Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 2, 1982

Liebesgedicht österreichischer Dichter Ein Gedicht über Bäume oder kein Gedicht über Bäume das ist eine moralische Frage als ob die Dichter sonst so moralisch wären Ein Gedicht über die Liebe oder kein Gedicht über die Liebe auch das ist eine moralische Frage als ob die Liebe sonst so moralisch wäre Singen müßten wir wieder können statt schreien vor Wut wenn sie uns die Bäume aus den Straßen und die Liebe aus dem Herzen reißen Aber vielleicht reißen sie deswegen weil wir nicht singen können und keine Bäume verdienen und keine Liebe Aus „Aussagen", Gedichte, 1976 Immer noch steht er im Regen und im buntesten Sonnenschein arm aber ehrlich Blüten besingend und Gräser den Traum fordernd und nicht die Tat Schloten und Kranen fluchend Kassandra des Lebens Zwischen den ungelesenen Zeilen gedeiht beharrlich der Kummer der Ewigkeit Daß aller Schrecken nichts sei als Gesang verleiht ihm Hoffnung Der Zeit die Antwort ins Ohr zu raunen ist ihm heilige Pflicht Die aber nach ihm kommen und den Sockel betrachten auf dem seine Unschuld ruhte entdecken die Blutspur seiner Verweigerung Tanturn die verbo Wer hat euch gesagt daß sich Worte verbrauchen als wären sie öl oder Mehl? Wer hat euch gesagt daß sich Worte abnutzen wie Reifen und Messer? Wer hat euch gesagt daß sich Worte zerstören wie geladene Moleküle? Auf den Müllbergen der Träume faulen die weggeworfenen Worte der gelenkten Verschwender Im gefrorenen Waldtümpel gären die gestohlenen Worte eines verführten Geschlechts Mitten auf der Straße sterben die getretenen Worte derer die euch geliebt haben 75

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