Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

1000 Jahre Welser Märkte Günter Kalliauer Wer heute an einem Samstag über das Ge lände des Welser Wochenmarktes mit den zahlreichen Obst- und Gemüseständen und durch die neuerrichtete, nüchtern wirkende Markthalle geht, die erfüllt ist von Stimmenge wirr, appetitlichen Gerüchen und Düften, dem mag der Titel dieser überblicksartigen Darstel lung der Geschichte der Welser Märkte viel leicht etwas zu plakativ oder gar zu anmaßend erscheinen. Und dennoch, die gesamte Ge schichte unserer Stadt und noch weiter zurück in dunklere Zeiten ist eng mit dem Marktwe sen, besonders mit dem Handel von landwirt schaftlichen Produkten, verbunden. Die Anfänge Bereits zur Römerzeit war die damalige colonia Aurelia Antoniniana Ovilava durch ihre be sonders günstige Verkehrslage ausgezeich net. Das nach den Stürmen der Völkerwande rungszeit erstmals im Jahre 776 erwähnte ,,Castrum Uueles" war, egal ob der Begriff Ca strum mit Burg oder gar als Ansiediung im Range eines Bischofsitzes zu übersetzen ist, Zentrum des Kernstückes unseres heutigen Bundeslandes, nämlich des Traungaues. Inwieferne ein in der Karolingerzeit (ca. 9. Jahr hundert) sicher existenter Kleinhandel und Tauschverkehr bereits feste, konkrete Formen eines Marktes angenommen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls fehlen in Wels Funde und andere Hinweise, wie z. B. in Petronell, der Nachfolgesiedlung des römischen Carnuntum, die auf eine Marktkontinuität über die Völkerwanderungszeit schließen ließen. Als der 943 ,,locus" genannte Ort Wels mit samt großen Teilen des Umlandes im 10. Jahrhundert in den Besitz der Adalberonen gelangte, dürfte vorerst Lambach der wichtigere Stützpunkt dieser Grafen von Wels-Lambach gewesen sein. Familiäre Ka tastrophen veranlaßten Mitte des 11. Jahr hunderts (1056) den letzten Sproß des Ge schlechtes, Adalbero, Bischof von Würzburg, zu großzügigen Schenkungen seiner Besitz tümer an das Hochstift Würzburg und das neugegründete Benediktinerstift Lambach. Dem Rechtsakt der Bestätigung dieser Schenkungen an Lambach durch den damali gen König Heinrich IV. verdanken wir - neben der ebenfalls verfälschten Urkunde von 1056den ältesten Hinweis auf die Funktion eines Marktes im heutigen Oberösterreich. Wäh rend Würzburg in den Besitz der Ansiediung (locus, Villa) Wels gelangte, wurde das Stift Lambach u. a. mit dem ,,bannum mercati in loco Wels et theioneum in lambach" ausge stattet. Um die Deutung und Rechtswirksam keit dieses Marktbannes in Wels und den Zoll in Lambach (der übrigens bald auf Wels über gegangen sein dürfte), sowie um die Klärung struktureller wie topographischer Fragen be mühten und bemühen sich seit Jahrzehnten hervorragende Fachleute der Mediävistik und der Stadtgeschichtsforschung. Wir möchten hier nur festhalten, daß aufgrund dieser urkundlichen Nachrichten Rechte an das Stift Lambach gelangten, die bereits Adal beros Großvater, Graf Arnold, ausgeübt hatte. Dieser Arnold wird urkundlich bereits im Jahre 993 erwähnt. Der,,Marktbann", die Ausübung der Marktaufsicht und des Marktgerichtes, setzt eine regelmäßige Abhaltung eines Mark tes voraus, doch wird ein solcher nicht er wähnt. Es darf aber angenommen werden, daß ein Markt aufgrund des gegebenen Be darfes der ortsansässigen Bevölkerung an Zu fuhr von Lebensmitteln auf natürliche Weise entstanden ist. Es ist auch nicht geklärt, wo dieser Markt stattgefunden hat; Kurt Holter weist einmal (1972) auf die Möglichkeit hin, der Markt sei im Bereich des heutigen Minoritenplatzes anzusiedeln, weil dort das Stift Lambach über Grundbesitz verfügen konnte; später (1976) erscheint es ihm wahrscheinli cher, daß der Markt im Bereich der Pfarrgasse, nördlich der Kirche, stattgefunden habe. Der Stadtplatz jedenfalls, so ungewöhnlich dies in unserer Vorstellung erscheinen mag, kommt wahrscheinlich vor dem 13. Jahrhundert nicht als ,,Veranstaltungsort" in Frage. Bis heute ist außerdem aus Mangel an geeig netem Ouelienmaterial noch nicht endgültig geklärt, ob wir es bei diesem „mercatum" mit einer Urform des im Spätmittelalter privilegier ten Wochenmarktes zu tun haben; schließlich liegen zwischen 1056 und 1328 über 170 Jah re! Gerade in diesem Zeitraum erfolgten in und mit Wels weitreichende Veränderungen: Die im Zusammenhang mit der Welser Traunbrücke und deren Brückenzoll stehenden Rechtsakte, die schließlich zu einer Befreiung von diesen Abgaben führten, liefern eindeu tige Beweise für die erneute Bedeutung dieses Verkehrsweges nach Süden auch in wirt schaftlicher Hinsicht. Das Aussterben der steirischen Otakare, die in Wels sowohl den Besitz des Hochstiftes Würzburg als auch die Rechte des Stiftes Lambach als Vögte verwaltet hatten, kurz nach dem als Georgenberger Handfeste be kanntgewordenen Erbvertrag mit dem Ge schlecht der Babenberger, führte rasch zu ganz neuen und für Wels wesentlichen Be strebungen. Der Strategie der Babenberger-Herzöge zur Schaffung eines geschlossenes Besitzes im Westen ihres Herrschaftsbereiches kam die mißliche wirtschaftliche Lage des Hochstiftes Würzburg entgegen, die gegen 1207 (K. Hol ter) Ihren Besitz an Herzog Leopold VI. ver kauften. Zur endgültigen Abrundung löste der selbe dem Stift Lambach dessen Rechte auf Markt und Zoll In Wels ab. Die gleichzeitige Nennung von Wels um 1222 als ,,civitas", als (befestigte) Stadt, ist ein wenigstens indirekter Beweis für die Wichtigkeit dieses Ortes als Zentrum eines großen geschlossenen Herr schaftsgebietes. Mag dieser Abschnitt etwas breit dargestellt sein, so soll damit nur die Komplexität der Herrschaftsgeschichte und die damit engstens verbundene Geschichte der Welser Märkte deutlich gemacht werden. Zum Zwecke einer klaren Darstellung er scheint nunmehr ein etwas schematischer Überblick von Vorteil. Die Welser Wochenmärkte Als der Römische König und erfolglose Kon kurrent von Kaiser Ludwig dem Baiern, der Habsburger Friedrich der Schöne, am 15. Jänner 1328 den Welsern die Gnade angedeihen ließ und den Wochenmarkt von Samstag auf Mittwoch verlegte ,,in aller der weiss vnnd in allen den Rechten, als Sy jn vor an den Samstag gehabt", hinterließ er der Nachwelt das erste uneingeschränkt als echt zu bezeichnende Dokument über das Markt wesen in unserer Stadt. Die Beweggründe für diese Verlegung sind uns nicht bekannt. Of fensichtlich wurden diese Gründe auch bald hinfällig, denn als Erzherzog Albrecht V. den Bewohnern der Stadt Wels Im Jahre 1412 ei nen zweiten Wochenmarkt am Dienstag ver lieh, fand der erste schon wieder am Samstag statt. Besonders im 14. Jahrhundert konnten die landesfürstlichen Städte ob der Enns einen erkennbaren wirtschaftlichen Aufschwung nehmen. Vor allem Rudolf IV., der Stifter, und seine Brüder förderten ihre Städte durch zahl reiche Privilegierungen und Befreiungen. Dazu gehören die Beschränkung des Venedi ger-Handels auf die Bürger dieser Städte, die Befreiung von verschiedenen Lasten und Ab gaben, wie auch - auf Wels bezogen - die Gewährung des Holzstapelrechtes am Traunfluß (1372), des unbeschränkten Handels der Bürger auf dem Lande (1394) oder die Befrei ung vom Wein-Ungeld (1358). Die Verleihung eines zweiten Wochenmarktes und die im Privileg ausdrücklich erwähnte Er laubnis der Zufuhr von Fleisch, Brot und Ge werbeprodukten durch Produzenten auf dem Land zeugt von wachsendem Bedarf der Stadtbevölkerung. Deren ungestörte, ausrei chende und kontinuierliche Versorgung war wesentlicher Zweck der Priviiegierung; gleich zeitig muß aber erwähnt werden, daß darunter sicherlich städtische Gewerbetreibende aus Gründen der Konkurrenz aus dem ,,Gäu" in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Wochenmärkte erlangten besonders Im 16. Jahrhundert wachsende Bedeutung, die über den lokalen Rahmen weit hinausging. Ei31

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