Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Wels in der Industrialisierung Oberösterreichs Von der Manufaktur bis zum „Anschluß" Österreichs an das Deutsche Reich Im Jahr 1938 Rudolf Kropf Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf den Raum Wels, das heißt auf die Stadt Weis und die 1938 eingemeindeten Orte Lichtenegg, Pernau und Puchberg. Eine iso lierte Betrachtung des engeren Stadtgebietes von Weis wäre wenig sinnvoll, zumal sich die Industriebetriebe im 19. Jahrhundert vorwie gend in den Vororten ansiedelten. Neben Niederösterreich und Böhmen zählte Oberösterreich im 18. Jahrhundert zu den wirtschaftlich am besten entwickelten Ländern der Monarchie. Dies war vor allem auf die gün stige Verkehrsiage im Schnittpunkt des OstWest-Donauhandeis mit dem Nord-Südver kehr von Böhmen zur Adria, das intensive Ei sen- und Saizgeschäft, die im Verlagswesen organisierte Textiierzeugung und die ausge prägten Manufakturen zurückzuführen. Der Großbetrieb der Linzer Woiienzeugmanufaktur, neben dem sich nur schwer andere Manu fakturen behaupten konnten, beeinflußte die Wirtschaftsgeschichte des Landes ob der Enns bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhun derts. Diese günstigen Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung fanden mit dem Aufkommen der Maschinen keine dementsprechende Fortsetzung. Die Produktions bedingungen der Fabriksindustrie unterschei den sich eben wesentlich vom Handwerk oder der Manufaktur. Ähnlich wie das gesamte Kroniand Oberöster reich besaß auch Weis im 18. Jahrhundert ei nige günstige Voraussetzungen als Standort für gewerbliche Unternehmen. Die Stadt bil dete ein Handeiszentrum für ein größeres agrares Hinterland und wurde deshalb häufig auch als ,,Bauernstadt" bezeichnet. Die Was serkraft der Traun stellte für industrieansiediungen die benötigte Energie zur Verfügung. Besonders hervorzuheben ist noch die sehr günstige Verkehrsiage. Neben der Schiffahrt auf der Traun war Weis auch ein Straßenkno tenpunkt. Die Pyhrnstraße, ein alter Ver kehrsweg von Böhmen nach Italien, führt über Weis. Die Trauniinie - eine alte Saizstraße - über den Pötschen und Mitterndorfer Sattel mündet bei Lambach in die Ost-Westiinie, eine wichtige europäische Handeisstraße. Weiters führen von Weis ausgehend drei Ver kehrslinien nördlich des Hausrucks an den Inn und weiter nach Bayern. Neben diesen positi ven Standortfaktoren hatte die Stadt für eine rasche Industrialisierung auch einige gravie rende Nachteile. Weis war kein Zentrum einer umfangreichen gewerblichen Produktion. Hier dominierte der Handel gegenüber dem Hand werk. Ferner bestand in der Umgebung ein deutlicher Mangel an industriellen Rohstoffen. Letztlich lag die Stadt abseits des für den Be ginn der Industrialisierung wichtigen Donau weges. Ein charakteristisches Kennzeichen der indu striellen Revolution bildet die bereits Jahr zehnte vorher einsetzende Bevölkerungsex plosion. Der Aufbau von Industriegebieten führte zu enormen Wanderungsbewegungen und zur Verstädterung. Deshalb werden auch häufig der Wandel der Berufsstruktur und der Grad der Verstädterung als Indikatoren des wirtschaftlichen Fortschritts eines Landes oder einer Region angesehen. Zunächst zeigt die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Weis im 19. Jahrhundert nur eine mäßige Zunahme. Die Anzahl der Einwohner wuchs von 1830 bis 1869 von 4839 auf 6827 und bis zur Jahrhun dertwende auf über 12.000 an. Erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist eine Beschleu nigung in der Popuiationsdynamik bemerkbar, die bis zum Ersten Weitkrieg anhielt und nachher wieder in eine Periode geringerer Zuwachsraten überging. Dieser Wachstums schub wurde in erster Linie durch das rasche Anwachsen der Vororte getragen. Abb. 1: Die Bevölkerungsentwicklung von Weis (1869-1934) Einwohner 25.00020.00015.00010.0005.000 - Vororte (Lichtenegg, Pernau, Puchberg) Weis 1869 1880 1890 1900 1910 1923 1934 41

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