Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Oberösterreich aktuell Wels und die Landesausstellung „Tausend Jahre Oberösterreich - Das Werden eines Landes" Heiga Litschel Wenn der Oberösterreicher an Wels denkt, so verbindet er damit die verschiedensten Be griffe: dem einen wird bewußt, daß Wels die Nachfolgerin einer römischen Provinzhaupt stadt mit dem imponierenden Namen ,,Colonia Aureiia Antoniniana Gvilava" ist, und er verweist auf römerzeitliche Kostbarkeiten im Welser Stadtmuseum. Ein anderer wieder kennt und schätzt Wels als jene Stadt in Ober österreich, in der das bürgerliche Handwerk und das reiche bäuerliche Umland jenen Wohlstand garantierten, dem die Siedlung eine Fülle hervorragender Baudenkmäler ver dankt. Ein dritter mag sich an die immense Bedeutung von Wels als Handeisplatz erin nern, eine Bedeutung, die seit dem Mittelalter dieser Stadt zu allen Zeiten zukam und die sich heute noch im Messezentrum Wels mani festiert. Wohl kaum jemand wird sich hingegen Wels als Stadt der Burgen und der Schlösser vor stellen - und doch liegen nicht weniger als fünf solcher Bauwerke innerhalb der Stadtgren zen, nicht gerechnet die Adelssitze Alt-Traun egg und Eisenfeld. Fangen wir beim kleinsten an, beim Schlößchen Bernau auf der Haid, das im Jahre 1610 Niklas von Rottenburg und seine Gemahlin Juliana erbauen ließen und das abseits der Hans-Sachs-Straße in einem Park ein stilles, beschauliches Dasein führt. Ganz anders verhält es sich mit einem Ge bäude, das ebenfalls in der Zeit der Renais sance Gestalt annahm: Schloß Puchberg. Es liegt zwar auch in einem Park, doch reichen die Zu- und Abfahrten der Autobahn und deren Einbindung in die Rieder Fernstraße gleich Polypenarmen ganz nah an seine Mau ern und für geschäftiges Treiben in seinen Räumen sorgt ein vielbesuchtes Bildungszen trum. Puchberg wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Christoph Puecher zu Hinterdobl erworben und zu einem hufeisenför migen Dreiflügelbau mit vorspringenden Rundtürmen gestaltet. Die Anlage wechselte häufig ihren Besitzer, was begreiflicherweise dem Bestand nicht gerade zugute kam. Zu dem ließen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die damaligen Eigentümer, dem Geschmack der Zeit entsprechend, die Anlage einschneidend verändern. Daß trotzdem und trotz Neubau einer Kapelle und eines Gäste hauses Schloß Puchberg heute noch als typi sches Beispiel für einen Edeimannssitz des 17. Jahrhunderts vorgestellt werden kann, verdankt es der sachkundigen Restaurierung und Sanierung durch den Bund und die Diö zese Linz. In unmittelbarer Nähe einer modernen Wohn anlage mit Zeltkirche und Fernheizwerk steht inmitten eines gepflegten ,,englichen" Parks mit weiten Rasenflächen und schönen Laub und Nadelhölzern Schloß Lichtenegg und träumt von alten, besseren Zelten. Es begann mit einem Sproß aus mächtigem Geschlecht: Ludwig von Polheim ließ seinen Landsitz Lich tenegg im 16. Jahrhundert als Wasserschloß erbauen - ein kundiges Auge erkennt den ehemaligen Wassergraben noch jetzt. Seine gültige Gestalt jedoch erhielt das Schloß unter den Baronen Mannstorff im Stil des Rokoko. Damais wurde auch der Park der Mode ent sprechend französisch getrimmt und mit Springbrunnen, Wasserspielen und Sand steinfiguren ausgestattet. Beinahe hätte der Zweite Weitkrieg das Ende von Lichtenegg bedeutet: 1944 erlitt das Gebäude schweren Bombenschaden. Aber glücklicherweise wur de das Schloß bereits in den fünfziger Jahren wiederhergestellt, so daß es heute als eine Oase der Stille und Einkehr in dem zur Welser Satellitenstadt ausgebauten modernen Lich tenegg zur Besinnung mahnt. Das Schloß, dessen Name den größten Bekanntheitsgrad unter den Welser Edelsitzen hat - Schloß Polhelm - ist als solches kaum noch zu erkennen, im wahrsten Sinne des Wortes hat dieses Schloß überhaupt nie be standen. Der Gebäudekomplex, der mit dem einflußreichen Adelsgeschlecht der Polheimer verbunden ist, blieb trotz zahlreicher Umbau ten im Kern immer eine wehrhafte Burg. Heute noch erkennt man in der Rundmauer die Schiitzscharten für die Armbrustschützen, heute noch weist die Rundung der dicken Au ßenmauern deutlich auf die einstige Funktion als Wehrmauer hin, und heute noch dominiert der Name des Geschlechts, dem die Burg ge hörte und das in Weis durch Jahrhunderte den Ton angab: Polheimer Schloß, Polheimer Park, Polheimer Straße. Ebenso in die mittelalterliche Stadtbefesti gung eingebunden wie die Burg der Polheimer und dieser in südöstlicher Richtung diametral gegenüber liegt jenes Gebäude, das vom 29. April bis zum 26. Oktober 1983 die große oberösterreichische Landesausstellung ,,Tausend Jahre Oberösterreich - Das Wer den eines Landes" in seinen Mauern beher bergt: die Burg Wels. Das Gebäude wurde in den letzten Jahren umfassend restauriert und darf nun zu den Schmuckstücken der an Ju welen der Baukunst überaus reichen Stadt Wels gezählt werden. Es war vor allem Kaiser Maximilian I., der die Weiser Burg ausbauen ließ. Aus seiner Zeit stammen die herrlichen Holzdecken mit ihren mächtigen Rüstbäumen, die eindrucksvolle Bogengaierie des West traktes sowie der prächtige Erker des Südtrak tes, der seine Verwandtschaft mit dem ,,Gol denen Dachl" In Innsbruck nicht leugnen kann. Die Ausstellung vom Werden des Landes Oberösterreich ist in siebzehn Räumen der Weiser Burg untergebracht. Der Umfang des Ausstellungsthemas ist gewaltig und reicht von den Grafen zu Wels-Lambach über die Otakare und Babenberger, König PfemysI Ot tokar, die Habsburger und das Industrielle Zeitalter bis herauf ins zwanzigste Jahrhun dert. Um die Fülle zu bändigen und über schaubar zu machen, wird in jedem Ausstel lungsraum ein Schwerpunkt gesetzt, sei es nun Geschichte, Kunstgeschichte, Wirt schaftsgeschichte, Buchkunst oder Volks kunde. Der Aufbau der Ausstellung entspricht dem hi storischen Ablauf, daher bilden die Exponate aus der Romanik den Auftakt. Daß dabei dem Benediktinerstift Lambach eine besondere Gewichtung zufällt, ist verständlich, gilt doch der hl. Adalbero, letzter Sproß der Grafen von Wels-Lambach, als eigentlicher Gründer der Abtei. In der Burg zu Wels werden der aus dem 11. Jahrhundert stammende Adalberokamm, eine Kupferstatue des Heiligen, die Hand schrift seiner Lebensbeschreibung und ein Stifterbild ebensowenig fehlen wie das höchst bedeutsame Fragment der Lambacher Fres ken, das vom Bundesdenkmalamt Wien zur Verfügung gestellt wird. Dazu kommen Zeug nisse romanischer Kleinkunst, eine romani sche Madonna aus Schlögl sowie die soge nannte Rieder Kreuzigung, die als die älteste erhaltene Holzplastik Österreichs angesehen wird. Von ganz besonderer Bedeutung sind die ge zeigten Urkunden, deren Darstellungen im 10. Jahrhundert beginnen. Als Rarität ersten Ranges fasziniert das Original der Georgenberger Handfeste von 1186. Sie wurde auf dem Georgenberg zu Enns ausgestellt und garantierte den Babenbergern das Erbe der steierischen Otakare nach dem Aussterben der Linie mit Otakar IV., dessen Grabplatte ebenfalls zu sehen ist. Die prachtvollen Siegel - das des Markgrafen Otakar III., sowie die äl testen Stadtsiegel von Steyr und Enns - dürf ten nicht nur Historiker in ihren Bann ziehen. Bereits im Jahre 1981 hat man in Pergkirchen nächst Perg den Kirchenhügel mit der ehema ligen Burg vermessen, so daß nun in Wels ei nes jener selten erhaltenen Objekte aus der Rodungszeit des 11. Jahrhunderts dokumen tiert werden kann. In diese Epoche weist auch die Rekonstruktion der Holzkirche zu St. Mi chael ob Rauchenödt. Die mittelalterliche Lite ratur schließlich ist mit der Donaueschinger Handschrift des Nibelungenliedes sowie mit dem Versepos vom Meier Helmbrecht vertre ten, das Wernher der Gartenaere in der zwei ten Hälfte des 13. Jahrhunderts schrieb und das im heutigen Innviertel spielt. Die Kunst der Gotik in Oberösterreich wird re präsentiert durch Tafelbilder, Statuen, Pro zessionsstangen und Bischofskrümmen von erlesener Schönheit sowie durch eine bisher 69

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