Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Kunst der Gegenwart Rudolf Koibitsoh und sein Werk im Krankenhaus Weis Otto Wutzel Rudolf Kolbitsch besitzt zu Wels eine zweifa che Bindung. Biographisch ist anzumerken, daß diese aite oberösterreichische Handeis stadt mit ihrem charakteristischen bäuerlichen Umland seine Geburtsheimat ist (Geburtsda tum 21. Mai 1922). Künstlerisch ist mit Nach druck zu betonen, daß er im Krankenhaus Wels eine wichtige, ja entscheidende Heim stätte für seine Arbeit gefunden hat. Diese gei stig-künstlerische Verbindung begann 1963/64. Ihre nächsten zeitlichen Stationen waren die Jahre 1969,1980 und 1982. Dieses harmonische Verhältnis zwischen Auftragge ber und Künstler - eine Seltenheit in der Kunstszene unserer Tage - dürfte noch weite ren Bestand haben. Über Kindheit und Jugend spricht Rudolf Kol bitsch wenig. Nur so nebenbei und eher zufäl lig erwähnt er z. B. einmal, daß er in der Nähe des Weiser Krankenhauses den Kindergarten besucht habe, dort sich auch ein Giasfenster von ihm befinde, dieses Vorstadtviertel die Welt seiner Kindheit gewesen sei. Ais er 17 zählte, begann der zweite Weltkrieg. Aus ihm ist er kriegsversehrt heimgekehrt. Der neuen Wirklichkeit stand er wie die meisten Kriegs heimkehrer zunächst sehr unsicher gegen über. im Jahr 1947 begann er seine Ausbil dung an der Kunstschule der Stadt Linz. Über das Warum dieses Entschlusses und Wagnis ses, Künstler zu werden, Ist von ihm selbst wieder kaum etwas zu erfahren. Rudolf Kol bitsch ist in allen persönlichen Belangen ein Schweigsamer. Eher läßt sich eine Antwort auf diese Frage aus seinem künstlerischen Schaf fen ablesen. Das Kriegserlebnis hat ihn nicht nur körperlich gezeichnet, sondern auch see lisch zutiefst geprägt. Es sind In ihm ,,Gesich ter" herangewachsen, die ihm bis heute keine Ruhe lassen, die nach Ausdruck und Bewälti gung verlangen. Das erste Blatt seines 1954 noch während seines Kunststudiums entstan denen neunteiiigen Zyklus ,,Der Krieg" be nannte er ,,Auch das Gewehr ist ein Kreuz". Das Abschiußblatt heißt „ünd übrig bleiben die Gräber". Nur die Kunst schien ihm die ent sprechenden Möglichkelten zu bieten, der Mitweit sein persönliches Credo mitzuteilen, in den Folgejahren verlor der Künstler, abge sehen von seiner Verbindung mit dem Welser Krankenhaus, ziemlich den Kontakt mit seiner Geburtsheimat. Er glaubte sich hier nicht recht verstanden, obwohl ihm 1973 die Kuiturmedaiile der Stadt Weis in Silber verliehen wor den war. Das Jahr seines 60. Geburtstages - 1982 - brachte dann eine positive Wende. Au ßeres Zeichen hiefür war die Verleihung der Welser Kulturmedaiiie in Gold. Vor allem brachte ihm jedoch Befriedigung und das Ge fühl lang erhoffter Anerkennung eine großzü gig angelegte Ausstellung vom 7. bis 30. Mai 1982 in der Galerie der Stadt Wels. Mittelpunkt dieser Exposition waren Bildtafeln, die er soe ben für den Meditationsraum des Angesteil ten-Wohnheimes des Krankenhauses Weis fertiggestellt hatte, ihre zentrale Anordung war ein deutliches Anzeichen, welch hohen Stei lenwert diese Anstalt in seinem Lebenswerk einnimmt. Bevor auf die vielfältigen Arbeiten, die er im Auftrag der Schwesternschaft und Ärzteschaft des Welser Krankenhauses schaffen konnte, näher eingegangen wird, soll kurz die persön liche Einsteilung des Künstlers zu dem heiklen Thema der Auftragskunst behandelt werden. Kunsttheorie und Kunstkritik der Moderne be sitzen Im aligemeinen ein gestörtes Verhältnis zum bestellten Bildwerk, besonders wenn es sich um Kunst am Bau handelt. Vollwertige Kunst könne nur in der Losiösung von allen außerkünstierischen Einflüssen und Bindun gen entstehen. Ais Zieivorsteliung gilt seit lan gem das absolute Bild. Auftragskunst gelte nur dem Broterwerb, es sei denn, der Auftragge ber erlaube dem Künstler totale Freiheit. So die offizielle Kunstmeinung! Oft stimmt leider diese Version. Auftraggeber und Künstler begegnen sich vielfach in be dauerlicher Verständnisiosigkeit. Auch für Rudolf Kolbitsch mögen zunächst wirtschaftli che Gründe dazu geführt haben, daß er sich für die Kunst am Bau zu interessieren begann. Noch während seiner Studienzeit entstanden seine ersten Giasfenster für die Kapelle des Landeskinderkrankenhauses Linz (1956) und seine ersten angewandten Stahlätzungen in dem großartigen Kreuzweg für die Pfarrkirche St. Michael in Linz-Bindermichl (1957). im Abschiußjahr seiner Ausbildung 1958 konnte er Schlüsselarbeiten in seinem gesamten Oeuvre schaffen, die zehn Goidplatten ,,Der Mensch in der Verwandlung durch die Maske" für das Foyer im 2. Stock des neuen Großen Hauses des Landestheaters Linz und die mächtige Giasfensterfront in der Kapelle des Krankenhauses St. Josef in Braunau am Inn. Schon damals und seitdem in imponierender Werkfoige beweist Rudolf Kolbitsch, daß für ihn die Auftragskunst ein ernstes Anliegen darstellt, dem er alle seine Kräfte zu widmen bereit ist. Diese Auffassung kann auch Ant wort auf die Frage geben, warum er mehr und mehr die Eisenradierung zurückstellte, die ja seinen gesamtösterreichischen Ruf begrün det hat, die ihm erste internationale Aussteiiungserfolge brachte (Biennale Gincinnati, Rotterdam, Düsseldorf, Triennaie Grenchen, Kamakura in Japan usw.) und ihn zum zwei fachen Preisträger beim österreichischen Graphikwettbewerb in Innsbruck (1954 und 1957) machte. Zwei Voraussetzungen müssen allerdings ge geben sein: eine eindeutig künstlerische Themenstellung und ein persönliches Nah verhältnis zur Bauherrschaft (Auftraggeber und Architekt), im Krankenhaus Wels hat er diese ideale Symbiose jederzeit vorgefunden. In einer Monographie über ihn, die sich in Vor bereitung befindet, wird darzustellen sein, daß ihm fallweise auch andernorts ähnliche gün stige Bedingungen geboten worden sind. Wo dieses inspirierende Echo fehlt, schmerzt es den Künstler empfindlich. Klage führt er be sonders darüber, oft mit unbefriedigenden Ar chitekturlösungen konfrontiert zu werden, in drei Techniken hat es Rudolf Kolbitsch zu hoher Könnerschaft mit persönlicher Note und ihm eigener Handschrift gebracht: Stahiätzung, angewandte Tafelmalerei, Glasfen ster (Antikglas und Betonglas). Seine Stahiätzungen als künstlerische Ele mente im Verband einer Architektur sind eine konsequente Fortentwicklung bzw. Anwen dung seiner Eisenradierung, für die es zwar historische Vorbilder gibt, die er jedoch in der Werkanzahi und in der Qualität auf eine Höchststufe gebracht hat, für die es auch In ternational keinen Vergleich gibt. Künstlerisch bearbeitete Stahlplatten, die vor ihrer Montage In einem Architekturverband als Druckvorla gen für die Auflage eines graphischen Blattes dienen könnten, werden vernickelt, ge schwärzt und in Einzelanordnung für Kreuz wege oder zusammengesetzt für Kirchentüren verwendet. Weitere Anwendungsmögiichkeiten dieser mühsamen und arbeitsaufwendi gen Technik fand er bei der Herstellung von Altar- und Vortragkreuzen, Tabernakel, Giokkenhalterungen, Ambo, Ewiges Licht. In welch hohem spirituellen Ausmaß angewandte Stahlätzung und Radierung in Einklang ge bracht werden können, bewies er mit einem 15teiligen Kreuzweg, den er für die neue Pfarrkirche in der polnischen Industriestadt Nowa Huta (nahe Krakau) geschaffen hat. Vor dessen Abtransport an den Bestimmungsort fertigte er drei Abdrucke an. Außerdem wurde von ihm ein Abzug auf Leinen in der Pfarrkir che St. Theresia in Linz und für die neue Ka pelle im Linzer Priesterseminar eine Druck folge in Form eines Fastentuches hergestellt. Eine eigenwillige Technik entwickelte Rudolf Kolbitsch auch in seiner angewandten Tafel malerei. Massive Hoiztafeln (meist Ahorn), oft echt vergoldet, werden in graphischer Zei chensprache lasierend bemalt, wie für die Wandgestaltung im Foyer des Krankenhau ses Wels, mit Polyester überzogen und ebenso wie die Stahlätzungen als selbstän dige Bildelemente oder in geschlossener An ordnung montiert Hier kann der Künstler seine Farbvorsteilungen verwirklichen, in rund drei Schaffensjahrzehnten hat sich Rudolf Kolbitsch überdies zum bedeutendsten oberösterreichischen Glasmaler nach Margret Biiger entwickelt. Diese Qualifikation kann ihm 61

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