Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 3, 1982

Mehrzahl Gedichte aus beiden vorangegangenen Lyrikbänden. „Sing mir die alten, die dunkleren Lieder! / Sie machen die Seele mir weit." Es ist der „schwere Atem der Armen", den Rudolf Henz in sich trägt und der in vielen seiner Verse mitschwingt. Der Zyklus,, Bei der Arbeit an den Klosterneuburger Scheiben", 1950 erschienen, steht für das Jahr 1944. Zur Besinnung mahnt die,,Osterreichische Trilogie" (1950), in der manches ausgesprochen wird, was nur einer sagen darf, der, wie Ru dolf Henz, sein Land liebt. „Welt" und ,,Unterwelt" stehen in dem Terzinen-Epos,,Der Turm der Welt" (1951) einander gegenüber: „Dem Ungeheuren, den Ungeheuern gegenüber bleibt uns nicht mehr als die Hoffnung, daß uns noch Erbarmen und Gnade werde." Dem zu tiefst heidnischen Pessimismus setzt Henz seinen,,Lobgesang auf un sere Zeit" (1956), eine Sequenz in altem Kirchenton, entgegen. ,,Der geschlossene Kreis" (1954) enthält Gedichte aus vier Jahrzehnten, ,,Neue Gedichte" erscheinen 1972. In anderer, will sagen, jüngerer Sprache, redet Henz zur und für die Jugend heute. Dafür zeugt die ,,Kleine Apokalypse" (1977), und der brisante Lyrikhand,,Dennoch Brü der" (1981), der aufhorchen läßt. Das Zeitgemälde aus den Nachkriegsjahren, der Roman-Erstling ,,Die Gaukler", erscheint 1932 und erlebt 1980 eine Neuauflage.,,Den noch Mensch" (1935) ist keiner der üblichen Kriegsromane, wie der Ti tel verrät, vielmehr die ausgereifte Reflexion eigenen Kriegserlebens. Die Schwermut seiner Kindheitslandschaft, die ihre Menschen nach innen weist, bestimmt den Grundton des Waldviertler Romans ,,Begegnung im September" (1939 und 1949). In der Erzählung,,Die Hunds mühle" (1939, 1944, 1947) bildet das niederösterreichische Weinland den Rahmen für die Geschichte eines Frauenschicksals. Österreichs Vergangenheit erfährt ihren Niederschlag im Roman aus der Türken zeit ,,Der Kurier des Kaisers" (1941 und 1946), und im fesselnden Le bensbild Walthers von der Vo^elweide,,Der große Sturm" (1943,1949 und 1972). Die Lebensgeschichte des Tiroler Bauern und Kartogra phen Peter Anich hat unter zwei Titeln,,Ein Bauergreift an die Sterne" bzw.,,Peter Anich der Sternsucher" zwischen 1943 und 1947 fünf Auf lagen erzielt. Das ,,Land der singenden Hügel" bildet das mittlere dreier Reiche einer utopischen Insel. Nach ihm ist der 1954 erschienene Roman benannt. An diese bäuerliche Provinz, von Brauchtum und musisch-humani stischen Überlieferungen geprägt, grenzen das ,,Land der brausen den Wasser", mit seinen totalen Mechanismen unterworfenen Men schen und das ,,Land der dunklen Teiche", wo sektiererische Fanati ker ihr Unwesen treiben. Die Insel Grimani mag utopisch scheinen, die drei Länder sind es nicht. Mit ihren drei Lebensformen rechnet das Buch ab; auch dem Humanismus fehlt die Gottbezogenheit, er ist schal und führt zum Untergang. ,,Im iteferen Sinne war doch Öster reich gemeint, zwischen den Technikern und den Mystikern der Ge walt eingezwängt, das Land, in dem man dem Singen noch einen Nährwert zubilligt." Die Niederschriften der Franziska Obrist über die Abenteuer ihres Vaters hat Rudolf Henz 1955 redigiert und veröf fentlicht: ,,Die Weltreise eines Innsbrucker Schneidergesellen vor hundert fahren". Der ungarischen Tragödie von 1956 gilt der Roman ,,Die Nachzügler" (1961). Professor Stefan Nagy, der Flüchtling, erkennt, daß auch der Westen zu den geistigen ,,Nachzüglern" zählt, mit de nen sich sein geschichtsphilosophisches Werk auseinandersetzt, weil auch hier noch überholte Lehren und Grundsätze vertreten werden. Auch die drei letzten Romane, die Satire ,,Der Kartonismus" (1965), ,, Unternehmen Leonardo", ein Buch gegen die Technokratie (1973), und schließlich der Roman aus seiner Glasmalerzeit,, Wohin mit den Scher ben?" (1979) weisen Henz als Unbestechlichen aus, der eher „zwi schen den Stühlen" verharrt, als den Widerstand gegen die ,,literari schen Zerstörer der Literatur", gegen ,,Mechanisierung alles Geisti gen" aufzugeben: ,,Der Widerstand im kleinen entscheidet über un sere Zukunft". Von den dramatischen Werken wurden vom Burgtheaterensemble uraufgeführt: ,,Kaiser Joseph II." mit Aslan in der Titelrolle (1937), ,,Die Heimkehr des Erstgeborenen" unter dem Titel ,,Flucht in die Heimat" (1946), das Paulus-Drama,,Diegro/?e Entscheidung", mitLiewehr als Paulus und Gielen als Jakobus (1954), ebenso die deutsche Nachdichtung von Madächs ,,Tragödie des Menschen" (1967). ,,Der Büßer" wurde 1956 in Innsbruck uraufgeführt, 1963 in holländischer Fassung auf der Bussumer Bühne. Das Passionsspiel ,,Die Erlösung" ging 1950 am Wiener Stadttheater und in Kolmar in Szene. Die fran zösische Fassung der,,großen Entscheidung" kam 1955 in Wien und Brüssel auf die Bühne. Unter dem Gesamttitel ,,Tollhaus Welt. Fünf neue Dramen" erschienen 1969: ,,Herr Job", ,,Die Schallmauer", „Tollhaus Welt", „Das Ende der Gewalt", „Die himmelblaue Tru he". Meisterschaft bewies Rudolf Henz auch als Autor von Fernseh spielen. ,,Zwischenfall in Antiochia" erhielt in Monte Carlo 1967 den Preis der UNDA, ,,Rebell in der Soutane" 1971 den Fernsehpreis der österreichischen Volksbildung. Für seine Verdienste um das kulturelle und kirchliche Leben Öster reichs mehrfach von Staat und katholischer Kirche ausgezeichnet, er hielt Professor Dr. Rudolf Henz schließlich 1971 das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst verliehen. Den Träger des Großen österreichischen Staatspreises für Dichtung, des Würdi gungspreises der Stadt Wien wie des Landes-Kulturpreises von Nie derösterreich hat die Kritik vielfach gewürdigt. Der Verlag Styria in Graz bringt eine zehnbändige Gesamtausgabe der Werke von Rudolf Henz in Einzelbänden heraus. Davon sind be reits die beiden Romane ,,Die Gaukler" und ,, Wohin mit den Scher ben" sowie die erweiterte, auf neuesten Stand gebrachte Autobiogra phie ,,Fügung und Widerstand", das lyrische Pamphlet ,,Kleine Apokalypse" und ,,Dennochbrüder", eine Vision, erschienen. Wie sieht der Katholik Rudolf Henz, der sich einmal als ,,Dichter a. D.", als ,,illegaler" Autor bezeichnet hat, der sich keiner Gruppe und Clique,,anbiedert", der,,aus dem vorigen Jahrhundert kommt", seinen Auftrag im Heute? Im Roman „Die Nachzügler" finden wir seine Antwort: „Wir Katholiken können nicht neue Weltanschauun gen erfinden, wie die anderen Zeitgenossen, daher weder unseren Geist leuchten lassen wie sie, noch mit Patentlösungen glänzen. Un ser Denken ergibt weder sensationelle Schlagzeilen, noch ist es un sere Hauptaufgabe, die Mitmenschen zu schockieren. Wir haben beim gegenwärtigen Zustand des geistigen Lebens in der freien Welt eine sehr undankbare Aufgabe zu erfüllen. Das Absurde bleibt uns versagt, Nihilismus und konsequenter Pessimismus, also aUes, was dem Denker von heute den Erfolg sichert. Wir haben die Einsamkeit auf uns zu nehmen, die Minderbewertung, die Lächerlichkeit vor der großen Welt . . . Wir haben der Versuchung zu widerstehen, uns selbst in den Vordergrund zu spielen . . . Wir haben nichts zu tun, als zu dienen." 86

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