Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 1, 1982

Archäologische Zeugnisse des frühen Christentums in Oberösterreich Lothar Eckhart Wann, durch wen und auf welchem Weg das Christentum, geboren in Palästina und durch die Aposteifürsten nach Rom verpflanzt, in un sere Donaugegenden kam, wissen wir nicht. Jedenfalls ist es Legende, daß, wie am Ennser Stadtturm zu lesen steht, schon die Evangeli sten Markus und Lukas in LauriacumLorch/Enns,,Christi Gebot" verkündet hätten. Faßbar werden Christen im römischen Ober österreich erst um 300 n. Chr., zur Zeit des Kaisers Diokletian (284-305), unter dem auch eine Horizontalteilung der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. geschaffenen Provinz Norikum in ein ,,Binnennorikum" und ein das heutige Oberösterreich einschließendes ,,Ufernorikum" durchgeführt wurde. Der neue Provinzstatthalter residiert vermutlich in Ovilava-Wels, ein ,,Praeses" Aquilinus ist es, un ter dem während der diokletianischen Chri stenverfolgung der ehemalige Amtsvorstand der Statthaiterei, Florianus, den Martyrertod stirbt; Aquilinus hält in Lauriacum Gerichtstag, Florian wird am 4. Mai 304 nach vorhergegan genen Torturen in der Enns ertränkt, er ist der einzige namentlich bekannte und historisch gesicherte Blutzeuge der Ostalpenländer. Mit dem hi. Florian - jetzt zu Recht erster Patron der Diözese Linz - sterben in Lauriacum wei tere Christen, Männer und Frauen, für ihren Glauben, daß es diese bislang für legendär gehaltenen ,,Lorcher Märtyrer" tatsächlich gegeben hat, erbrachten die archäologischen Ausgrabungen des 00. Landesmuseums 1960/66 in der St.-Laurentius-Kirche von Enns/Lorch-Lauriacum. Erstmais beweisen also Florian und seine Leidensgenossen, daß das Vordringen des Christentums nach dem römischen Oberösterreich, und zwar mit der Stoßrichtung Lauriacum, noch Im 3. Jahrhun dert, wenn auch in bescheidenem Maße, er folgt sein muß, denn um 300 bestand ja hier nach dem Martyrerzeugnis bereits eine kleine christliche Zelle. Lauriacum war damals das wichtigste Bollwerk der römischen Grenzver teidigung an der norischen Donau, seit einem Jahrhundert Garnison der Legio II Italica in ei ner riesigen Lagerfestung samt gleichzeitig entstandener Großsiedlung, die unter Kaiser Caracaila (211-217) als jüngste und letzte der Austria Romana das Stadtrecht erhalten hatte. Der der neuen Lehre wohlgesonnene Kaiser Konstantin d. Gr. (306-337) erteilte den Chri sten 313 das Recht der freien Religionsaus übung, jedoch sind bis jetzt weder aus seiner noch der Zeit seiner Dynastie (bis 363) aus Oberösterreich dingliche Spuren des frühen Christentums, wie Kulträume, Grabaniagen oder entsprechend signierte Kleinfunde, zu tage gekommen. Derartiges gehört auch an derswo in den Provinzen zu den größten SeiAbb. 1 Porträtkopf des Constantinus II Caesar aus Enns-Lauriacum. Sämtliche Fotos zu dieser Abhandlung aus dem Fotoarchiv des Oö. Landesmuseums tenheiten. Ein zwar nicht direkt christlich-ar chäologisches, jedoch in seiner Art singuläres Zeugnis dieser ersten Jahre christlich gewor dener Kaiser ist das aus Enns-Lauriacum stammende marmorne Porträtköpfchen Kon stantins II., des Zweitältesten Konstantinssoh nes aus 326 n. Chr., der uns hier als neun- bis zehnjähriger Knabe, angetan in Hoftracht mit Diadem und Ohrgehängen (I), sehr distanziert entgegenblickt (Abb. 1)L Die gotische St.-Laurentius-Kirche von Lorch/Enns erhebt sich auf dem Gelände der römischen Stadt Lauriacum. Sie ist nur das Endglied einer Kette von frühchristlichen Vor gängerbauten, den Anfang macht die um 370 n. Chr. entstandene ,,Basilika I", als Stadtkir che von Lauriacum, den damaligen kirchlichen Organisationsstrukturen entsprechend, zu gleich auch Bischofskirche. Unter der Laurentius-Kirche ist zwar die Basi lika I der erste christliche, aber nicht der erste Sakralbau überhaupt. Sie geht nämlich bei Weiterübernahme von Mauern bzw. Mauer fluchten und Estrichen aus dem heidnischen Zentraiheiligtum von Lauriacum, einem mäch tigen, sog. gallorömischen Umgangstempel hervor, der zwischen etwa 175 bis spätestens 192 n. Chr. zusammen mit der Ziviisiedlung gegründet wird (Abb. 2). Mit quadratischem Allerheiiigsten (Cella), allseitigem - Umgang und je zwei Annexräumen im Osten (nördli cher unterkellert!) und Westen schon in Bau periode 1 grundrißmäßig vorgeformt, stellt er nach vier Wiederherstellungsphasen nach Brandverwüstungen ca. 315/20 den Kultbe trieb ein, bietet profaniert noch ein halbes Jahrhundert Wohnmöglichkeiten, bis um 370 an seine Steile die erste Stadt- und Bischofs kirche von Lauriacum, die Basilika I, tritt. In Bauperiode 1 (bis Kaiser Caracaila, 211-217) war der Umgangstempel dem Stammesgott der Kelten von Lauriacum geweiht, ab Baupe riode 2 wurde er im Zusammenhang mit der Stadtrechtsverleihung an die Zivilsiedlung Lauriacum durch Caracaila zum Kapitolstempel, in dem nunmehr vor allem der oberste rö mische Reichsgott luppiter Optimus Maximus offizielle Verehrung fand. Die christliche Nachfolgerin des Umgangs tempeis, die Basilika I (Abb. 3), besteht aus einschiffigem Langhaus mit geosteter Apsis und Westvorraum (Narthex), der Apsis sind hintereinander noch zwei Räume vorgelegt. Die Basilika I besaß ausgedehnte Heizanla gen und von Anfang an einen im Südwesten angebauten Turm militärischer Zweckbe stimmung (Burgus, zugleich Narthex-Südmauer), dessen Großquadermauerwerk den unteren Teil des heutigen Kirchturmes bildet. In die Anfangsjahrzehnte der Basilika I gehö ren die frühesten christlichen Kleinfunde aus dem Boden Lauriacums, zwei bronzene Fin gerringe mit dem ,,konstantinischen ChiRho-Monogramm" auf der Schmuckplatte (Abb. 4; Wende 4./5. Jahrhundert), die aus Gräbern stammen (ein dritter, silberner mit ei nem christogrammähnlichen Zeichen auf dem Ringkopf ist verschollen^), und ein Tonlämpchen mit dem gleichen Heilszeichen auf dem Lampenspiegel (Abb. 5; spätes 4./5. Jahr hundert). Ferner sind zwei kleine Kupfermün zen bemerkenswert, die, umfunktioniert, Zeugnis für das christliche Bekenntnis ihrer Besitzer ablegen: ein Centenionalis des Kai sers Gratian aus 367/75 wurde exzentrisch durchbohrt und durch das Christusmono gramm am Tuch der Standarte, die der Kaiser auf der Münz-Rückseite hält, zum christlichen Amulettanhängsel (Abb. 6); ebenso verfuhr man mit einem Centenionalis des Kaisers Valentinian I. (364/75; es gibt vermutlich noch weitere derartig behandelte Münzen im Li mesmuseum Enns). Kaiser Gratian nahm üb rigens 378 in Lauriacum vorübergehend Auf enthalt. Schließlich dürfte eine dreiteilige Glä sergarnitur aus einem Lauriacenser Grab des 4. Jahrhunderts, bestehend aus Krug, Becher

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