Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Oberösterreich aktuell erhält, kommt zunächst sicher davon her, daß das Gotteshaus, das aus einer romanischen Basilika entwickelt wurde, auch an Sonnen tagen nur wenig Licht empfängt. Um so strah lender erglänzen die Bilder: die Legenden des hi. Johannes des Täufers und des hl. Johan nes Evangelist im Mittelfenster, die Abendmahiszene und die Evangelistenporträts so wie die Tafeln in den Seitenfenstern, mit de nen der anonyme Glasmaler den Bogen von den Propheten bis zum Leiden Christi spannte. Und sind es auch nur Reste von dem mystisch-frommen Bilderbuch in Glas, das dem Bürger des mittelalterlichen Weis zu schauen gegönnt war, so gewährt uns Heuti gen doch das Erleben dieses Kunstschatzes Einblick in den unermeßlichen Wert einer Kir che, die auf eine mehr als tausendjährige Ent wicklung zurückschauen kann. Der Geschichte des Landes ob der Enns ver mag man jedoch auch in der Umgebung von Wels nahe zu sein. Die mächtigen Ruinen der Schaunberg nächst Eferding - der ,,ober österreichischen Landesburg" - mahnen dar an, daß die Herren von Schaunberg auf dieser Feste den Traum von der Reichsunmittelbarkeit nicht nur träumten, sondern sogar sehr nahe daran waren, ihn zu verwirklichen, im Fürstlich Starhembergischen Famiiienmuseum im Schloß zu Eferding können unter an derem türkische Beutestücke bewundert werden, die an Ernst Rüdiger Grafen Starhem berg erinnern, den berühmten Sproß des oberösterreichischen Uradelsgeschlechtes und Stadtkommandanten von Wien während der osmanischen Belagerung von 1683. Doch bietet die Umgebung von Weis auch Ge legenheit für eine Entdeckungsreise zu weni ger bekannten sakralen Kostbarkeiten. In Schauersberg bei Weis etwa steht eine be merkenswerte spätgotische Wallfahrtskirche, die durch ihre ausgezeichnete barocke Ein richtung überrascht, in der Pfarrkirche von Fischlham findet sich eine der drei in Ober österreich bestehenden ,,Fischerkanzein", als ,,Schifflein Petri" gestaltet, und In der kleinen Filialkirche zu St. Leonhard bei Pucking hat sich die Freskoausstattung aus der Epoche um 1450 nahezu vollständig erhalten, so daß der Betrachter eines der gelungensten Bei spiele spätgotischer Kirchenausmalung vor sich sieht. Sakrale Kunstwerke von europäischem Rang erwarten denjenigen, der sich von Weis aus gegen Südwesten wendet: das Benediktiner stift Lambach und die Dreifaltigkeitskirche zu Paura. Sie vermittelt die schlechthin vollen dete Umsetzung des Trinitätsgedankens ins Architektonische. Abt Maximilian Pagi von Lambach ließ sie zwischen 1714 und 1717 von Johann Michael Prunner errichten. Für die Assstattung verpflichtete der kunstsinnige kI Prälat die besten verfügbaren Meister: Franz Josef Ignaz Hoizinger, Carlo Carlone und Jo seph Matthias Götz, den damaligen Kloster bildhauer zu St. Nikola vor Passau. Es wäre müßig, über die Bedeutung der Abtei von Lambach viele Worte zu verlieren, über ihre enge Verflechtung mit der oberösterrei chischen Landesgeschichte, über ihre weltbe rühmten romanischen Fresken, über ihre prunkvolle barocke Einrichtung. Es sei ledig lich eine neue Facette vermerkt: in Lambach hat sich das einzige barocke Stiftstheater Oberösterreichs erhalten. Es wurde aus Anlaß des 200. Todestages des Lambacher Mundartdlchters P. Maurus Lindmayr restauriert und bespieibar gemacht, im Lindemayr-Gedenkjahr 1983 kann der interessierte Zu schauer einer Aufführung jenes LindemayrStückes „Der kurzweilige Hochzeitsvertrag" beiwohnen, das auf eben dieser Bühne ge spielt wurde zu Ehren der Dauphine Marie Antoinette, die in Lambach Station machte auf der Reise zu ihrem per Prokuration angetrau ten Gemahl, dem späteren König Ludwig XVi. Es mag sein, daß die Schau vom Werden ei nes Landes ,,Tausend Jahre Oberösterreich" nur einen Überblick zu geben vermag, der un vollständig bleiben muß, so sehr sich die Ver antwortlichen bemühten, die Stellung Ober österreichs im Spannungsfeld der europä ischen Geschichte auszuloten. Gewiß aber wird sie das Verständnis vertiefen für ein Land, dessen Geschichte von faszinierender Dra matik ist. Und die Stadt Wels und ihr Umland werden das Ihre dazu beitragen, einen Besuch der große Landesausstellung ,,Tausend Jahre Oberösterreich - Das Werden eines Landes" in der Burg zu Weis zu einem unvergeßlichen Erlebnis werden zu lassen. Plakat- und Prospektmotiv der oberösterreichi schen Landesausstellung 1983: Darstellung des Bindenschildes und des Wappens des Landes ob der Enns im Greiner Marktbuch, um 1490. - Foto: Franz Gangl 74

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