Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 2, 1982

Vater des Friedens Oratorium zu Ehren des heiligen Severin Auszüge als Leseproben-Vorabdruck mit Genehmigung der Abtei lung Kultur des Amtes der oö. Landesregierung Vorbemerkung Der heilige Severin verdient Erzvater Österreichs genannt zu werden. Das Land Oberösterreich ist ein Teil des ehedem römischen Noricum, in dem der große Heilige wirkte. Anläßlich der 1500. Wiederkehr sei nes Todesjahres 482 will ihn dieses Land besonders ehren und in den Mittelpunkt seiner kulturellen Aktivitäten stellen. In dieser Absicht und im Auftrag des Landes entstand der vorliegende Arbeitstext für die Komposition eines Oratoriums. Die „Vita Severini" des Eugippius ist zwar eines der aufschlußreich sten Dokumente des frühen Mittelalters, steckt jedoch voUer Rätsel und ungelöster Probleme. Das von Friedrich Lotter („Severinus von Noricum - Legende und historische Wirklichkeit", Stuttgart 1976) vorgelegte neueste textkritische Werk zitiert nicht weniger als 25 Druckseiten wissenschaftlicher Quellenangaben. Was für den Autor zunächst einfach schien, weitete sich zu unübersehbaren Studien. Näher standen ihm die geschichtssoziologischen Essays von Ernst Karl Winter (,,St. Severin - der Heilige zwischen Ost und West" und „Studien zum Severinsproblem", Wien 1958/59). Ein neuer Roman („Geduldet euch, Brüder", Wien 1979) von Alexander Giese brachte lediglich Einfühlungsmöglichkeiten in das Zeitkolorit. Ich beschloß, dieses Oratorium im ursprünglichen Sinn des Wortes anzulegen, also vorwiegend als religiöse Meditation, weü die reli giöse Dimension die einzige ist, die alle Widersprüche überbrückt und glaubwürdig sein kann. Es stellt sich dabei, in einer Zeit von Ein heitstexten der biblischen Ökumene, das Problem einer poetischen und trotzdem schlichten Sprache, die musikalisch umsetzbar ist. Ich habe mich darum bemüht und mir immer wieder die Frage vorgelegt: Wie hätten Eugippius, die Kirchenväter, die Psalmisten und Evange listen heute geredet, um ihre Botschaft vorzutragen? Was kann ge kürzt, gerundet, einfach gesagt werden, ohne die Wahrheit zu fäl schen? Was ist wesentlich? Wo beginnt der Stilbruch? Was ist feierlich und was wirkt dabei unnatürlich? Zuletzt gibt es dafür oft nur Antworten aus dem eigenen Gefühl und Gewissen. Und selbstverständlich auch aus dem Rat von Freunden, wofür ich Prof. Eberhard Marckhgott und Augustinus Franz Kropf reiter danke. Der vorliegende Arbeitstext ist die Grundlage für die Vertonung und wird noch manche Änderung, Kürzung oder Erweiterung erfahren. Auch die Reihung ist nicht endgültig. Der Text enthält auch keine Angaben über Stimmlagen, Chor oder Sprecher, weü sich das sinn gemäß aus der Arbeit des Komponisten ergeben soU. Mir persönlich ist dieses Oratorium ein Herzensanliegen, das über einen literarischen und textgestalterischen Auftrag weit hinausgeht. März 1980 Prolog Severins Caritas Spielt, Musiker, spielt! Singt, Sänger, singt! Das ist eine heitere, eine helle und herrliche Geschichte. Es ist die Geschichte eines Mannes, der singend starb. Ärzte, horcht auf, ihr Sterbehelfer und Krankenschwestern, ihr Pfleger und Priester, ihr Tröster der letzten Stunden! Ihr Todesgeängstigten hört, ihr Todesgeweihten hört, es ist eure, es ist unser aller Geschichte. Es ist die Kunde eines Lebens, das aus seiner Erfüllung und seiner Erwartung den Tod als Freude begrüßte. Dies ist die Geschichte Severins, der nicht einzuteüen ist in die Gruppen der fröhlichen Heiligen, von dem der Chronist nicht berichtet, daß er sang oder tanzte. Ernst wie sein Name ist sein Antlitz fünfzehn Jahrhunderte lang. Einmal nur, in seiner Todesstunde, war seine Stimme Gesang. Wunder sind Einzelfälle. Gebete sind unsichtbar. Der Mensch spürt, täglich und stündlich, woran er den Glauben derer mißt, die sich Christen nennen. Das ist die tätige Liebe. Severin gab dafür persönliche Beispiele, die sein Volk am Limes überzeugten. Aber er wußte auch, daß Liebe der Aktion bedarf. In eigenen Rundschreiben führte er in ganz Norikum den Zehent für die Armen ein. Eugippius berichtet, daß die ohnehin verarmte und bedrückte Bevölkerung diesen Zehent mit freudvoller Hingabe leistete. Auch Kleidersammlungen für Bedürftige linderten unter Severins Leitung die Not. Die Bürger von Lauriacum versuchten sich einmal von Severins Caritas-Zehent zu drücken. Mißernte drohte und wurde als Strafe erkannt. Severin erklärte den Reumütigen: ,,Wer den Zehent für die Armen abliefert, der erwirbt nicht bloß ewigen Lohn. Er wird auch mit eigenen Gütern gesegnet. Wenn ihr das erkennt, so sage ich euch bei der Treue des himmlischen Vaters, daß er die Mißernte abwenden wird." Diese Verheißung erfüllte sich in Lauriacum. Diese Verheißung erfüUt sich zu allen Zeiten. 79

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