fährst. . . Oder meinen Sohn erblicke, wie er zu Pferde sitzt, schön und schlank, und wie der Reitknecht den Jungen streichelt. Und wenn mich dann einer fragt, was ich von meinen Nachbarn wüßte, von der seltsamen Frau, die ihre Leute wie eine Heilige anbeten, und von dem schönen Jungen, der keinen Vater hat^ dann muß ich den Kopf schütteln: ,,Nein, ich weiß nichts". Brigitta: (erhebt sich schwankend) In Siebenbürgen besitzen wir noch ein ganz kleines Gut. Hoch in den Karpaten, zu dem im Winter drei Monate lang kein Brief und kein Gast durch den Schnee findet . . . Willst du, daß ich dorthin verreise? Morgen schon? Stephan: Leb wohl! (verneigt sich sehr beherrscht) Als ich vor drei Jah ren das Gut in deiner Nachbarschaft kaufte, dachte ich mir, daß du eben meine Frau bist, so leidenschaftlich, so unbedingt, wie ich es erst in der langen Zeit der Reue und Verlassenheit ganz begreifen und verdienen kann. Ich sehe heute ein, es war ein Irrtum . . . Wenn du mich jetzt fortschickst, nachdem ich dir alles gestanden habe, ohne einen Augenblick an den Stolz zu denken, ohne den auch ein schul diger Mann kein Mann mehr ist - dann mag dir dein kalter Gott recht geben, ein Mensch kann es nicht, (leise) Denn das ist nicht mehr menschlich, Brigitta. Brigitta: (schwankt. Leise) Oh, du beugst mich! Du beugst mich wei ter! Stephan: Wir werden gebeugt, Brigitta, alle Tage. Und dann erheben wir uns wdeder. Das ist doch nicht klein und schwach, das ist doch groß und schön und richtig -? (er stürzt zu ihr, faßt leidenschaftlich ihre Hände und legt den Kopf in ihren Schoß) Warum hast du mich so lange zurückgestoßen, Brigitta? . . . Geliebte! (lange Pause) Brigitta: (mit klarer Fassung über seinen Kopf hinwegsprechend) Ich suche schon lange einen Ausweg für uns, Murrai. Es gibt keinen . . . Oder doch. Vielleicht. Einen einzigen: Ich muß vergessen können, daß du mein Mann warst . . . daß Gustav einen Vater hat, der mein Mann ist . . .Ich werde das alles versuchen-aber du müßtest es auch vergessen können. Völlig und unbedingt. Bis zum letzten Winkel deiner Gedanken und deines Verhaltens . . . Stephan: Also - verurteilt? (rafft sich auf) Gut. Brigitta: Ich will nicht, daß sich Major Murrai hinter den Hecken ver steckt, wenn er nach meinen Wagen sieht . . . daß er einen Reit knecht um das Lächeln Gustavs beneidet. Nein! Der Nachbar, der nun drei Jahre sein Nachbargut so gut bewirtschaftet, daß er dem ganzen Kreis als Vorbild gilt, soll in Zukunft auch hier willkommen sein. In meinem Haus. Ein Bekannter, der allmählich vertraut wird. Zuletzt vielleicht ein Freund. (Schweigen) Stephan: Du erlaubst also, daß ich - wiederkomme? Brigitta: Wenn einer uns aufsucht, der nichts wül, als zwei Menschen sehen, die seine Nachbarn sind - Ja. Stephan: Das ist alles sehr grausam . . . Brigitta: Das allein erspart uns, daß wir das grausamste Unheil unse res Lebens noch einmal erleben. Ich wäre glücklich, dafür einen Freund zu gewinnen. Einen Freund, der die Kraft hat, sein Wort zu halten. (Schweigen). Stephan: (in strenger Haltung) Gut! Ich will versuchen, Sie zu verste hen, Brigitta - Brigitta: (erhebt sich, gleichfalls in ganz anderem Ton) Schön. Ich wiU mir alle Mühe geben, gute Nachbarschaft zu halten, Major Stephan, (reicht die Hand, die Stephan nimmt) Ohne Zwang . . . Und Sie hal ten Ihr Wort, Stephan! Kein Mensch auf Erden darf wissen, daß wir Mann und Frau sind. Stephan: Ich werde mein Wort halten. Brigitta: Ich danke Ihnen. Stephan: Ich möchte aber bald wiederkommen, ich. möchte wissen, wie die Wunde heUt, an der ich schuld bin. Brigitta: Ich selbst bin an (zeigt) der Wunde schuld, Major Stephan. Jetzt kommt es darauf an, daß die andere, die schlimmere heUt. Jetzt kommt es darauf an, was für uns wahr ist. Stephan: Wahr ist, daß ein Brand wohl ein Haus zerstören kann, auch das stolzeste. Aber den Himmel darüber, die Sterne, die Felder, die Jahreszeiten, die bleiben die gleichen. Sie können mir die Heimstatt meines Glückes verschließen, aber Sie körmen mir nicht den Himmel rauben, der auch über meinem Unglück leuchtet: meine Liebe zu Ih nen. Brigitta: Und Ihr neues, mir soeben gegebenes Wort, Major Stephan? Stephan: (schwach) Ich werde es halten, Brigitta. Ich kann die Welt, aus der ich so lange ausgeschlossen war, nicht im wärmenden Licht des Tages sehn. Ich werde also alles tun, um doch vielleicht in der Dämmerung in sie zurückzukehren. Oder im kühlen Schein des Mondes. Dem Einsamen, der ganz in Dunkeln lebte, leuchtet er den noch auf seinem einsamen Weg. (er küßt ihre Hand) Brigitta: (sichtbar bewegt) Gute Nacht, Major Stephan. Stephan: Gute Nacht, (er geht langsam zur Türe, verbeugt sich dort noch einmal, dann geht er ab und schließt die Türe behutsam) Brigitta: (löscht die letzten Kerzen aus, die noch auf dem Leuchter brennen. Dann setzt sie sich wieder in den Lehnstuhl. Während sie den Kopf mit geschlossenen Augen zurücklehnt, sagt sie leise) Im kühlen Schein des Mondes . . . Vorhang 82
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