Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 1, 1983

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Wels in der oberösterreichischen Landesgeschichte Dr. Wilhelm Rieß Das römische Wels 2 Dr. Kurt Heiter Burg und Burgvogtei Wels 11 Dr. Weiter Aspernig Die Welser Minoriten im Mittelalter (1280-1554) 21 Günter Kaiiiauer 1000 Jahre Welser Märkte 31 Dr. Rudoif Kropf Wels in der Industrialisierung Oberösterreichs 41 Dr. Georg Wache Kunsthandwerk In Wels - Goldschmiede - Zinngießer - Kartenmaler 49 Kunst der Gegenwart Dr. Otto Wutzei Rudolf Kolbitsch und sein Werk im Krankenhaus Wels 61 Oberösterreich aktuell Neige Litschel Weis und die Landesausstellung „Tausend Jahre Oberösterreich - Das Werden eines Landes" 69" Landeskunde Eifriede Gabriel Die Sammlung Burgstaller in der Welser Burg Bücherecke 77 85 Kulturzeitschrift Oberösterreich 33. Jahrgang, Heft 1/1983 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: Oberösterreichischer Landesverlag Gesellschaft m.b.H., A-4020 Linz, Landstraße 41. ISSN 0253-7435 Redaktion: Dr. Otto Wutzei, Dr. Elfriede Wutzei, A-4020 Linz, Landstraße 41 Jahresabonnement (4 Hefte): S 380.-; Einzeiverkaufspreis: S 98.-. (Alle Preise inkl. 8% MWSt). Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: Medieninhaber: Oberösterreichischer Landesverlag Gesell schaft mit beschränkter Haftung. Upternehmensgegenstand: Druckerei, Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlag, Buch- und Papierhandel. Sitz: 4020 Linz, Landstraße 41. Geschäftsführer: Dipl.-Ing. Hubert Lehner, August Hattinger, Dkfm. Günther Gogl. Aufsichtsrat: Helmut Bergthaler, Dr. Josef Gugerbauer, Dr. Winfried Kern, Ludwig Kneidinger, Mag. Helmut Kukacka, Mag. Friedrich Mayrhofer, Dipl.-Volkswirt Helmut Ornezeder, Eduard Ploier, Mag. Hans Schlicher, Josef Wiener, Dr. Josef Wöckinger, Max Plakoib, Alexander Baratsits, Theodor Greilinger, Walter Gruber, Gerhard Hennerbichler, Josef Schlosser. Gesellschafter, deren Anteil 25 Prozent übersteigt: Diözese Linz, Oberösterreichische Raiffelsen-Zentralkasse reg. Gen. m. b. H. Grundlegende Richtung: Kulturzeitschrift. Umschlag „Kaiser Maximilanus Sall-Eingangs-Portal in dem alten Rudera des Schlosses Poll helm zu Wels", um 1820, Tuschfeder und Pinsel, ausgeschnitten und auf blaues Pa pier geklebt, Portal 320 x 272, Unterlags blatt 376 X 276 mm, vermutlich von Josef Löw (1777-1842), nach Alfred Marks Zei chenlehrer in Steyr und Linz, 00. Landes museum OA II 345/19. Die Redaktion dankt Dr. Alfred Marks für diesen interessanten Hinweis. Foto: Franz Gangl Gestaltung Herbert Frledl Literaturbeilage Wolfgang Lanzinger: Prosa Waltraud Seldlhofer: Gedichte Auswahl und Einführung: Günter Kaiiiauer 93 Schwerpunktthema Heft 2/1983 Gastliches Oberösterreich Abbildung S. 1: ,,Die Vor Statt Wels in Ober Aesterreich", aquarellierte Federzeichnung, rechts unten signiert Friedrich Joseph Reisenbichler Edl. V. Weißenbach, fecit 1802, Biid 145 X 30p, Biatt 196 x 341 mm. Aifred Marks vermutet in dem Zeichner einen Topographen aus dem Saizkammergut, Oö. Landesmuseum OA 345/21. Foto: Franz Gangl

n Kulturzeitschnft Die Landesausstellung 1983 rückt Wels im heurigen Jahr in den Mittelpunkt des ober österreichischen Kulturgeschehens, macht die Stadt für einen bestimmten Zeitraum zum Zentrum unseres historischen Landesbe wußtseins. Das Ausstellungsthema lautet: „Tausend Jahre Oberösterreich - Das Wer den eines Landes." Helga Litschel Informiert in bewährter Form über Inhalt und Aufbau dieser Schau und den Ausstellungsort. Das Schwerpunktthema dieses Heftes lautet: ,,Wels in der oberösterreichischen Landesge schichte." Die Redaktion hofft, damit das Aus stellungsthema, vor allem den Ausstellungs katalog, Inhaltlich bereichern zu können. Der Stadt Wels soll ein landeskundlicher Dienst erwiesen werden, nachdem die Literatur zur Welser Stadtgeschichte praktisch nur mehr in Bibliotheken eingesehen werden kann. Ver wiesen sei auf die beiden Neuerscheinungen nach dem Krieg: Kurt Holter - Gilbert Trathnlgg: Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart, Wels 1964, und Sepp Käfer: Wels, Porträt der Stadt und des Bezirkes. - Linz: Oö. Landes verlag 1975. Erwähnung In diesem Zusam menhang verdienen auch die Jahrbücher des Musealvereines Wels. Das Redaktionsprogramm wurde so erstellt, daß die Leser unserer Zeitschrift einen stadt geschichtlichenÜberblick von der Römerzeit bis in das 20. Jahrhundert gewinnen können. Dr. Wilhelm Rieß, Direktor des Stadtmuseums Wels, gibt einen gedrängten Überblick über ,,Das römische Wels". Es ist ein instruktiver Bericht über die ,,colonia Aurelia Antoniniana Ovilabis". Dr. Kurt Holter, üniversitätsprofessor, Ob mann des Welser Musealvereines, Bearbeiter des Bandes Wels der österreichischen Kunst topographie, derzeit somit profiliertester Ken ner der Welser Stadtgeschichte, behandelt die ,,Burg und Burgvogtei Wels". Er Informiert also die Ausstellungsbesucher über die reiche Vergangenheit des Ausstellungsobjektes, das nach der oberösterreichischen Landesaus stellung wesentliche Teile des Welser Stadt museums aufnehmen soll. Dr. Walter Aspernig und Günter Kalliauer, ebenfalls erfahrene Welser Lokalhlstorlker, behandeln zwei Spezialthemen: ,,Die Welser MInorlten im Mittelalter" - ein Beitrag, der auch denkmalpflegerische Aktualität besitzt - und ,,1000 Jahre Welser Märkte" - eine Ab handlung, die der Handelstradition der Stadt gerecht wird. Dr. Rudolf Kropf, a. o. Professor an der Kepler-ünlversität Linz, Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hat sich in dankens werter Weise bereit erklärt, das Thema ,,Wels in der Industrialisierung Oberösterreichs" zu behandeln. Damit wird der Zusammenhang mit der Zeitgeschichte hergestellt. Kunstfreunde werden unserem bewährten Mitarbeiter Dr. Georg Wacha, Direktor des Stadtmuseums Linz, für seinen Beitrag ,,Kunsthandwerk in Wels - Goldschmiede, Zinngießer, Kartenmaler" dankbar sein, für viele Leser sicherlich anregendes Neuland. Gleiches gilt für die Abhandlung von Elfriede Gabriel über „Die Sammlung Burgstaller in der Weiser Burg", kulturgeschichtlich eine echte Rarität. Dr. Otto Wutzel, Schriftleiter der Zeitschrift, weist auf den aus Wels stammenden Maler und Graphiker Professor Rudolf Kolbitsch hin, der im Welser Krankenhaus bedeutende Werke der Gegenwartskunst geschaffen hat. Es Ist dies eine Vorschau auf eine in Arbeit be findliche Monographie über den Künstler. In der Literaturbeilage kommen zwei junge Welser Autoren zu Wort: Waltraud Seldlhofer und Wolfgang Lanzinger, vorgeschlagen von Günter Kalllauer. Zu besonderem Dank für wertvolle Mithilfe fühlt sich die Schriftleitung Helga Födlsch und Dr. Wilhelm Rieß vom Stadtmuseum Wels so wie Dr. Alfred Marks vom Oberösterrelohlschen Landesmuseum verpflichtet. -■ „ -ä- H-, -Säit IT?.

Das römische Weis Wilhelm Rieß Vorbemerkung Eine umfassende Geschichte des römischen Wels - eine rund fünfhundert Jahre umspan nende Epoche - zu schreiben, konnte und sollte nicht Aufgabe dieses auf wenige Seiten beschränkten Aufsatzes sein. Vielmehr ist er als Einleitung zu den foigenden Beiträgen zur Geschichte von Wels gedacht und will nur in kurzen Streifiichtern das Wesentiiche aus dem ersten großen Abschnitt der Welser Stadtge schichte aufzeigen. Unter Verwendung neuerer und neuester Lite ratur mögen einem kieinen Kreis von Fach wissenschaftern selbstverständlich erschei nende Fakten einer breiten, interessierten Le serschaft zur Kenntnis gebracht werden. Sollte dies gelingen, ist das Ziel des Verfas sers vollauf erreicht. Den Universitätsprofessoren Dr. Lothar Eck hart und Dr. Kurt Holter sei für wichtige Hin weise aufrichtig gedankt. Der Name Wels, das mundartlich ,,Wääs" oder auch „Wäis"! ausgesprochen wird, hat die Stamm silbe seines bis in prähistorische Zeit zurück gehenden Namens auch in unseren Tagen bewahrt. Die vorrömische Lautung des Na mens wurde durch ein Vierteijahrhundert als ein keltisches ,,Vlieses" oder ,,Viiesom" an genommen, das aus der keltischen Wurzel „vei, vi", d. h. winden, drehen, hervorgeht.^ In einer gründlichen Studie setzt sich Gerhard Winkler mit dem Namensprobiem auseinan der und lehnt die Viiesos/Vilesom-Theorie eindeutig ab.^ Ebenso verbannt er die An nahme, der Ortsname leite sich vom lateini schen ,,oviie", also Schafstali, und den Schluß auf das keltische ,,aball", d. i. Apfel - wonach Wels ein Zentrum vorgeschichtlicher Obstkul tur in der Welser Heide gewesen wäre und demnach Aballa geheißen habe - ebenso in den Bereich des Unmöglichen, wie die vermu tete Umformung eines vorkeltischen Flußna mens ,,Aveia" oder ,,Abeia", da doch die römi sche Bezeichnung der Traun mit ,,Druna" ge sichert ist." Die überlieferte Form ,,Wiiabis - Wiiavis" würde sich demnach^ von einer iiiyrischen Wurzel ,,vei/vi" ableiten, was ,,sich drehen, winden, biegen" bedeutet, und somit könnte die Übersetzung ,,die bei den Windungen der Traun gelegene Siedlung"® zutreffen, da zur fraglichen Zeit die Traun mit Sicherheit eine starke Verästelung aufwies. Den römischen Namen weist Winkler^ in ei nem umfangreichen Inschriftenkataiog mit „Ovilavis" und „Ovilabis" nach. In der Tabula Peutingeriana, einer mittelalter lichen Kopie einer Straßenkarte aus der spä ten Kaiserzeit, scheint die verstümmelte Na mensform OVILIA auf, wodurch es zu der, be sonders in letzter Zeit, in der Literatur bevor zugten Form OVILAVA® kam, ,,man wird aber mit der Möglichkeit rechnen müssen, Ovilavis (Ovilabis) als unflektierte, selbständige Form anzusehen".® Unter Hadrian (117-138) wird Weis municipium,io sein voller Name lautet municipium Aelium Ovilavis." KaiserCaracalia (211-217) erhebt Wels zur Großstadt^® und der wohl klingende Name lautet nun: colonia Aurelia Antoniniana Ovilabis." Aus der Zeit des 4. und 5. Jahrhunderts fehlen Erwähnungen, die Weis betreffen, auch in der Lebensbeschreibung des hl. Severin (f 482) scheint Wels nicht auf." Erst der vom Priester Gozroh geschriebene Codex, eine Abschriftensammlung der bis 853 auf das Hochstift Freising zugekommenen Stiftungen, erwähnt unter dem Datum vom 8. September 776 Wels: ,,Actum in castro, quae nuncupatur Uueies . . Weitere Er wähnungen lauten Weles im Jahre 885, im Jahre 888 Weias und schließlich entwickelt sich daraus die heute gebräuchliche Form Weis, erstmals 1056." Zur Geschichte Vorfast zwei Jahrtausenden hat das Imperium Romanum seine Herrschaft bis zur Donau ausgedehnt. Im Jahre 15 v. Chr." erfolgte die eher friedliche Besetzung des keltischen Kö nigreiches Noricum. Als Provinz wurde dieses allerdings erst um die Mitte des ersten nach christlichen Jahrhunderts eingegliedert. Wels war zwar nur eine verhältnismäßig unbedeu tende keltische Siedlung - mutmaßlich ein Fi scherdorf -, doch wurde es durch seine Lage an einem wichtigen Fiußübergang in seiner Entwicklung überaus begünstigt." Als die Römer ihr Straßennetz ausbauten, erlangte Wels Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt. Zu der bestehenden Fernstraße in der OstWest-Richtung - sie führte von der Donau über Salzburg nach Südfrankreich- kam unter Kaiser Claudius (41-54) eine Straße in NordSüd-Richtung, die von der Adria über Wels zur Donau führte." Eine eingehende Behandlung des Straßensystems - ,,Alpenstraße", ,,Li messtraße" und ,,Binnenstraße" - enthält der Katalog ,,Baiernzeit in Oberösterreich" in ei nem Beitrag aus der Feder von Lothar Eckhart.®" In der Folge erhielt der Ort unter Ha drian (117-138) das Stadtrecht und gelangte schließlich unter Caracalia (211-217) in den höheren Rang einer colonia.®^ Die ersten bei den Jahrhunderte der Römerherrschaft, eine Zeit des Friedens, brachten für Weis eine dauerhafte Entwicklung. Von den Einfällen der Markomannen und Quaden unter Marcus Aurelius (161-180) dürfte Wels verschont geblieben sein, doch wurde in Folge dieser Kriege in Noricum die II. Italische Legion stationiert. Sie hatte ihr Lager in Lauriacum - Enns, die Provinz unterstand nunmehr dem Legionskommandeur als Statt halter, Teile der Zivilverwaltung wurden von Virunum nach Wels verlegt. Die friedlichen Zeiten waren jedoch vorbei, und im 3. Jahr hundert wurde Wels durch die Alemannen kriege zumindest bedroht. Großangelegte Reformen brachte die Regie rungszeit des Diocietianus (284-305). Nori cum wurde in Binnennoricum und Ufernoricum geteilt; von letzterem wurde Wels mutmaßlich die Hauptstadt. Es folgte auch eine Trennung des zivilen und militärischen Bereiches. Man nimmt an, daß in Wels als Statthalter ein ,,praeses" amtierte, das Heer befehligte ein ,,dux".®® An Bedeutung muß Enns/Lorch im 4. Jahrhundert Wels überflügelt haben, da Enns/Lorch Bischofssitz wurde. Mit dem Jahr 488 hört Ufernoricum auf zu be stehen. Ob Wels bereits anläßlich des Hun nenzuges von 451 zerstört wurde, ist ungewiß, wird aber für möglich gehalten.®® Sicher aber bestand eine, wenn auch nicht ge rade bedeutende, Siediungskontinuität inner halb der Stadt weiter, weisen doch die für die Holzhäuser der spätrömischen Zeit und der Völkerwanderungszeit typischen Pfosteniöcher und Rieselmauern im Schutt einstiger römischer Bauten auf eine fortgesetzte Bautä tigkeit hin.®" Der Stadtbezirk Eine römische Stadt unterschied sich in ihrer Organisation wesentlich von dem Rechtsbe griff ,,Stadt" des Mittelalters oder unserer Zeit. Eine Römerstadt war wirtschaftlich und poli tisch ziemlich autark, was dadurch zu erklären ist, daß zur ummauerten Stadt auch ein großer Landbezirk gehörte. Er bot die entsprechen den wirtschaftlichen Grundlagen und unter stand verwaltungsmäßig der Stadt. Das Land gebiet des römischen Weis lag zwischen den Flüssen Enns, Donau und Inn, ,,im Westen verlief die Grenze über den Kamm des Ko bernaußerwaides und des Hausrucks, dann westlich der Traun nach Süden und über den Tauernkamm wieder zur Enns".®® Gleichzeitig mit der Erhebung von Wels zur colonia erfolgte die von Enns zu einem muni cipium im Jahre 212.®® Nunmehr erhielt aber auch Enns/Lauriacum einen Landbezirk, was auf Kosten der Städte Oviiabis/Wels und Aelium Cetium/St. Pölten ging. Wels verlor damals das Gebiet östlich der Krems.®^ Zwar ist die Stadterhebung von Enns nicht quellenmäßig belegt und wurde neuerdings auch ernsthaft in Zweifei gezogen,®® doch scheint dafür die Tatsache zu sprechen, daß am Ende der Römerherrschaft, im 5. Jahrhun-

Ursa-Stein, die einzige bekannte frühchristliche Grabinschrift aus Österreich, die ausdrücklich eine ,,giäubige Christin" nennt • ^ (,rf c-s:r- \ ^ ^ .2^ sSm^'*" \-j.^ -. - ^ « 4, - »^r*- — v .j rj<i ü ©Xi--— ^ '—''7J v ,-. ^ K / V'V '.r ^ 4, 5. dert, Lorch quellenmäßig entschieden besser belegt ist als Wels.^s Zur Entwicklung von Ovilabls Die Lage der keltischen Siedlung, aus der dann eine römische Stadt hervorgegangen ist, blieb bis zum heutigen Tage ungeklärt. Auch soll hier nochmals die Frage aufgeworfen werden, ob nicht eine prähistorische Vorgän gersiedlung möglicherweise auf den vor Hochwasser sicheren Anhöhen jenseits der Traun im Süden oder auf den Höhen im Nor den bestanden haben könnte. Für letztere An nahme spräche das Urnenfeld von Wels, das im Frühjahr 1939 anläßlich von Erweiterungs bauten am Flugplatz in der Flur ,,Haidfeld" entdeckt wurde und in die Zeit zwischen 1200 bis 1000 vor Christi zu datieren ist.®" Für die keltische Siedlung wird die Annahme vertreten, sie könnte in der östiichen Hälfte des mittelalterlichen Stadtgebietes gelegen sein.31 Eine im Jahre 1981 im Garten und in nerhalb der Mauern der Burg Wels durchge führte und noch zu publizierende archäologi sche Grabung konnte für diese Annahme kei nen Beweis erbringen. Römische Funde setzen jedenfalls bereits vor der Zeitrechnung ein, sind aber über das ge samte Stadtgebiet verstreut.3= Eine frühkaiserzeitliche Besiedlung Ist aus den Keramikund Münzfunden belegt, In größerem Umfang jedoch erst für die nachaugusteische Zeit an zunehmen.33 Eine militärische Beiegung der Stadt wird nicht angenommen, obwohl Mllitärgrabsteine, zwei Militärdiplome und mehrere Ziegelstempel militärischer Einheiten gefun den worden sind.3" Über das Wachsen und Werden der Stadt ge ben am besten die Gräberfelder Auskunft. Da für sind von besonderer Bedeutung die Grä berfelder ,,Mitte", ,,Ost", ,,West" und ,,Markt gelände". Ein weiteres Gräberfeld ,,Nord" liegt im äußersten Nordwesten noch innerhalb der Mauern, mag aber als eine private Bestattung vor Errichtung der Mauern gedeutet werden. Das Gräberfeld ,,Nordwest", entlang der Schweitzerstraße, ist noch nicht ergraben. Es wird dem Zeitraum 5./6. Jahrhundert zuge ordnet, liegt weit außerhalb der Stadt und könnte ein Bestattungsort der nach Auflas sung der Stadt um Wels ansässigen Bevölke rung gewesen sein.35 Das Gräberfeld ,,Aschet" jenseits der Traun wies bisher eine einzige, dem 3. Jahrhundert zugeordnete, beigabenlose Körperbestattung auf. Den Römern war es streng verboten, ihre Ver storbenen innerhalb der Stadtmauern zu ver brennen oder zu bestatten. Die Gräberfeider lagen daher immer außerhalb von Siedlungen, meist beidseitig der Ausfallstraßen.36 Das bisher älteste bekannte Gräberfeld Ist das ,,Marktgelände". Es wurde 1970 anläßlich von Bauarbeiten entdeckt, dürfte nach den Fun den als Begräbnisstätte bis etwa 190 n. Chr. bestanden haben und war von einer rund fünf Meter starken Schwemmschotter- und Erd schicht bedeckt, was eine Überschwem mungskatastrophe ungeheuerlichen Ausma ßes erahnen läßt, welche sich wohl Ende des 2. Jahrhunderts zugetragen haben muß.3i' in teressant Ist die Tatsache, daß unmittelbar auf dem Schwemmgrund römische Bauten errich tet wurden, was den Schluß auf eine erste Ausdehnung nach Norden zuläßt. Allerdings wird Wels vorerst wohl nur bis zum heutigen Kaiser-Josef-Platz gereicht haben, denn dort befand sich das Gräberfeld ,,Mitte". Dessen Ausdehnung ist vermutlich nicht quer durch das römische Wels gegangen, sondern wohl eher auf die östliche Hälfte von Wels be schränkt gewesen, so wie es Kurt Holter auf der Karte ,,Wachstumsphasen von Wels" des Teiles ,,Wels" des österreichischen Städte atlas darstellt. Beim Neubau des Zentralwähl amtes wurde 1975 nördlich des Kaiser-Josef-Platzes ein west-östlich verlaufender Spitzgraben beobachtet, wofür Kurt Holter zwei sehr aufschlußreiche Auslegungen be reithält, nämlich, daß dieser entweder eine Grenzzone der ersten Ausbaustufe markiert, oder aber auch andererseits nicht ausge schlossen werden kann, daß es sich dabei um

Römischer Meilenstein, errichtet unter Kaiser Caius lulius Verus Maximinus (235-238 n. Chr.) ein Zeugnis einer Stadtverkleinerung der Spätzeit handeln könnte.^s Ein weiterer und wesentlicher Ausbau dürfte zur Zeit Kaiser Caracaiias (211-217) mit der Rangerhöhung zur Coionia erfolgt sein. Das vom Über schwemmungsgeschiebe bedeckte Gräber feld ,,Marktgelände" und das Gräberfeld ,,Mit te" sind vermutlich einfach überbaut worden.^s Die Errichtung der Stadtmauer, die ein unre gelmäßiges Viereck von etwa 90 Hektar umschioß, wird mit der Alemannengefahr in Zu sammenhang gebracht und könnte etwa zur Zeit Caracaiias erfolgt sein."® Diese Mauer war bis zu 140 cm stark, besaß vorspringende Türme und war durch bis zu vier vorgelegte Gräben geschützt."' Sie verlief im Osten im Bereich der Adler- und Roseggerstraße, im Norden entiang der Schubertstraße bis zur Quergasse und im Westen entiang der Bern hardin- und Feldgasse."2 Der Südabschnitt konnte grabungsmäßig noch nicht festgestellt werden, wird aber wohl in der Gegend des Mühlbaches bestanden haben."^ Lothar Eck hart ist für den Hinweis zu danken, daß die Traun mit ihren Nebenarmen für eine Fortifikation im Süden Ersatz geboten haben könnte. Selbstverständlich mußten bei dieser Stadt erweiterung auch neue Grabstätten geschaf fen werden, so daß damals die Gräberfelder ,,Ost" und ,,West" entstanden sein dürften. Der Verlauf der Salzburger-, Eisenhower- und Dr.-Groß-Straße folgt übrigens noch heute der antiken Hauptdurchzugsstraße."" Das römische Wels konnte, da die Siedlung später mehrfach überbaut wurde, archäolo gisch nicht systematisch erfaßt werden, son dern man ist fast ausschließlich auf Zufailsfunde aniäßlich von Bauarbeiten angewiesen. Eine ungefähre Vorstellung mag der Lageplan des römischen Wels geben, der durch Kurt Holter im bereits vorzitierten Städteatlas, Band Wels, auf den letzten Stand gebracht worden ist. Die Stadtfläche wird demnach nach „allgemein verbreitetem römischen Brauch""® von sich rechtwinkelig kreuzenden Straßen durchzogen. Reste dieses Straßenund Mauerwerkes bzw. Teile verschiedenster Gebäude wurden in erhebiicher Anzahl ge funden. Noch immer aber fehlen die Standort bestimmungen des Forums und Kapitols, be züglich deren Existenz nur vage Vermutungen bestehen."® Der Bestand eines Amphitheaters und eines öffentiichen Bades darf angenom men werden."^ Eine Wasserieitung führte von Aschet, also vom Süden her, in das Stadtge biet und ist in zwei Ausbauphasen grabungs mäßig belegt. Im römischen Stadtgebiet beweisen verschie denste Bodenfunde eine rege Handwerkstä tigkeit, wie Töpfer, Fleischer, Zimmerleute, Sattler, Maurer, Hafner, Bronzegießer und Schmiede."® Die mit Feuer arbeitenden Berufe I % - hauptsächiich Metailhandwerker - waren, den Bodenfunden nach zu schließen, im Westteii der heutigen Rablstraße konzen triert."® Verschiedene Magazinbauten konn ten im Nordwesten der Römersiedlung bestä tigt werden.®" Im Laufe des 4. Jahrhunderts muß es zu einem Absinken der Bedeutung des römischen Wels gekommen sein. In der Lebensbeschreibung des hl. Severin wird Ovilabis nicht mehr er wähnt. Über das Schicksal der Stadt ist uns ab dem 4. Jahrhundert bis zum Abzug der Romanen un ter Odoaker wenig überliefert. Als Staatsge bilde hat Noricum ripense im Jahre 488 aufge hört zu bestehen. Sicher aber ist, daß eine Restbevölkerung im Lande blieb und die Sied lungskontinuität über die Völkerwanderung hinaus bewahrte. Allerdings wird man die Stadt, die nicht mehr die erforderlichen Le bensgrundlagen bot und dem Verfall preisge geben war, verlassen und wohl ehereinen Le bensunterhalt auf dem flachen Land gefunden haben. Die Stadtorganisation Das römische Wels wird ais ,,verkehrsgeo graphisch überiegt ausgesuchte frühkaiserzeitliche Siedlung"®' bezeichnet, die, wie ein gangs schon erwähnt, unter Hadrian zum Municipium Aeiium Ovilabis und unter Caracalla zur Coionia Aurelia Antoniniana Ovilabis auf stieg. In seiner Eigenschaft als Chef der provinzialen Zivilverwaltung hat zumindestens zeitweilig®® der Legionslegat hier amtiert. Eine Aufgabe des aiten Sitzes der Statthalterei in Virunum auf dem Zolifeld bei Klagenfurt ist aber nicht eingetreten,®® obgleich wohl ein Teil der Stat thaltereiämter nach dem wichtigen Etappenort Ovilabis verlegt worden sein wird.®" Nach der Aufgabe der Gesamtprovinz Noricum und des Verwaltungszentrums Virunum als Folge der diokletianisch-konstantinischen Heeres- und Provinzialreform dürfte in üfernoricum Ovila bis der Sitz des Zivilstatthalters (praeses) ge wesen sein, während der Militärkommandant des norisch-oberpannonischen Limesab schnittes seine ,,Kommandozentrale"®" in Lauriacum besaß, was aber über eine ,,kom petenzmäßige Vorrangstellung der einen oder der anderen (Stadt) nichts aussagt".®® Die Tatsache, daß die römische Stadt eins war mit einem meist flächenmäßig recht ausge dehnten Landkreis, ist ebenfalls weiter oben schon behandelt worden. Die politische Venwaitung von Ovilabis lag in den Händen begüterter Grundbesitzer, die aus ihrer Mitte die Funktionäre wählten. Sie bildeten einen Gemeinderat (ordo decurionum) von einhundert Mitgliedern.®® Diese ein hundert Stadtvertreter wählten nun aus dem

Lageplan des römischen Wels yopographie des Irömisehen Wels Gemeinderat zwei Bürgermeister (Duumvirn) - nach ihrer Funktion besser: Stadtrichter^^- zwei Ädilen (Markt- und Polizeireferenten) und einen Quaestor (Kassenverwalter). Die Decurionen wurden ursprünglich auf Lebenszeit gewählt, die Duumvirn, Ädilen und Quaestoren jeweils auf ein Jahr.ss Der Gemeinderat setzte sich somit aus resignierten Amtsinha bern nach Beendigung der einjährigen Funk tion und den alle fünf Jahre dazugewählten Neu- oder Nachfolgemitgliedern zusammen. Im System der Stadtverwaltung ist ein ge treues Abbild der staatlichen Verwaltung in Rom, des Senats, der Konsuln und der Unter beamten zu sehen.53 Waren die Decurionen ursprünglich frei gewählt worden, so mußten sie ab den diokletianischen Reformen ernannt werden. Da diese Vertreter der Stadt für etwa ige Steuerrückstände haftbar waren und dafür mit ihren Eigenvermögen hafteten, war das einstige Ehrenamt zu einer nunmehr mit Wi derwillen getragenen Bürde geworden.®" Was die militärische Verwaltung betrifft, so sind aus Wels zwar Funde aus dem Soldaten leben vorhanden, doch ist eine militärische Belegung der Stadt nicht nachgewiesen. Für die Spätzeit wird die Anwesenheit einer klei nen Garnison für möglich gehalten.®^ Neben den staatlichen Funktionären bestan den auch noch Priesterorganisationen der je weiligen Kulte, was im nachfolgenden Ab schnitt behandelt werden soll. Nichtbürgern oder Bürgern, denen nur ein ge ringes Vermögen zur Verfügung stand, war es gestattet, sich in den verschiedensten Verei nigungen zusammenzuschließen. Solche be standen zu den manigfaltigsten Zwecken, als da sind: ,,Spar-, Kult- und Veteranenvereine, freiwillige Feuerwehr, Vereinigungen zur pa triotischen und vormilitärischen Erziehung der Jugend."52 Funktionäre der staatlichen Verwaltung und der Priesterorganisationen sind für Ovilabis sowohl durch Inschriften als auch durch Funde gut belegt. Religion und Kult Die Vorstellung der Römer von ihren Göttern entsprach weitgehendst jener der Griechen. Oberster römischer Gott war Jupiter, zu den wichtigsten Staatsgöttern zählten außerdem noch Juno und Minerva. Zahlreiche andere Götter besaßen ihnen zugeordnete Aufga bengebiete. Darüber hinaus dachten sich die Römer auch die Natur beseelt. Wurden neue Völkerschaften dem Reich eingegliedert, so durften diese, falls sie die Reichsgötter aner kannten, auch die alten einheimischen Gott heiten weiter verehren.5® Vom Tempel mit der kapitolinischen Trias - Jupiter, Juno und Minerva - ist für Wels kein Nachweis gesichert. An die Götter Apollo, Ju piter und Vulkanus, sowie an Genius und La ren erinnern Weihesteine.®^ An Statuetten sind zu erwähnen: die altheimischen Mutter gottheiten, als Juno verehrt, Diana, Venus, Minerva, Fortuna, Mercur, ein Lar, ein Genius, ein Eros und ein Satyr.®® Auf Mithras weist nur eine Ritzinschrift auf dem Heft eines Messers hin.55 Sämtliche Bronzestatuetten des Stadt museums Wels sind in Robert Fleischer, Die römischen Bronzen in Österreich, Mainz 1967, abgebildet und beschrieben.57 Eine Attis-Figur fand sich auf einem Baustein, der bei der Agydienkirche in Aigen als Eckquader einge mauert worden war.®" Das Bruchstück eines Weihereliefs - es zeigt Diana Nemesis mit einem Greif und eine ver stümmelte Weiheinschrift - läßt den berech tigten Schluß auf das Vorhandensein eines Amphitheaters zu. Auf Anhänger ägyptischer Kulte weisen die Bronzestatuette eines Falken des Re-Horus und die Pfeifentonfiguren der Anubishunde hin. Die vorrömische Bevölkerung ist durch den keltischen dreigehörnten Stiergott Tarvos Trigaranus vertreten. Neben dem weiter oben angeführten Weihe stein für Diana Nemesis wurde ein anderer

Oben: Gefäßhenkel aus Bronze, die Entführung des Jünglings Ganymed durch einen Adler in den Olymp darstellend bisfier für den Weihestein der Flußgottheit der Traun gehalten. Er zeigt den Dreizack des Neptun nebst drei Fischen. Nach Lothar Eck hart handelt es sich dabei aber keinesfalls um einen Weihestein für diesen Flußgott, sondern die Art der Darstellung gehöre in den Bereich der Sepulkraisymbolik.®^ Abschließend seien unter diesem Abschnitt noch zwei Kleinfunde wegen ihrer Besonder heit erwähnt. Eine Ringattache aus Bronze - sie stammt mutmaßlich von einem Gefäß, das an mehre ren Ringen aufgehängt werden konnte - zeigt an jener Stelle, welche die Durchnietung ver decken sollte, ein Relief. Dieses stellt die Bü ste des Jünglings Ganymed dar, der ob seiner außerordentlichen Schönheit von einem Adler auf Geheiß der Götter in den Olymp entführt wurde, um ihnen als Mundschenk zu dienen. Im Stadtmuseum Wels werden insgesamt vier Darstellungen der Göttin Venus verwahrt. Zwei davon sind aus Bronze: die weithin be kannte ,,Venus von Wels", und ein weiteres, vermutlich im Schadfeuer mit anderen Metall stücken zusammengeschmolzenes Exem plar. Eine Darstellung aus Pfeifenton ist als Bruchstück erhalten. Und schließlich gibt es da auch noch ein Stück aus Blei, eine recht rohe, ziemlich flache Form, die das Fundstück wohl eher als heimische Produktion erkennen läßt. Interessant ist das Stück deshalb, da es ein antiker Zeuge zwischen den Bereichen des Glaubens und des Aberglaubens ist. Blei ist ein Material, das für Zauberzwecke gerne verwendet wurde.^° Man kann diese Statuette also am besten als eine ,,Liebeszauber-Devotionalie"^! bezeichnen. Die Bevölkerung An anderer Stelle^' hat sich der Verfasser be reits einmal mit dem Bevölkerungsproblem im römischen Wels auseinandergesetzt. Viel schichtig wie die Religionen war naturgemäß auch die Zusammensetzung der Bevölkerung. Was für Oberösterreich Gültigkeit hatte, mag umso mehr für Ovilabis gegolten haben, war doch diese Provinzstadt und möglicherweise auch Provinzhauptstadt bestimmt so etwas wie ein Völkerschmelzofen der Römerzeit. Fest steht, daß mit dem Übergang Noricums ins römische Reich die illyro-keltischen Sied ler keineswegs sozusagen über Nacht ver schwanden.So setzte sich die Bevölkerung der Städte des römerzeitlichen Oberösterreich Rechts: Hipposandale. Hufschuhe wurden in schwierigem Gelände oder zum Schutz des Pferdehufes bei Verletzungen verwendet. Die spitzen Stollen dienten zum besseren Halt m-mm)

Trinkbecher mit Ritzinschrift „Cleopatra" vorerst zum größten Teil aus Einheimischen zusammen, die allerdings unter starkem kultu rellem Einfluß Roms standen. Das Militär, das ja zum Teil im Lande blieb, meist als Vetera nen, setzte sich zunächst aus Fremden zu sammen, rekrutierte sich aber später aus Ein heimischen und Germanen. Auch das östliche Element fehlte nlcht.^^ Germanen wurden seit den Markomannenkriegen angesiedelt. Somit können wir für den oberösterreichischen Raum und damit auch für Wels nachstehende Bevölkerungsgruppen verzeichnen; Illyrer, Kelten, eingewanderte Italiker, Germanen, Angehörige verschiedener Mittelmeervölker und Orientalen.^"' Was die Träger griechischer Namen betrifft, so dürften sie aus den grie chisch beeinflußten Gebieten der unteren Do nau gekommen sein. Im Rahmen der archäo logischen Grabung ,,Marktgelände" des Jah res 1971 wurde das Bruchstück einer Trink schale gefunden, worin in griechischen Buch staben der Name ,,Kleopatra" eingeritzt ist. Kleopatra, die Besitzerin des Bechers, trägt einen historischen Namen, der für Freigebo rene, Freigelassene und Sklavinnen bezeugt ist.''® Das Fundstück selbst ist dem 2. Jahr hundert unserer Zeitrechnung zuzuordnen. Frühes Christentum Das Stadtmuseum Wels verwahrt drei Fund stücke aus dem Räume Weis-Stadt, die vom frühen Christentum Zeugnis geben. Der Grabstein der Ursa aus Chioritschiefer wurde im Jahre 1893 auf dem Gräberfeld „Ost" gefunden und wird ins 4. bzw. frühe 5. Jahrhundert nach Christi datiert. Der Kata log des Stadtmuseums, worin er unter R 566 verzeichnet ist, schildert ihn wie folgt: ,,Es ist dies das einzige frühchristliche in schriftliche Zeugnis aus ganz Österreich, das ausdrücklich eine gläubige Christin nennt. Die Ausdrucksweise ihres Gatten ist aber noch stark der alten Tradition verbunden. In Versen, die an Hexameter anklingen, kommen Aus drücke der heidnischen Vorstellungswelt vor, so die tiefe Unterwelt und das Schicksal als handelnde Personifikation. Doch haben sol che Redewendungen länger gehalten als ihr Sinn wirklich geglaubt wurde."''® Als zweiter Beleg für das frühe Christentum ist unter Kataiognummer R 567 ein Piiasterkapiteli angeführt, das in der Welser Eisenhowerstraße um 1908/9 gefunden wurde, aus Mar mor besteht und Ende des 4. bis 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts datiert wird. ,,ln flachem Relief, wie es in der Spätantike üblich wurde, ist hier ein korinthisches Kapitell mit seinen Akanthusblättern in die Marmor platte gemeißelt, die das obere Ende eines Wandpiiasters verkleidete. Für einen derartig ausgeschmückten Raum kommt in dieser Zeit eigentlich nur eine Kirche in Betracht, die al- (,;v i''> ' D •ivV)k < Plattenziegel mit eingeritzter Grabinschrift aus frühchristlicher Zeit

I ■ -2^. Diana, Göttin der Jagd, Statuette aus Pfeifenton Venus, Liebesgöttin, Bruchstück einer Statuette aus Pfeifenton lerdings noch nicht lokalisiert werden konnte. Doch sind auf österreichischem Boden aus dieser Perlode viele Kirchenbauten bekannt, die nächstllegende In Laurlacum (Lorch). Ein Mauerziegel von gewöhnlicher Form mit Ritzinschrift, unter Inv.Nr. 14721 Im Hauptka talog verzeichnet, wurde nach einer von Ru dolf Egger stammenden Mitteilung stets wie folgt gelesen: OSIRI SEVERI NEP (OS oder OTIS) . . . NODIG (US) oder (A) ANN (ORUM) XXXV MEIA . . . Auch wurde wiederholt auf die keltische Her kunft der Namen SIrus und Mela hingewie sen.''® Hermann Vetters sieht auf dieser Zlegelpiatte eine völlig neue und für das Kapitel ,,Frühes Christentum In Wels" aufsehener regende Leseart.''. Die Ziegelplatte von einer Länge von ca. 20 cm und einer Breite von 15 cm wurde Im Jahre 1944 bei Bauarbeiten nächst des Objektes Alois-Auer-Straße 8 a gefunden, somit Im Gräberfeld ,,Ost"; es wurde Ende des 2. Jahr hunderts nach Christi angelegt und bis etwa In die 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts benutzt.®" Aus diesem Gräberfeld stammt übrigens auch der welter oben genannte Ursa-Steln. Die Buchstaben wurden erst nach dem Brand des Ziegels eingegraben und von Hermann Vet ters wie folgt - mit Ergänzungen - gelesen: (DEPOSITI)O SIRI ET SEVERI NEP (OTUM) DEFUNCT(ORÜM) NO(NIS) DIC(EMBRIBUS) ANN(ORUM) TRIGINTA DUORUM ME(NSIUM) QUATTUOR Das ergibt nachstehende Übersetzung:®' Ruhestätte der Enkel SIrus und Severus, ver storben am 5. Dezember, Im Alter von 32 Jah ren und vier Monaten. 8

# Oben: Venus, Liebesgöttin, Bieiguß, stand als Liebeszauber-Devotionaie in Verwendung einem christlichen Symbol versehene Platte miteingebaut und so dem Verstorbenen ein Zeichen seines Glaubens mit ins Grab gege ben wurde.®3 im übrigen besteht die Vermu tung, daß auf den nicht erhaltenen Teilen der Platte ein christliches Zeichen eingeritzt ge wesen sein könnte.®'^ Dunkle Jahrhunderte in der Spätantike werden die Zeugnisse Ovilabis betreffend mehr denn spärlich. Schriftli che Zeugnisse fehlen schließlich zur Gänze, obwohl doch die Lebensbeschreibung des hi. Severin noch eine Anzahl von Orten oder Siedlungen an Donau und Saizach überliefert. Mag sein, daß das römische Weis damals schon zu tiefster Bedeutungslosigkeit herab gesunken war, möglich ist es aber auch, daß Severin im Rahmen seiner Tätigkeit mit der Binnensiediung an der Traun in wesentlichen Angelegenheiten nicht in Berührung kam. Überdies sprechen die Bodenfunde des 5., 6. und 7. nachchristlichen Jahrhunderts dafür, daß in Wels nur mit einer höchst geringen Dichte menschlichen Lebens ,,intra muros" gerechnet werden kann.®® Die Frage nach dem Niedergang und Verfall der einstigen Colonia ist schon zu wiederhol ten Malen gestellt worden. Ais eine recht plau sible Erklärung wird der Hunnenzug Attilas ins Treffen geführt. In der Folge der für Rom unglücklich verlaufe nen Schiacht von Adrianopel (378) waren Ostgoten und Alanen Im östlichen Pannonien als Föderaten angesiedelt worden, womit Germanen zu römischen Grenzwächtern wur den, denen aber die Sicherheit römischen Ge bietes recht wenig bedeutet haben mag. So wurde 395 der Limes der Pannonia prima von Markomannen und Quaden durchstoßen, welche bis zur Adria vordrangen, im Jahre 433 fiel dieses Gebiet an die Hunnen und von da an, etwa mit Beginn des 5. Jahrhunderts, wurde Noricum zum Durchzugsgebiet germa nischer Stämme. im Jahre 451 schließlich kam es zum Zug Attilas nach Gallien, der ihn durch Ufernoricum und somit auch durch Weis-Oviiabis führen sollte. Für dieses historische Ereignis sind die Reste eines bronzenen Reiterstandbildes von größ ter Bedeutung, im Traunschotter wurden in den Jahren 1756, 1923 und 1949 Rumpf, Unten: Anubishund - der ägyptische schakalköpflge Gott Anubls war Beschützer der Gräber. Fundort Gräberfeld ,,West" Sphinx - das Fabelwesen, Mischwesen von Mädchen und Löwe, galt bei den Ägyptern, Griechen und Römern als Grabwächter. Fundort Gräberfeld ,,Ost". - Sämtliche Fotos: Helga Födlsch, Stadtmuseum Wels Der Inschrift nach verstarben beide Enkel, höchstwahrscheinlich Zwillinge, gleichzeitig - wohl Infoige eines Unfalles oder einer Seuche. Text und Fundort lassen klar erkennen, daß hier eine christliche Grabinschrift wohl des späten 5. oder gar des 6. Jahrhunderts nach Christi gefunden worden ist.®^ Ziegel mit eingeritzten Zeichnungen und In schriften entstammen vermutlich noch der Zeit, als das Christentum verfolgt wurde. Da Ziegel zur Errichtung von Gräbern auch bei der ,,heidnischen" Bevölkerung in Verwen dung standen, fiel es kaum auf, wenn eine mit

Pferdehuf und Reiterbein eines Standbildes gefunden, das wohl Caracalla dargestellt hat.86 Ob nun das Standbild an der Welser Traunbrücke oder auf dem Forum stand, dar über wurde In der facheinschlägigen Literatur noch keine Einigkeit erzielt,®^ was auch hier von sekundärer Bedeutung bleiben soll. Ziem lich einhellig ist jedoch jene Ansicht, daß es sich bei der Zertrümmerung dieser - aber auch anderer Statuen in Wels®® - um den Akt eines ,,Reichszerstörers"®® handelte, eben wie es für Attila zutreffen könnte. Ob das römische Wels mit dem Durchzug der Hunnen restlos und endgültig seinen Unter gang fand, ist ungewiß, wenn auch verschie dene mächtige Brandschichten für eine viel leicht teilweise Zerstörung im Rahmen kriege rischer Ereignisse sprechen könnten.®" Eine Zäsur muß der Hunnenzug jedenfalls ge bracht haben, da ab 450 im Bereich von Wels die Funde römischer Münzen nahezu ausset zen, während sie doch fast durch 500 Jahre mitunter in großen Mengen ,,ein klares Zeug nis für die wirtschaftlichen Zusammenhänge gegeben hätten".®i Spuren germanischer Stämme auf dem Stadtgebiet des einst römi schen Wels sind, wenn auch nicht in gerade übermäßiger Zahl, nachgewiesen.®® Anzunehmen ist mit Sicherheit, daß das Leben um das einstige ummauerte Gebiet von Ovilabis bis zur ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 776 niemals ganz erloschen ist, wenn gleich es wohl am ehesten zutreffen wird, daß als Siedlungsgebiet das umliegende Land be vorzugt wurde. Die abschließend zitierte Fest stellung von Kurt Holter beschreibt trefflich das Bild dieser Zeit: ,,Es mag sein, daß in der Fol gezeit das römische Leben im Stadtbezirk von Wels dezentralisiert und in gewissen Überre sten, insbesondere in ländlichen Orten, wei terbestand. Anscheinend war das Verkehrsgefüge noch intakt und so wird auch Wels nicht gänzlich verödet geblieben sein."®® Anmerkungen 1 Kranzmayr, Ortsnamen, S. 57. - 2 Ebenda. - 3 Winkler, Name, S. 65. - 4 Ebenda.-5 Ebenda. - 6 Ebenda. - 7 Ebenda, S. 61 ff. - 8 Vergleiche: Holter-Trathnigg, Wels, S. 16.-9 Ebenda, S. 64. -10 Noll, Limes, S. 61.-11 Winkler, Name, S. 67. -12 Holter-Trathnigg, Wels, S. 16.-13 Winkler, Name, S. 67. - 14 Ebenda, S. 68. - 15 Trinke, Wels, S. 28.-16 Winkler Name, S. 68.-17 Zabehlicky, Römerzeit, S. 47. -18 Noll, Limes, S. 61. - 19 Zabehlicky, Römerzeit, S. 47. - 20 Eckhart, Römerzeit, S. 29 ff. - 21 Holter - Trathnigg, Wels, S. 16. - 22 Zabehlicky, Römerzeit, S. 47. - 23 Winkler, Name, S. 68. - 24 Rieß, Ovilava, S. 128. - 25 Zabehlicky, Römerzeit, S. 47. - 26 Holter-Trathnigg, Wels, S. 16.-27 Ebenda.- 28 Holter, Spätantike, S. 62. - 29 Ebenda. - 30 Rieß, Vorgeschichte, 8.31.- 31 Holter, Städ teatlas - Wels. - 32 Ebenda. - 33 Noll, Limes, S. 61. - 34 Ebenda. - 35 Rieß, Ovilava, S. 121. - 36 Zabehlicky, Römerzeit, S. 48. - 37 Holter, Städteatlas.-38 Ebenda.-39 Ebenda.-40 Noll, Limes, S. 61. - 41 Zabehlicky, Römerzelt, S. 48. - 42 Ebenda.-43 Ebenda.-44 Ebenda.-45 Za behlicky, Römerzeit, S. 48.-46 Holter-Trathnigg, Wels, S. 29. - 47 Zabehlicky, Römerzeit, S. 48. - 48 Ebenda, S. 67 ff. - 49 Holter, Städteatlas. - 50 Ebenda. - 51 Eckhart, Skulpturen, S. 9. - 52 Ebenda.-53 Noll, Limes, S. 61.-54 Eckhart, Skulpturen, S. 9. - 55 Ebenda. - 56 Zabehlicky, Römerzeit, S. 47. - 57 Holter - Trathnigg, Wels, S. 16.-58 Zabehlicky, Römerzeit, S. 47.-59 Za behlicky, Römerzeit, S. 47.-60 Holter-Trathnigg, S. 17. - 61 Noll, Limes, S. 61. - 62 Winkler, Rö mer, S. 39. - 63 Zabehlicky, Römerzelt, S. 112. - 64 Holter-Trathnigg, Wels, S. 17.-65 Ebenda.- 66 Ebenda. - 67 R. Fleischer, Die römischen Bronzen aus Österreich, Mainz 1967. - 68 Holter - Trathnigg, Wels, S. 17. - 69 Eckhart, Skulpturen, S. 46. - 70 Zabehlicky, Römerzelt, S. 113. - 71 Rieß, Kelten, S. 5ff., S.II. - 72 Vgl. dazu: Winkler, Römer, S. 38. - 73 Jüngling, Oberöster reich, S. 57. - 74 Rieß, Kelten, S. 11 f. - 75 Setz, Inschriften, S. 242. - 76 Zabehlicky, Römerzeit, S. 127f.-77 Ebenda, S. 128.-78 Soauch:Rleß, Kelten, S. 12.-79 Vetters, Grabinschrift, S. 197ff. - 80 Ebenda, S. 198f. - 81 Katalog ,,Severin", S. 586, Nr. 8.45. - 82 Vetters, Grabinschrift, S. 199.-83 Katalog ,,Severin", S. 585.-84 Vet ters, Grabinschrift, S. 197.-85 Holter, Spätantike, S. 64.-86 Ebenda.-87 Vgl. dazu: Rieß, Ovilava, S. 121 f. - 88 Ebenda, S. 124f. - 89 Holter, Spät antike, S. 64. - 90 Ebenda. - 91 Ebenda. - 92 Rieß, Ovilava, S. 127f.-93 Holter, Spätantike, S. 64. Literaturverzeichnis Arthur Setz: Die griechischen Inschriften aus Öster reich, in: Wiener Studien, Neue Folge - Band 5 (84. Band), Wien 1971. Lothar Eckhart: Das Nach- und Weiterleben der Römerzeit in öberösterreich, in: Katalog ,,Baiernzeit in öberösterreich", Ausstellung des öö. Landes museums, Linz 1977. Lothar Eckhart: Die Skulpturen des Stadtgebietes von övllavaCorpus Signorum Imperil Romani, Band III, Faszikel 3, Wien 1981. Robert Fleischer: Die römischen Bronzen aus Österreich, Mainz 1967. Kurt Holter: Wels im Übergang von der Spätantike zum Mittelalter, in: Archäologie in öberösterreich, Kulturzeltschrift,,öberösterreich", 1972, Heft 2. Kurt Holter: österreichischer Städteatlas Wels, Wien 1982. Kurt Holter- Gilbert Trathnigg: Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart, Wels 1964. Eberhard Kranzmayer: Die örtsnamen des Bezirkes Wels als siedlungsgeschichtliche Quelle, in: Jahr buch des Musealvereines Wels 1956. Rudolf Noll: Der Römische Limes In Österreich, Heft XXI, Wien 1958. Wilhelm Rieß: Kelten und Römer in öberösterreich, in: Mannus, 42. Jahrgang 1970, Heft 1, Bonn 1976. Wilhelm Rieß: Vom römischen övllava zum frühmit telalterlichen Uueles, in: Mannus - Deutsche Zeit schrift für Vor- und Frühgeschichte, 45. Jahrgang 1979, Heft 4. Wilhelm Rieß: Vorgeschichte, in: Stadtmuseum Wels - Katalog, 22. Jahrbuch des Musealvereines Wels, Wels 1979/80. Erich Trinks: Wels im Jahre 776, In: Jahrbuch des Musealvereines Wels 1954, Wels 1954. Hermann Vetters: Eine christliche Grabinschrift aus Wels, In: Schild von Steier, Band 15/16, Graz 1978/79. Gerhard Winkler: Die Römer in Öberösterreich, Linz 1975. Gerhard Winkler: Der antike Name von Wels, In: 23. Jahrbuch des Musealvereines Wels, Wels 1979/80. Susanne Zabehlicky - Scheffenegger: Römerzeit, in: Stadtmuseum Wels - Katalog, 22. Jahrbuch des Musealvereines Wels, Wels 91979/80. ,,Severin zwischen Römerzeit und Völkerwande rung", Katalog der Ausstellung des Landes Öber österreich vom 24. April bis 26. öktober 1982 im Stadtmuseum Enns, Linz 1982. 10

Burg und Burgvogtei Wels Kurt Holter Die Burg Wels ist ein historisches Denkmai, dem für die Landeswerdung des heutigen Bundeslandes Oberösterreich erhebliche Be deutung zukommt. Es ist nicht nur das hohe Alter, das diesen Platz vor vielen anderen auszeichnet. Mit Sicherheit war die örtlichkeit schon zur Römerzeit in den städtischen Be reich einbezogen, wenn auch die Untersu chungen, die gelegentlich der Innenrestaurie rung vorgenommen worden sind, keine greif baren Ergebnisse erbracht haben. Zweifellos ist das Burggelände seit Jahrhunderten immer wieder umgewühlt worden, so daß keine ein deutigen Feststellungen über das Alter der mächtigen Mauern möglich waren, die den Kern des heutigen Baues bilden. Wenn in einer alten Welser Chronik davon die Rede ist, daß vor mehr als zweihundert Jahren in unmittelbarer Nähe ein großer Schatz an römischen Gold- und Silbermünzen gefunden wurde, so gibt dies für die Topographie nur neue Rätsel auf. Immerhin sollte nicht verges sen werden, daß ein ähnlicher Bericht auch über die Burg in Steyr, das Schloß Lamberg, vorliegt, ein Bau und eine örtlichkeit, für die man eine römische Vergangenheit mit mehr oder weniger Berechtigung immer wieder ver neint hat. Die erste sichere Nachricht über das frühmit telalterliche Weis berichtet aus dem Jahre 776 von einer Rechtshandlung, die von dem bairischen Großen Machelm in dem ,,Castrum", das ,,Weles" genannt wird, vorgenommen wurde. Es handelt sich dabei um eine Liegen schaft, die anscheinend unmittelbar an der Nordost-Grenze des heutigen Bezirkes Wels gelegen war, einer Gegend, die späterhin im Randbereich der mit Wels In näherer Bezie hung stehenden Gebiete lag. Uns interessiert vor ailem, was mit dem „Castrum" gemeint war, denn die früher sehr geläufige Auffas sung, daß es sich dabei um die Burg selbst ge handelt haben müßte, ist heute weitgehend aufgegeben worden. Erich Trinks, einer von den äiteren, unvergessenenen Welser Histo rikern, hat nachgewiesen, daß der Ausdruck ,,Castrum" zu der Zeit, zu der er mit Wels in Beziehung gebracht bzw. gebraucht wurde, vor allem für die bairischen Bischofsstädte verwendet wurde. Das war nun Wels damals sicher nicht, ja wir müssen bei kritischer Ab wägung aller Quellen feststellen, daß wir nicht in der Lage sind, für die damalige Zeit in Wels eine ,,Burg" nachzuweisen. Vielmehr liegt es nahe, den heutigen Begriff einer Burg besser nicht für das zu verwenden, was mit jener Textstelle gemeint sein könnte. Es bietet sich vielmehr an, die große Umwallung, die über den Fundamenten der römischen Stadtmauer errichtet worden ist, mit diesem Ausdruck in Verbindung zu bringen. Demnach müßte Wels in der späten Agilolfingerzeit, also um 776, mit -Sr-f ^ -TT ^. Totenbildnis Kaiser Maximilians I Zittau, Städtisches Museum. - Foto: Helga Födisch diesem Wall eine wichtige Funktion zur Siche rung der Traunlinie gehabt haben, über die, wie wir nach den in den fast gleichzeitigen Gründungsnachrichten für das Kloster Kremsmünster gemachten Angaben anneh men können, eine dichte Besiedelung noch nicht hinausgereicht hat. Rund hundert Jahre später, im Jahre 885, wird von einer ,,curtis" in Wels berichtet. Darunter ist ein Wirtschaftshof zu verstehen, dem eine gewisse zentralörtliche Bedeutung zugemes sen werden kann. Lag diese „curtis" an der Steile der heutigen Burg? Wir wissen es nicht, wir haben keine sicheren Möglichkeiten, eine Identifizierung vorzunehmen. Andererseits ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß Beziehungen vorhanden waren, weil wir die Geschichte dieses damais königiichen Be sitzes durch die späteren Jahrhunderte verfol gen können. Ein weiteres, vielleicht größeres Areal, das für einen landwirtschaftlich be stimmten Eigenbetrieb geeigneter war, könnte sich in der Gegend des späteren Bürgerspitals und bei der abgekommenen, aber in ihrem Mauerwerk bis auf den heutigen Tag erhal tenen Georgskirche nächst der Almgasse vermuten lassen, doch fehlen auch dort für eine sichere Identifizierung schiüssige Bewei se. Wenn aber im späten 9. Jahrhundert in Weis Königsbesitz der Karolinger anzuneh men ist-eine Urkunde von 888 beweist diesso ist mit Sicherheit zu vermuten, daß zu die sem Besitz auch der Bereich der heutigen Burg gehört hat. Es ist außerdem nicht auszuschiießen, daß man dort, an einem durch Wasserläufe im östen und Süden geschütz ten Piatz, eine Befestigung angelegt hat, die freilich nicht als Steinburg, sondern der dama ligen Zeit entsprechend als Holzbau mit Palii saden vorzustellen wäre. Bei Grabungen un ter Gilbert Trathnigg wurde an der Westseite der Burg ein Spitzgraben angetroffen, der auf eine derartige frühe Anlage hinweisen könnte. Eine Datierung dieses Grabens iiegt allerdings nicht vor. Nach dem Ende der Karolingerzeit ging in un serem Land ein erheblicher Teil des ehemali gen Königsbesitzes an die örtlichen Machtha ber, in diesem Falle an die Gaugrafen, über, die in Lambach einen wichtigen Stützpunkt er richtet haben. Wir können die Entwickiungen, an denen auch der Komplex der Burg Wels teil hatte, aus den Quellen des 11. und 12. Jahr hunderts einigermaßen verfolgen. Die Burg Wels wird darin allerdings nie erwähnt. Die ursprünglich agiloifingischen und später karolingischen Besitzungen zu beiden Seiten der Traun in der Umgegend von Wels müssen in der späten öttonenzeit weitgehend an die Lambacher Grafen übergegangen sein, ob wohl ein königliches öberrecht bestehen blieb. Wir können dies aus dem Wortlaut der soge nannten Lambacher Gründungsurkunden entnehmen. Sicher waren die Lambacher Grafen die maßgebiichen Träger der seit der gleichen Zeit einsetzenden intensiven Ro dungstätigkeit und sie vermochten dadurch erhebliche Eigenbesitzungen zu gewinnnen. Ein Mittelpunkt für diesen Vorgang scheint die ,,Burg" Wels gewesen zu sein, wobei wir frei lich auf Rückschlüsse von Nachrichten aus späterer Zeit angewiesen sind. Spätestens in diesem Zeitabschnitt muß auch die Trennung der Komplexe ,,Burg Wels" und ,,Markt bzw. später Stadt Wels" vor sich gegangen sein. Die Besitzgeschichte verläuft etwa noch ein Jahrhundert paraliel, trennt sich aber dann in zunehmendem Maße. Wir können daher von nun an auf eine Schiiderung der Entwicklung des ,,Zentralortes" Wels verzichten und dür fen bei dem agrarischen Mittelpunkt bleiben, als welcher sich mindstens seit 1200 der Komplex ,,Burg Wels" nachweisen läßt. Daß er aus der vorerwähnten ,,curtis" des 9. Jahr hunderts abzuleiten wäre, iiegt wohl nahe. Die Besitzgeschichte läßt sich anhand der an deutend erwähnten Quellen in Kürze etwa fol gend schildern: Mit verschiedenen Bannrech11

, _c., mtm i: I i 12

Links: Erzherzog Albrecht VI. mit Krone, auf Thronsessel sitzend, österreichische Nationaibibiiothek, Miniatur aus Cod. 1846, toi. 1 verso, ca. 1465 ten kamen auch die grundherrlichen Rechte um Wels aus dem Besitz seiner Vorfahren an den hl. Adalbero, damals Bischof von Würz burg, der seinen Bischofssitz im Zuge des Investiturstreites fallweise verlassen mußte. Nach seinem Tode (1092) beobachten wir, daß der ehemals gaugräfiiche Besitz zum gro ßen Teil zwischen dem Hochstift Würzburg und dem Kloster Lambach aufgeteilt wurde. Dies gilt für die vielen örtiichkeiten, in denen wir in späterer Zeit die Besitzungen des Klo sters parallel mit denen der ,,Burgvogtei Wels" nachweisen können. Neben diesem sied lungsgeschichtlich vielfach sehr alten Streu besitz wurden ganze Amter geschlossen an einen der beiden genannten Haupterben ver geben, während andere an leibliche Anver wandte der Lambacher Grafen gelangt sein dürften. Hier wären wohl die späteren steirischen Otakare und die Vornbacher Grafen zu nennen, doch brauchen uns diese Positionen hier deswegen nicht weiter zu beschäftigen, weil sie ja aus diesem Komplex der Burgvogtei vor dieser Teilung ausgeschieden sein müs sen. Der Umfang der In den Besitz des Bistums Würzburg gelangten ,,Burgvogtei Weis" (der Name stammt erst aus späterer Zeit) er streckte sich vom Hausruck im Westen über die Nachbarschaft von Grieskirchen bis in den Bereich von Buchkirchen im Nordosten, dann etwa längs der Linie des Thalbaches bei Thai heim bei Wels und anschließend an die Kremsmünsterer Besitzungen längs des Slpbaches nach Süden bis in das Kirchdorfer Becken, und, wie Herbert Jandaurek in sei nem Buch ,,Das Alpenvorland zwischen Alm und Krems" (Wels 1957) gezeigt hat, relativ geradlinig, nur von Kremsmünsterer Besit zungen unterbrochen, nordwestlich bis zur Mündung der Alm in die Traun. Wir wissen nicht, wann die ,,Burg" in Wels der Mittelpunkt dieses bedeutenden agrarischen Komplexes geworden Ist. Er befand sich etwas mehr als hundert Jahre Im Besitz des Hochstiftes Würzburg. Wir können dessen besiedlungs mäßige Aktivität kaum abschätzen, doch scheint es uns gewiß, daß eine solche anzu nehmen Ist, da wir aus dieser Epoche gewisse Abstufungen der bäuerlichen Bevöikerung (Urbarleute und Rechtlehner) quellenmäßig belegen können und andererseits von nicht wenigen Verlehnungen wissen, was ebenfalls aktive Entwicklungen voraussetzt. Dennoch war dieser Besitz für Würzburg offensichtlich wenig ertragreich, denn das Hochstift ent schloß sich am Ende des 12. Jahrhunderts, den Besitz an den Babenberger Herzog Leo pold VI. zuerst zu verpfänden und schließlich 1222 zu verkaufen. Die Pfandsumme von 1300 Mark Siibers wurde dabei um 200 auf 1500 Mark Silbers erhöht. Wir haben Im 20. Jahrbuch des Musealvereines Wels (1976) nachzuweisen versucht, daß der Verkauf die ser Liegenschaften zwar in engem, aber nicht unmittelbarem Zusammenhang mit dem Übergang der werdenden Stadt Wels an den Babenberger Herzog erfolgt ist, ein Übergang, der schon etwas früher eingetreten sein muß. Hervorzuheben ist die Tatsache, daß beim Verkauf der agrarischen Liegenschaften nie mals von einem Zentrum in Wels, also der ,,Burg Wels", die Rede ist, sondern stets von den Gütern um Lambach bzw. von dem ,,Vor werk" Lambach. Die Gründe dafür kennen wir nicht, es ist nicht unwahrscheiniich, daß man diesen Abschnitt der Abtretung der Würzbur ger Güter in Oberösterreich von dem Rechts komplex der sich damals lebhaft entwickeln den, der werdenden Stadt-Siedlung Wels ab setzen wollte. Über den Bestand und die Bedeutung der Burg Wels wissen wir aus der Würzburger Epoche nichts. In dem ältesten landesfürstli chen ürbar, das in seiner heutigen Gestait vermutlich in der Spätzeit König Ottokars von Böhmen, dem Nachfolger der Babenberger als ,,Landesherr", niedergelegt wurde, das aber In diesem Bereich die ürbarverhältnisse von etwa 1200 wiedergibt, ist von der Burg nicht die Rede. Das in nächster Nähe organi sierte Amt wird nach Thalheim benannt, der Amtsmann hatte seinen Sitz vermutlich in Thal (Bergerndorf) und später In Straß (Steinhaus), da das Amt im 16. Jahrhundert Amt Straß ge nannt worden ist. Dennoch erhebt sich die Frage, ob nicht der gewaltige Mauerkern der Burg Wels noch in die Würzburger oder Babenberger Zeit oder in das 13. Jahrhundert, also In die Zeit des Böh menkönigs Ottokar, zu datleren ist. Dabei ist zu beachten, daß der Baukomplex von der Siedlung Wels deutlich zu scheiden ist. Der Hakenbau mit im Durchschnitt etwa andert halb Meter starken Mauern zeigt seine größte Mauerstärke an der Westseite, also gegen die späteren Diensthäuser in der Altstadt, von de nen W. Aspernig aufgrund der ältesten, dafüt nachweisbaren Bezeichnung ,,Hinterstetten" annimmt, daß sie nicht zum ältesten Baube stand des alten Wels zählen. Das hieße, daß die Burg nicht nur im Norden, wo sich heute noch ein großer freier Piatz, der,,Burggarten", befindet, sondern auch im Westen, in der Richtung auf die Traungasse hin, isoliert ge standen ist. Daß sich dort ehemals ein Graben befunden hat, der diese Trennung noch deutli cher machte, haben wir schon erwähnt. Es schien uns notwendig, auf die schwer faß baren Verhäitnisse der Frühzeit, des ersten Viertels des letztvergangenen Jahrtausends, so ausführlich einzugehen, weil nur dadurch ein Einblick in die Veränderung gewonnen werden kann, die mit der Erwerbung dieses gewaltigen Agrarbesitzes durch die Baben berger vor sich ging. Im 12. Jahrhundert hatten sie mit dem Privilegium ,,Minus" von 1156 nur bestimmte Hoheitsrechte vorwiegend im Schaunberger Gebiet erhalten. Mit dem otakarischen Erbe aufgrund der Georgenberger Handfeste von 1186 erwarben sie 1192 die Vororte Enns und Steyr mit bedeutendem grundherrschaftlichen Besitz. Mit der Erwer bung von Linz, die ebenfalls im ersten Jahr zehnt des 13. Jahrhunderts erfolgte, faßten sie Im Landgericht an der Donau festen Fuß, mit dem Gewinn von Wels und dem weitausgrei fenden Besitz des Würzburger Erbes konnten sie den Rahmen vom Hausruck her bis an den Fuß des Toten Gebirges auffüllen. Damit ist ein so wesentlicher Ansatz für die Ausbildung des Landes ob der Enns gegeben, daß alle folgenden Entwicklungen In der Hand einer zielbewußten Territorialpolltikfast zwangsläu fig, jedenfalis durchaus folgerichtig ablaufen konnten. Erst nach dieser für die Landeswerdung so wichtigen Voraussetzung tritt die Burg Wels deutlicher in das Licht der Geschichte. Freilich kann sie ab nun nur mehr als lokaler Verwal tungsfaktor gelten, auch wenn sich dieser Be sitz zu einer der größten Grundherrschaften des Landes ausgebildet hat. Über die personelle Besetzung der Burgvogtei Wels hat Herta Eberstaller-Hageneder in den Jahrbüchern des Musealvereines Wels, Band 6 bis 9 (Wels 1860-1963), sorgfältige üntersuchungen vorgelegt, auf die wir uns im weite ren beziehen können. Erstmals in der Zeit der Babenberger, die hier von etwa 1220 bis um 1250 einzugrenzen ist, tritt ein „Vogt" auf, auch als ,,offlclatus oder officlalis" erwähnt, Heinrich Vorprot, der schon für den großen Bereich des Herrschaftsgebietes zuständig gewesen, dem aber der Inhaber des Schlos ses der Polheimer in Wels, Albero, überge ordnet gewesen zu sein scheint. Die Besiedelung dürfte damals In ihr Endstadium getreten sein. Neben den ürbarleuten, die auf den Würzburger Gütern (,,predia Herbipolensia") ais üntertanen saßen, und den Rechtlehnern, die zu günstigeren Bedingungen, vermutlich in der späten Würzburger Zeit, ansässig gewor den sind, trat nun die Gruppe der „Herzogi schen Eigner", welche teilweise an deutlich sichtbaren Aufschließungsstraßen angesie delt worden waren und die als jüngste Siedler gruppe die günstigsten Leihebedingungen er halten hatten. Diese Gruppen sind bis in das späte 16. Jahrhundert gleichgeblieben. Die soziale bzw. wirtschaftliche Differenzierung hat sich spätestens seit dem 17. Jahrhundert, vermutlich nach den Bauernkriegen, weitge hend nivelliert. Aus der ottokarischen Zeit (1251-1276) kön nen wir keine Angaben über die Entwickiung 13

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