Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Stiftsbibliothek Kremsmünster, Einband zum Codex Miiienarius Maior, einer Evangeiienhandschrift aus der Zeit um 800, aus der Werkstatt des Weiser Goldschmiedes Heinrich Vorrath, Ende 16, Jahrhundert, Vorderseite mit Figur des Christus Saivator im Segensgestus mit der Erdkugel. - Foto: Eifriede Mejchar, Bundesdenkmaiamt Wien tes und des Abtes Johannes Spindler (1591-1600): es sind die Wappentiere Eber, Hund und Ochse, wie sie auch im Kremsmünsterer Schild vorkommen, und der Spindiersche Löwe mit der Spindel. Daneben sind je weils fünf farbige, in Kreuzform angeordnete Glasflüsse zu finden. An der Rückseite liegt in der Mitte eine hochovale, mit Beschiagwerk gerahmte Piakette mit dem Christusmono gramm INS; die Eckpiatten zeigen geflügelte Puppenköpfchen.Daß in den Details dieses Einbandes noch gotische Erinnerungen auf scheinen, entspricht auch den Entwicklungen in der Architektur, Tradition und Mode mischten sich in einer Weise, die für den Ma nierismus des späteren 16. Jahrhunderts kennzeichnend ist.i^ Der zweite Einband umschließt den Codex Miiienarius Minor, gleichfalls ein Evangeiiar, dessen älteste Teile um 860 in Freising ge schrieben wurden und das noch vor 900 zu seinem vollen Umfang ergänzt worden ist. Vielleicht steht die Erwerbung der Handschrift mit dem bedeutenden Kremsmünsterer Abt des späten 9. Jahrhunderts Sneipero in Zu sammenhang, jedenfalls ist auch diese Hand schrift kurz nach dem Jahr Tausend in Kremsmünster nachgewiesen. Sie hat seither alle Schicksale des Miiienarius Maior geteilt.^ ^ Es scheint aber, daß der als ,,Cimelie II" be zeichnete Codex den wertvolleren Einband (,,ln auro") besessen hat. Dieser ging im frü hen 16. Jahrhundert verloren, er wurde aber gleichzeitig wie der des Maior erneuert. Der Einband besteht wiederum aus Holz, rotem Leder, Silber, ist vergoldet und teilweise emailliert. Er hat ein Format von 29 X 21,3 cm. Auf der getriebenen und zise lierten Silberplatte der Vorderseite steht in der Mitte unter einem Baldachin die gekrönte Ma donna auf der Mondsichel vor einer Strahlenmandoria. Sie wird zu Häupten und zu Füßen flankiert von musizierenden Engeln, die auf Wolkenbänken sitzen oder knien. Bei allen Fi guren ist das Inkarnat emailliert (stark be schädigt). Zu beiden Seiten über dem Bal dachin sind die Wappen des Stiftes und des Abtes Johannes Spindler (so wie vorhin) an gebracht. An den Ecken, am Baidachin, zwi schen den Engein und in der Mitte unter der Mondsichei sitzen große, die Treibarbeit zum Teii überschneidende farbige Glasflüsse. Die Platte wird gerahmt von einer Perlenschnur, deren Form einem Rosenkranz ähnelt. Die Fi gur der Madonna ist sehr hoch getrieben, da an ihrer Rückseite Reliquien eingelegt sind. Die Rückseite des Codex zeigt in der Mitte eine hochovale, von Blattvoluten gerahmte Plakette mit dem Marienmonogramm MRA; auf den Silberecken sind geflügeite Putten köpfe. Auch dieser Einband ist im letzten Jahr zehnt des 16. Jahrhunderts durch den in Wels tätigen Goldschmied Heinrich Vorrath herge stellt worden. IS Auch der zweite Einband zeigt eine Hauptfigur und vier Assistenzfiguren, doch ist die Ausfüh rung viel lockerer und freier durchgeführt wor den, da das Architektursystem mit Ausnahme eines Baldachinrestes weggefallen ist.s" Zuletzt bleibt noch der Hinweis, daß Mitglieder der Familie Vorrath weiterhin in Wels als Gold schmiede tätig waren. Der Sohn, Matthias Vorrath, wird laut Ratsprotokoll im Juli 1628 zum Mitbürger aufgenommen. Er arbeitete 1630 für das Lichtamt, im Jahre 1640 hat er ei nen kostbaren Diamantring für den Abt von Kremsmünster angefertigt.Die Vorrathsche Werkstatt in der Schmidtgasse in Wels wurde von Johann Richter übernommen, der seit mindestens 1656 zuerst als Inwohner, dann als Hausbesitzer dort nachweisbar ist. Ver schiedene Mitglieder dieser Familie folgten in demselben Beruf in Wels.^^ Es kann nun im Detail auf Welser Goldschmiede späterer Jahrhunderte nicht eingegangen werden. Ein Hinweis auf Verbindungen zwischen Krems50

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