Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 2, 1982

Kunst der Gegenwart Lydia Roppoit: Köpfe Roland Schachel Um das Bild des Menschen kreist Lydia Roppoits ganzes Schaffen. Nichts fesselt sie so sehr wie dieses wahrhaft unerschöpfliche Thema. Mit welcher Sorgfalt Lydia Roppoit sich ihrer Aufgabe widmet, muß man erlebt haben. Da ist nichts von photographischer Neugier, nichts von oberflächlicher Spontaneität, nichts von deformierender Zudringlichkeit und selbstgefälliger Routine. Schon ehe sie sich dem Menschen gegen übersetzt, setzt sie sich mit ihm auseinander. Erst wenn sie ihn kennt, wagt sie, ihn zu er kennen. Behutsam umhüllt sie ihn mit Blicken - sie nimmt nicht, sie gibt. Tastend setzt sie die Striche, die Farben aufs Blatt. Was nicht paßt, wird wegradiert, wird weggewischt. Das ist sehr chrakteristisch: am Ende wird weniger im Bild sein als am Anfang, weniger Materie, denn das Wesen wird verdichtet, die Materie ist nur Gefäß. Alle irdische Schönheit ist ein Schleier, hinter dem der Mensch die ewige Schönheit und Herrlichkeit erahnen kann. Das Gesicht, das in der Sonne steht (Selbstbild nis), öl auf Leinwand, 1970, 69,5 x 80 cm Immer sind die Augen zuerst da - die Augen sind das Wichtigste am Bild des Menschen, das Untrügliche -, dann der Mund, lächelnd oder verschwiegen, zuletzt die Hand, die ver deutlichende Gebärde. Dieser Vorgang wiederholt sich analytisch viele Male, Blatt um Blatt, und wird auch nach der Sitzung fortgesetzt. Lydia Roppoit bildet den Menschen nicht einfach ab, sie bildet ihn, sie verdichtet sein Wesen mit ihrem inneren Auge. ,,Alles, was schön ist, ist nichts als der Widerschein jenes Herzens, in dem Gottes Schönheit aufleuchtet", sagte der mittelalter liche islamische Mystiker Mewiana. Was aufs Papier kommt, ist zunächst nur die Probe auf 29

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