Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Bücherecke Neue Rosenheimer Raritäten Dietmar Stutzer - Alois Fink: Die irdische und die himmiische Wies. Mit 36 Fotos von Hans Heb eisen.-Rosenheim: Verlagshaus Alfred Förg 1982, 160 Seiten, 32seitiger Bildteil, davon 18 Farbtafeln, 9 Seiten mit Originaldokumenten, Leinen, Laden preis S 226.50. Dieses Kunstbuch in der Serie der „Rosenheimer Raritäten" unterscheidet sich wesentlich von den üblichen Veröffentlichungen dieser Literaturgat tung. Der Leser wird nicht nur kunstgeschichtlich in formiert, sondern in gleicher Weise in die Wirt schafte- und Soziaigeschichte einer historischen Bauschöpfung eingeführt. Es wird ihm die Schönheit und Bedeutung eines Meisterwerkes der spätbarokken Architektur nahegebracht, gleichzeitig wird er aber auch in die Zeit der Erbauung zurückgeführt, die mit Sorgen, Schulden, Finanzierungsproble men, also mit unfeierlichem und wenig frommem All tag ausgefüllt war. Aus Oberösterreich könnten genügend Parallelen angeführt werden, etwa der Schuldenberg des ba rocken Bauherrn von Lambach Maximilian Rag! oder die Baubremse, die der St. Florianer Propst J. Georg Wiesmayr (1732-1755) ziehen mußte, um in seinem Kloster nach seinem großzügigen Vorgän ger Johann Baptist Födermayr (1716-1732) die wirtschaftliche Ordnung wiederherzustellen. Die Wieskirche, in Oberbayern nördlich von Garmisch-Partenkirchen gelegen, ist eine Gründung des benachbarten (ehemaligen) Prämonstratenserklosters Steingaden, ihre Entstehung verdankte sie einer ehemals überschwenglich blühenden Wall fahrt - aus den einstigen Jahreseinnahmen wird ein Jahresdurchschnitt von 12.000 Pilgern errechnet. Ihren Ruhm in unserer Zeit hat sie etwa ab 1920 er worben, als sie von Kunsthistorikern als die,,schön ste Rokokokirche der Welt" entdeckt wurde und seitdem unermüdlich lobpreisend beschrieben wird. Ihr Baumeister war Dominikus Zimmermann, der neben den Brüdern Asam, Balthasar Neumann und Johann Michael Fischer zu den bedeutendsten süd deutschen Barockarchitekten gezählt wird, in unse rem Buch wird über ihn geurteiit: ,,Wie kaum ein an derer verkörpert er in der überzeugendsten Form die alte Einheit zwischen Künstler und Gestalter, Handwerker und Arbeiter, deren Untergang man nicht genug beklagen kann." Allein schon diese Formulierung zeigt, daß dieses Buch von Historikern geschrieben worden ist, die ein Kunstwerk in seiner Ganzheit, als Zeitdokument, verstehen wollen. Die zeitlose Schönheit barocker Meisterarchitektur wird dadurch für den Leser zu ei nem noch tieferen Erlebnis. O. W. Heinrich Noe: Südliche Täler, südliche Höhen. Wanderfahrten in Nord- und Südtirol, Kirnten, Krain und Steiermark. - Rosenheim: Veriagshaus Alfred Förg 7982; 168 Seiten, 44 Zeichnungen, Lei nen, Ladenpreis S 146.40 und Heinrich Noe: Ein Jahr im Gebirg. Wanderfahrten in Oberbayern, Salzburg, Tirol, Kärnten und Vorarl berg - Rosenheim: Veriagshaus Alfred Förg 1982; 168 Seiten, 24 Zeichnungen von Prof. Karl Schmid, Ladenpreis S 146.80. Mit den Bänden ,,Südliche Täler, südliche Höhen" und ,,Ein Jahr im Gebirg" hat das renommierte Ro senheimer Veriagshaus den ersten Versuch „Sei nerzeit in den Bergen" zu einem Dreigestirn ausge baut, das in sehr geglückter Weise beim Leser jene Atmosphäre hervorzuzaubern vermag, die den Au tor der Triiogie, Heinrich Noe, seinerzeit dazu bewe gen haben mochte, seine Begeisterung für die Alpen in einen für die Zeit erstaunlich modernen Erzähistii zu kleiden. Noe, seines Zeichens ein Bibliothekar, der die muffige Luft der Bücherstube schon in jun gen Jahren gegen das kernige Aipenkiima ver tauschte, gilt als einer der bedeutenden journalisti schen „Erschiießer" der Alpen, in einer Mischung aus Feuilleton und freier Erzählung, aus Dichtung und Wahrheit, versteht er es, den Leser für das Thema einzunehmen und zu fessein. Auch und ge rade heute noch, da wir angesichts einer postindu striellen ,,Erschließung" der Alpen - allerdings nur mehr vor dem buchstäblichen Scherbenhaufen al piner Landschaft und Lebensart stehen. Nur allzu gerne verfällt man in Nostalgie angesichts der poeti schen Landschaftsschiiderungen, der kleinen Abenteuer, der vielen Geschichten, die Noe in ge konnter Manier vor einem ausbreitet. Freilich ist Noe so ehrlich, immer wieder auf unendliche Härte und Entbehrung des damaligen Lebens in den Alpen hinzuweisen; auch ein Schuß Soziaikritik mag nicht fehlen, die umso wirksamer ist, als sie nicht aggres siv vorgetragen wird. Der Band ,,Südliche Täler, südliche Höhen" umfaßt „Wanderfahrten in Nordund Südtiroi, Kärnten, Krain und Steiermark", die vorwiegend in sehr kurzen, mit kleinen Episoden durchsetzten Geschichten und Beschreibungen dargelegt werden. Für den Kenner der einen oder anderen Gegend ist es durchaus reizvoll, Noes ge naue Beobachtungen mit den heutigen Gegeben heiten zu vergleichen. Solche Vergleiche können durchaus auch zugunsten der Gegenwart ausge hen, vor allem dann, wenn sich zeigt, daß nicht zu letzt durch Noes Fingerzeig das eine oder andere Gebäude vor dem Verfall gerettet wurde und heute ganz anders dasteht als vor hundert Jahren, im Band „Ein Jahr im Gebirg" breitet Noe die Früchte von Wanderfahrten in Oberbayern, Salzburg, Tirol, Kärnten und Vorarlberg aus. Obwohl auch hier das Ziel deutlich im Vordergrund steht, die Landschaft und Eigenart der Alpen verständlich zu machen, ei nem breiten Publikum die Angst vor,,diesen wilden Bergen" zu nehmen, geht der Autor doch immer mehr von der unmittelbaren Landschaftsschiiderung ab und verlegt sich aufs Geschichtenerzähien, das freilich von einem tiefen Verstehen für Mensch und Landschaft geprägt ist. Nicht umsonst gilt Noes Werk als Fundgrube nicht nur topographischen, sondern auch voikskundiichen Wissens. Die sorg fältige und liebevolle Ausstattung der in der Reihe ,,Rosenheimer Raritäten" erschienenen Bändchen - beide sind textadäquat illustriert und von lockend bunten Schutzhüllen umgeben - entspricht ganz den ursprünglichen Absichten Noes: ein Mittier zwi schen ursprünglicher Landschaft und Mensch zu sein. Und eine solche Mittierfunktion ist heute wie je sehr erwünscht. (Noe lebte in der 2. Hälfte 19. Jh.) Taschenbuch für Grabennymphen auf das Jahr 1787. - Rosenheim: Veriagshaus Alfred Förg 1982; 112 Seiten mit 13 Kupferstichen, Druck auf Bütten papier, in Leder gebunden mit Goldprägung, drei seitiger Goldschnitt, Format 7 x 11 cm, öS 456.-. Einmalige limitierte Auflage von 1500 Exemplaren. Der auf den ersten Bück unverfängliche Titel dieses veritabien ,,Taschen"-Buches läßt zunächst den Schluß zu, daß es sich um eine einigermaßen skur rile Sache handelt, in der sich ein - notabene! - an onymer Autor versucht. Der zweite Bück beiehrt den neugierigen Leser, daß er ein lockeres Satyricon vor sich hat, das eine uralte Institution - nämlich die des horizontalen Gewerbes - vornehmlich als Vehikel benutzt, um treffsicher und für das Jahr 1787 sicher lich sehr frech Gesellschaftskritik an den Mann oder die Frau zu bringen. Natürlich darf eine handfeste antiklerikale Komponente nicht fehlen, so wenn der Anonymus seinen Graben-Nymphen (bezogen auf die Nobeistraße ,,Graben" in Wien) für den Monat März folgenden Rat gibt:,, Vormai war dieser Monat einer der einträgüchstn; allein Kaiser Joseph, der die Schwätzer, Dienstverkäufer und so viele andere brave Leut um's Brod gebracht, hat nun auch durch die Erlaubnis, in der Fasten Komedien aufzuführen, eure Einkünfte ansehnlich geschmälert. Wie viele tragen nun ihr Geld nach dem Theater, das sie vor her bey euch als Leggeid bezahlt haben, weil ihnen der Staat keine andere Erholung erlaubte! So lang indessen der Kaivarienberg existiert. Fastenpredig ten gehalten werden, und die Leute blähende Fa stenspeisen essen, könnet ihr immer noch euern Schnitt machen." Nach solcherlei ,,nützlichen Ma ximen für die Grabennymphen auf jeden Monat" er geht sich der anonyme Satiriker in bissigen Betrach tungen wie ,,über die vorzüglichsten Verdienste der Grabennymphen", ,,eine kleine Physiognomik für die Grabennymphen", ,,Kiugheitsregein für die Gra bennymphen" etc. Zum krönenden Schluß findet der amüsierte Leser eine ausführliche Interpretation jener zwölf Kupfer stiche, die zuvor den Monatsratschiägen als Illustra tion beigegeben waren. Das eigentlich Besondere an diesem Werkchen ist aber einerseits die sehr sorgfältige und teure Aus stattung und andererseits die Idee an sich, diese überaus seltene Kostbarkeit, von deren wenigen Exemplaren sich noch eines in der Wiener Nationaibibiiothek befindet, im Reprint herauszubringen. Bücherfreunde, die noch dazu mit einem Sinn für das Skurrile in der Kulturgeschichte ausgestattet sind, werden mit diesem seitsamen Brevier ihre heile Freude haben. St. Theodor Glaser: Für Jahr und Tag. Bilder von ge stern - Gedanken für heute. - Rosenheim: Veriags haus Alfred Förg 1982, 160 Selten, 48 Farbtafeln, laminierter Pappband, Ladenpreis S 150.50. Dieses Geschenkbändchen ist eine besonders lie benswürdige ,,Rosenheimer Rarität", in früheren Zeiten, etwa im Biedermeier, hätte man es als Erbauungsbüchiein bezeichnet. Der Autor, ein evan gelischer Geistlicher, wendet sich in einem Vorwort an die ,,liebe Leserin und den lieben Leser", er spricht von einem ,,bunten Blumenstrauß für Jahr und Tag" und auch davon, daß er uns ,,mit einem kleinen Brevier durch jede Woche des Kalenderjah res, des Kirchenjahres und unserer Lebensjahre begleiten möchte". Er bekennt sich als Pastor zur ,,ökumenischen Offenheit" und daß er oft ,,ange sichts unserer protestantischen Nüchternheit" Neid empfinde ,,wegen des Reichtums der Zeichen und Farben, der Riten und Symbole in der katholischen Schwesterkirche". ,,Aus dem Schatz der Voiksfrömmigkeit und Volkskunst in Deutschland, öster86

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