Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

auswirkte. Die Erhebungen der oberösterrei chischen Handeis- und Gewerbekammer in den Jahren 1875 bis 1890 geben erstmals ei nen umfassenden Einblick in die Struktur der Industrie. So zeigt die Erwerbssteuerieistung des Welser Gewerbes die geringe Bedeutung der Industriebetriebe im Wirtschaftsieben der Stadt. Tab. 1: Steuerleistung des Welser Gewerbes im Jahr 1875 Ort Zahl der Gewerbe Erwerbssteuer (o. Zuschlag) Gulden Kreuzer Lichtenegg 64 465 67 Vi Bernau 32 159 70 Puchberg 24 66 15 Wels 681 4730 45 Im Jahr 1875 zählte vergleichsweise die Stadt Steyr 1114 Gewerbe mit 11.710 Gulden 65 Kreuzer Erwerbssteuer. Die größten Betriebe waren damals die Brauerei sowie die Papier fabrik in Lichtenegg mit je 105 Gulden. So zum Beispiel bezahlte die Waffenfabrik in Steyr 1260 Gulden und die Kaiserin-ElisabethWestbahn in Linz 1890 Gulden Erwerbssteu er. Die kieinbetriebiiche Struktur der Weiser Industrie unterstreicht auch die Betriebszähiung von 1880. Damais waren die größten Un ternehmen die Welser Maschinenpapierfabrik 0. J. Stützer & Franz Würtz mit 56 Arbeitern, die Kunstmühle und Brotbäckerei Franz Fritsch mit 46 sowie die Eisengießerei und Maschinenfabrik Hans Faikensammer mit 17 bis 30 Beschäftigten. Alle anderen Unterneh men zählten kaum mehr als zehn Arbeiter. Auch die Anzahl der im Stadtgebiet aufgestell ten Dampfmaschinen zeigt ein ähnliches Bild. Nur die bedeutenderen Betriebe wie die Le derfabriken Adler und Haslinger (Ploberger), die Maschinenfabriken Lechner und Faiken sammer, die Hutfabrik Blum sowie der Bahn hof der Westbahn verfügten über solche Energieiieferanten. Nach Linz und Steyr war Weis Ende des 19. Jahrhunderts die dritt größte Stadt Oberösterreichs. Während sich in Linz und Steyr vorwiegend Mittel- und Groß betriebe ansiedelten, blieb die Welser Indu strie durchwegs kieinbetriebiich strukturiert. Hier gingen die Unternehmen aus kleineren oft handwerklichen Betrieben in einem längeren Akkumuiationsprozeß hervor. Der Durchbruch zu größeren Strukturformen erfolgte erst nach der Jahrhundertwende. Der Wirtschaftsaufschwung der Spätgründer zeit (1896-1913) bot für die oberösterreichi sche Industrie nochmals eine Gelegenheit, verlorenes Terrain aufzuholen. Durch einen weltweiten Konjunkturaufschwung kam es un ter Mitbeteiiigung der Banken zu einer außer ordentlichen wirtschaftlichen Belebung. Vor allem in den letzten Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebte Oberösterreich eine außergewöhnliche industrielle Blüte. Diese Hochkonjunktur brachte für die Stadt Weis die erste bedeutende industriegründungswelle. Damals vollzog sich der Durch bruch der industriellen Struktur in Form einer größeren Anzahl von gewerblichen Mittelbe trieben. Gegenüber dem Kroniand Oberöster reich ist aber eine deutliche Phasenverschie bung zu erkennen. Die rege Industriegrünmsmmm 54'f.5r' dungstätigkeit setzte in Weis 1896 ein und flaute 1908/09 deutlich ab. im Land ob der Enns wurde aber erst zwischen 1910 und 1913 der Höhepunkt der industriellen Grün dungstätigkeit erreicht. Wo lagen die Ursachen für diese Entwicklung? Die Stadt Weis bewies auf dem Gebiet des Ei senbahnwesens außerordentliche Rührigkeit und Opferfreudigkeit. Zwischen ihr und der Landeshauptstadt herrschte seit Beginn der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine große Konkurrenz im Eisenbahnbau. Vor al lem um die Errichtung der Kremstalbahn kam es zwischen den beiden Städten zu einer überaus heftigen, jahrelangen Fehde. Wäh rend Vertreter der Stadt Wels sich um eine ,,Nord-Südbahn" Böhmisch - Waiiern - Weis - Rottenmann bemühten, die die beiden Pro jekte Mühikreisbahn und Kremstalbahn ver band, versuchte man in Linz beide Lokalbah nen zu trennen. Nachdem sich die Linzer Pläne durchzusetzen vermochten, verlor Wels mit dem Kremstal ein Wirtschaftsgebiet, das seit altersher mit der Stadt verbunden war. Auch beim Bau der Mühikreisbahn konnten die Projekte der Stadt Wels nicht realisiert werden. Deshalb bemühte sich ein Ausschuß unter dem Vorsitz von Franz Holter, die Linie Haiding-Aschach (1886 eröffnet) durch eine Donaubrücke bei Aschach mit der Mühikreis bahn zu verbinden. Die Linie Wels - Rohr, 1893 eröffnet, sollte den Anschluß an die Kremstalbahn ermöglichen, doch blieb der Er folg hinter den erwarteten Ergebnissen zu rück. im Jahr 1901 wurde die Almtalbahn Sattledt-Grünau gebaut, die ebenfalls ein altes Wirtschaftsgebiet der Stadt berührte. Diese verschiedenen Sekundärbahnen verwaltete die ,,Weiser Lokaibahngeseiischaft AG". Der doppelgleisige Ausbau der Westbahn von Weis bis Salzburg (1898/1902) und von Weis bis Haiding (1906) beendete diese Investitio nen im Verkehrswesen. Eine weitere wichtige Voraussetzung für den konjunkturellen Aufschwung war die Erschlie ßung neuer Energiequellen. Nachdem bereits 1872 ein Gaswerk gegründet wurde, erweck ten die Erdgasfunde in den neunziger Jahren neue Hoffnungen. Das seit 1891 erbohrte Erdgas konnte jedoch aufgrund der geringen Fördermengen nur zu Beieuchtungs- und Heizzwecken verwendet werden. Schon seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts nützten einige industrielle Unternehmen die elektrische Energie für Beieuchtungszwecke. Kraftstation des Elektrizitätswerkes Wels, aus: Die Städte Deutschösterreichs. Eine Sammlung von Darstellungen der deutschösterreichischen Städte und ihrer Arbeit in Wirtschaft, Finanzwe sen, Hygiene, Sozialpolitik und Technik. Hrsg. v. Enwin Stein, Band VII Wels, erschienen 1931 im Deutschen Kommunai-Veriag Berlin-Friedenau 44

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