Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Das römische Weis Wilhelm Rieß Vorbemerkung Eine umfassende Geschichte des römischen Wels - eine rund fünfhundert Jahre umspan nende Epoche - zu schreiben, konnte und sollte nicht Aufgabe dieses auf wenige Seiten beschränkten Aufsatzes sein. Vielmehr ist er als Einleitung zu den foigenden Beiträgen zur Geschichte von Wels gedacht und will nur in kurzen Streifiichtern das Wesentiiche aus dem ersten großen Abschnitt der Welser Stadtge schichte aufzeigen. Unter Verwendung neuerer und neuester Lite ratur mögen einem kieinen Kreis von Fach wissenschaftern selbstverständlich erschei nende Fakten einer breiten, interessierten Le serschaft zur Kenntnis gebracht werden. Sollte dies gelingen, ist das Ziel des Verfas sers vollauf erreicht. Den Universitätsprofessoren Dr. Lothar Eck hart und Dr. Kurt Holter sei für wichtige Hin weise aufrichtig gedankt. Der Name Wels, das mundartlich ,,Wääs" oder auch „Wäis"! ausgesprochen wird, hat die Stamm silbe seines bis in prähistorische Zeit zurück gehenden Namens auch in unseren Tagen bewahrt. Die vorrömische Lautung des Na mens wurde durch ein Vierteijahrhundert als ein keltisches ,,Vlieses" oder ,,Viiesom" an genommen, das aus der keltischen Wurzel „vei, vi", d. h. winden, drehen, hervorgeht.^ In einer gründlichen Studie setzt sich Gerhard Winkler mit dem Namensprobiem auseinan der und lehnt die Viiesos/Vilesom-Theorie eindeutig ab.^ Ebenso verbannt er die An nahme, der Ortsname leite sich vom lateini schen ,,oviie", also Schafstali, und den Schluß auf das keltische ,,aball", d. i. Apfel - wonach Wels ein Zentrum vorgeschichtlicher Obstkul tur in der Welser Heide gewesen wäre und demnach Aballa geheißen habe - ebenso in den Bereich des Unmöglichen, wie die vermu tete Umformung eines vorkeltischen Flußna mens ,,Aveia" oder ,,Abeia", da doch die römi sche Bezeichnung der Traun mit ,,Druna" ge sichert ist." Die überlieferte Form ,,Wiiabis - Wiiavis" würde sich demnach^ von einer iiiyrischen Wurzel ,,vei/vi" ableiten, was ,,sich drehen, winden, biegen" bedeutet, und somit könnte die Übersetzung ,,die bei den Windungen der Traun gelegene Siedlung"® zutreffen, da zur fraglichen Zeit die Traun mit Sicherheit eine starke Verästelung aufwies. Den römischen Namen weist Winkler^ in ei nem umfangreichen Inschriftenkataiog mit „Ovilavis" und „Ovilabis" nach. In der Tabula Peutingeriana, einer mittelalter lichen Kopie einer Straßenkarte aus der spä ten Kaiserzeit, scheint die verstümmelte Na mensform OVILIA auf, wodurch es zu der, be sonders in letzter Zeit, in der Literatur bevor zugten Form OVILAVA® kam, ,,man wird aber mit der Möglichkeit rechnen müssen, Ovilavis (Ovilabis) als unflektierte, selbständige Form anzusehen".® Unter Hadrian (117-138) wird Weis municipium,io sein voller Name lautet municipium Aelium Ovilavis." KaiserCaracalia (211-217) erhebt Wels zur Großstadt^® und der wohl klingende Name lautet nun: colonia Aurelia Antoniniana Ovilabis." Aus der Zeit des 4. und 5. Jahrhunderts fehlen Erwähnungen, die Weis betreffen, auch in der Lebensbeschreibung des hl. Severin (f 482) scheint Wels nicht auf." Erst der vom Priester Gozroh geschriebene Codex, eine Abschriftensammlung der bis 853 auf das Hochstift Freising zugekommenen Stiftungen, erwähnt unter dem Datum vom 8. September 776 Wels: ,,Actum in castro, quae nuncupatur Uueies . . Weitere Er wähnungen lauten Weles im Jahre 885, im Jahre 888 Weias und schließlich entwickelt sich daraus die heute gebräuchliche Form Weis, erstmals 1056." Zur Geschichte Vorfast zwei Jahrtausenden hat das Imperium Romanum seine Herrschaft bis zur Donau ausgedehnt. Im Jahre 15 v. Chr." erfolgte die eher friedliche Besetzung des keltischen Kö nigreiches Noricum. Als Provinz wurde dieses allerdings erst um die Mitte des ersten nach christlichen Jahrhunderts eingegliedert. Wels war zwar nur eine verhältnismäßig unbedeu tende keltische Siedlung - mutmaßlich ein Fi scherdorf -, doch wurde es durch seine Lage an einem wichtigen Fiußübergang in seiner Entwicklung überaus begünstigt." Als die Römer ihr Straßennetz ausbauten, erlangte Wels Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt. Zu der bestehenden Fernstraße in der OstWest-Richtung - sie führte von der Donau über Salzburg nach Südfrankreich- kam unter Kaiser Claudius (41-54) eine Straße in NordSüd-Richtung, die von der Adria über Wels zur Donau führte." Eine eingehende Behandlung des Straßensystems - ,,Alpenstraße", ,,Li messtraße" und ,,Binnenstraße" - enthält der Katalog ,,Baiernzeit in Oberösterreich" in ei nem Beitrag aus der Feder von Lothar Eckhart.®" In der Folge erhielt der Ort unter Ha drian (117-138) das Stadtrecht und gelangte schließlich unter Caracalia (211-217) in den höheren Rang einer colonia.®^ Die ersten bei den Jahrhunderte der Römerherrschaft, eine Zeit des Friedens, brachten für Weis eine dauerhafte Entwicklung. Von den Einfällen der Markomannen und Quaden unter Marcus Aurelius (161-180) dürfte Wels verschont geblieben sein, doch wurde in Folge dieser Kriege in Noricum die II. Italische Legion stationiert. Sie hatte ihr Lager in Lauriacum - Enns, die Provinz unterstand nunmehr dem Legionskommandeur als Statt halter, Teile der Zivilverwaltung wurden von Virunum nach Wels verlegt. Die friedlichen Zeiten waren jedoch vorbei, und im 3. Jahr hundert wurde Wels durch die Alemannen kriege zumindest bedroht. Großangelegte Reformen brachte die Regie rungszeit des Diocietianus (284-305). Nori cum wurde in Binnennoricum und Ufernoricum geteilt; von letzterem wurde Wels mutmaßlich die Hauptstadt. Es folgte auch eine Trennung des zivilen und militärischen Bereiches. Man nimmt an, daß in Wels als Statthalter ein ,,praeses" amtierte, das Heer befehligte ein ,,dux".®® An Bedeutung muß Enns/Lorch im 4. Jahrhundert Wels überflügelt haben, da Enns/Lorch Bischofssitz wurde. Mit dem Jahr 488 hört Ufernoricum auf zu be stehen. Ob Wels bereits anläßlich des Hun nenzuges von 451 zerstört wurde, ist ungewiß, wird aber für möglich gehalten.®® Sicher aber bestand eine, wenn auch nicht ge rade bedeutende, Siediungskontinuität inner halb der Stadt weiter, weisen doch die für die Holzhäuser der spätrömischen Zeit und der Völkerwanderungszeit typischen Pfosteniöcher und Rieselmauern im Schutt einstiger römischer Bauten auf eine fortgesetzte Bautä tigkeit hin.®" Der Stadtbezirk Eine römische Stadt unterschied sich in ihrer Organisation wesentlich von dem Rechtsbe griff ,,Stadt" des Mittelalters oder unserer Zeit. Eine Römerstadt war wirtschaftlich und poli tisch ziemlich autark, was dadurch zu erklären ist, daß zur ummauerten Stadt auch ein großer Landbezirk gehörte. Er bot die entsprechen den wirtschaftlichen Grundlagen und unter stand verwaltungsmäßig der Stadt. Das Land gebiet des römischen Weis lag zwischen den Flüssen Enns, Donau und Inn, ,,im Westen verlief die Grenze über den Kamm des Ko bernaußerwaides und des Hausrucks, dann westlich der Traun nach Süden und über den Tauernkamm wieder zur Enns".®® Gleichzeitig mit der Erhebung von Wels zur colonia erfolgte die von Enns zu einem muni cipium im Jahre 212.®® Nunmehr erhielt aber auch Enns/Lauriacum einen Landbezirk, was auf Kosten der Städte Oviiabis/Wels und Aelium Cetium/St. Pölten ging. Wels verlor damals das Gebiet östlich der Krems.®^ Zwar ist die Stadterhebung von Enns nicht quellenmäßig belegt und wurde neuerdings auch ernsthaft in Zweifei gezogen,®® doch scheint dafür die Tatsache zu sprechen, daß am Ende der Römerherrschaft, im 5. Jahrhun-

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