenrechtspolltlk zuständig Ist. Aber auch In anderen Ausschüssen, z. B. Entwick lungsausschuß und Unterausschüssen betätigten sich Otto von Habsburg. Den Abschluß dieses Inter essanten Buches bilden Interviews mit Abgeordne ten-Kollegen über Otto von Habsburg. W. Luger Peter Paul Wiplinger: Abschiede. Gedichte und Fo tografien.-Unz: OLV-Buchveriag 1981, WOSeiten Text, 24 Farbbilder, farbiges Titeibiid, Efaiineinband, Ladenpreis S 298.-. Nach Rudolf Wellhartner hat der Oberösterrelchlsche Landesverlag nunmehr auch Peter Paul Wip linger In seine verlegerische Betreuung genommen - eine erfreuliche und anerkennenswerte Förderung der helmischen Gegenwartslyrik. Der Dichter, als solchen dürfen wir Ihn bezeichnen, Ist aus Haslach gebürtig. Er lebt derzeit In Wien. Seiner Geburts heimat Ist er jedoch verbunden geblieben. Aus sei ner Kindheit und seinen Lebenswurzeln schöpft er die Bildsprache seiner Worte. Bisher sind von Ihm vier Gedichtbände erschienen, darunter Gedichte in slowenischer Sprache und eine zweisprachige Gedichtausgabe englisch - deutsch. Seine neue lyrische Veröffentlichung ,,Ab schiede" wurde vom Verlag als ein bibliophiles Buch ausgestattet. Dazu leistete der Autor einen wesent lichen Beitrag mit eigenen Fotografien, die als foto grafisch-lyrische Meisterwerke anzusprechen sind. Das Erlebnis dieses Buches sind vor allem jedoch seine Gedichte. Wiplinger Ist ein politisch und hu manistisch höchst engagierter Dichter. Seine Anrufe gegen Gewalt und Unrecht gehen dem Leser unter die Haut. Aber auch ohne aktuellen Bezug sind seine Verse ergreifend. Überzeugend die Kraft sei ner Sprachel In einem Nachwort ,,Die einsame Re bellion" schreibt György Sebestyen über seine Sprachkunst: ,,Wipllngers Zeichensprache zielt auf die größtmögliche Dichte der Vermittlung. Seine Gedichte erinnern an die Beschwörungs- und Zau berformeln der Schamanen. In einer Poesie dieser Art offenbart sich ein ganz bestimmtes Lebensge fühl: Es bleibt uns angesichts der allgemeinen Des integration und Desorientierung keine andere Wahl 88 als die eine, uns - von der Glaubensfähigkeit unse rer Phantasie gestärkt - an der archaischen Symbo lik unseres Menschseins festzuhalten. Viele ahnen es; Wiplinger weiß es. Und er bringt es fertig, sein Wissen In die Tat der Sprache umzusetzen." Peter Paul Wiplinger Ist derzeit In der Volksbildung und Im Galerlewesen der Bundeshauptstadt als Se kretär der Gesellschaft der Kunstfreunde und Leiter der Kleinen Galerle in Wien tätig. Es wäre für das oberösterreichische Kunstleben sicherlich ein Ge winn, Ihn stärker an seine Geburtsheimat binden zu können. o. W. Franz Neudorfer: Nach der Arbeit. Gedichte in oberösterreichischer Mundart. - Linz: Oberöster reichischer Landesveriag 1982, 80 Seiten, 5 Abb. nach Aufnahmen von Karl Pangeri, Leinen, Laden preis S 98.-. Franz Neudorfer besitzt einen liebenswürdigen Hu mor, eine gute Beobachtungsgabe, beherrscht die oberösterreichische Mundart einwandfrei und liebt vor allem seine oberösterreichische Heimat. Vöcklabruck Ist zu einem solchen Bezirksschullnspektor, der Gemeinde Pfaffing zu einem Bürgermeister die ser Art herzlich zu gratulieren. Seine neuen Gedichte erzählen viel von unserem Landleben, mehr als manche volkskundliche Veröf fentlichung. Außerdem kann man beim Lesen Immer wieder befreiend lachen. Wer es ausprobie ren will, soll z. B. das Gedicht ,,Unsä Most" lesen, womöglich laut vorlesen. Mittelpunkt des auch typo graphisch sauber gestalteten Gedichtbandes sind die Verse über das ,,Bauernspiel": Fuaßhägeln, Armdruckä, Fingähägeln, Faustschlabn, Wolfzaunä. Dazu gibt es gute Fotoaufnahmen von Karl Pan geri, einem Fotomitarbeiter unserer Zeitschrift. Die ganze positive Lebenseinstellung des Autors zeigt vielleicht am besten der Vers, den er seinem Buch als Motto voranstellt: Lachä und Woan . Wer öftä recht lachä mua und öftä recht woan, hat öftä än Grund däzua und nu öftä koanl o. W. Gertrud Fussenegger: Echolot. Essays — Vorträge— Notizen. - Unz: OLV 1982, 180 Seiten, Efaiin, La denpreis S 178.-. Echolot heißt der sehr bezeichnende und prägnante Titel eines 1982 vom Adalbert-Stlfter-Institut des Landes Oberösterreich als Folge 2 der „Schriften zur oberösterreichischen Literatur" herausgegebe nen Essaybandes, der eine In verschiedene Kapitel gegliederte Reihe von Essays, Vorträgen und Noti zen der österreichischen Dichterin Gertrud Fussen egger vereinigt. Es sind Texte aus den letzten zwan zig Jahren und sie sind zum siebzigsten Geburtstag der Dichterin nochmals In diesem Sammelband auf gelegt und erschienen. Eine Art Bilanz der geistigen Auseinandersetzung In dieser Zelt und mit den oft brennenden Fragen dieser Zelt. Eine Art geistige Biographie dieser Dichterin. Schon der Titel deutet an, worum es geht:,, Was not tut", sind,,Raumsonden und Tiefbohrungen". Diese Selbstaussage der Dichterin markiert Ihren Stand punkt In der Auseinandersetzung mit den Fragen derzeit und der Geschichtlichkeit und ihre Methode. Was angestrebt und erreicht wird, Ist die Auslotung der Hohlräume der menschlichen Existenz und der Menschheitsgeschichte und Ihre zeltbedingte gelstes- und kulturgeschichtliche Äußerung bis zu je nem Punkt hin, wo das Geheimnis beginnt, das sich unserer Erkenntnis entzieht, das sich nur dem gläu bigen Begreifen und der Einsicht eröffnet und ent birgt. Immer steht die Frage, ja die Suche nach dem Menschen, nach dem Humanum, und seinem Ein gebettetsein In eine kosmische, ja göttliche Ord nung, in etwas, das sich letztlich seiner Verfügbar kelt entzieht, im Mittelpunkt. Das Sein des Men schen besteht für Gertrud Fussenegger nicht in sei ner Seinswelse, sondern In seinem letzten Begrün detsein in dieser Ordnung. Das wahre Bild des Men schen Ist nicht sein Erscheinungsbild, der Mensch Ist kein Reduktionspartikelchen einer jeweiligen kultur- und geistesgeschichtlichen Epoche und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Wirklich keit mit Ihrer oft nur sehr oberflächlichen Terminolo gie, die vom Geschwätz bis hin zur Selbstbelügung reicht, sondern das wahre Sein des Menschen Hegt In seiner Transzendenz. Der Mensch ohne meta physische Bedeutung Ist nicht denkbar. Der Mensch aber Ist, von Gott geschaffen nach sei nem Ebenbild, frei und damit auch verantwortlich. Er kann Ordnungen begründen - und je nach seinem Selbst- und Geschichtsverständnis - auch das Chaos, die Zerstörung. Er kann gegen sich handeln, er kann seine Menschenwürde, seinen Wert zerstö ren, auch ein für allemal. Was diese Texte von Ger trud Fussenegger In Ihrer Besonderheit auszeichnet und ausmacht, das ist der Aufruf und die Stimme ih res Gewissens. Das tut not in dieser Zelt, das tut not in jederzeit. Das tut besonders not In Zeiten von un glaublicher und unverantwortlicher Wertnlvellierung, wo der Mensch, oder sagen wir es gleich rich tiger: die Gesellschaft mit Ihren Ideologien den damit verbundenen Wertumschichtungen, Wertnlvelllerungen und Wertzerstörungen, aus denen eine un geheure Angst und Hilflosigkeit, ein Slchausgesetztfühlen des einzelnen Menschen In ein Nie mandsland: In seine unbeantwortete Existenz, re sultiert, alles daransetzt, sich selbst zu amputieren, krüppelhaft zu werden. Was uns In einer solchen Krise not tut, Ist, nach Fussenegger, aufzubrechen, um ,,nach neuen Gründen, nach neuen Perspekti ven zu suchen, um das Hergebrachte, Unverzicht bare, das Fundamentale neu zu entdecken, neu auszuleuchten." Und die Dichterin und Denkerin Fussenegger leistet dazu mit Ihren Überlegungen und tiefgründigen Reflexionen In diesem Buch einen bedeutenden Beitrag. Es steht mir nicht zu, dieses Buch In seiner denkeri schen Substanz und Konsequenz und seiner litera rischen Qualität zu beurteilen. Das erscheint mir auch nicht so wichtig. Viel wichtiger scheint mir die Botschaft, die aus diesem Buch spricht; und die hat mich tief ergriffen. Was an klarer Wahrheit und an tiefen Einsichten z. B. In den für mich besten Es says, wie ,,Über die Menschenwürde", ,,Über das Sinnbildliche Im Werk Leon Bloys" oder In den ,,Tagebuch-Notizen" aus den Jahren 1943 bis 1978 oder In Ihrer,,Dankesrede" aus Anlaß der Überrei chung des ,,österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst" am 11. Juni 1981 hier ausgesprochen wird, das formuliert sich für mich zu einer Botschaft, für die ich der Dichterin aus tiefem Herzen danke. P. P. Wiplinger

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