Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 1, 1982

Der heilige Severin Eine biographische Skizze mit besonderer Berücksichtigung Oberösterreichs Rudolf Zinnhobier Über den hl. Severin erschien in dieser Zeit schrift vor zehn Jahren (22. Jg., Heft 2, Win terheft 1972/73) ein Aufsatz von Friedrich Let ter, dem derzeit besten Kenner der „Vita Severini", jener im Jahre 511 von dem Abt Eugippius von Lucuiianum bei Neapel verfaßten Lebensbeschreibung des Heiligen. Wir kön nen uns daher damit begnügen, eine grobe Skizze des Lebensiaufes Severins zu bieten. Dagegen soii auf seine Tätigkeit in ,, Ober österreich" etwas näher eingegangen wer den. Schlagwörter wie „Völkerwanderung" und „Ende der Römerzeit" sind geeignet, jene be wegte Epoche zu charakterisieren, in der Se verin, der bedeutende ,,Staatsmann" und ,,Mönch", in unserer Heimat wirkte und der bedrängten Bevölkerung Halt und Hilfe bot. Namen wie Attila, Leo d. Gr., Odoaker und Geiserich repräsentieren das Zeitalter und lassen erkennen, daß auch Umbrüche und Zusammenbrüche die Möglichkeit bieten, sich zu profilieren. Severin selbst war eine der edelsten Gestalten in jenem Jahrhundert. Noch gehörten die beiden Teiiprovinzen von ,,Noricum", das grob gesprochen mit dem öst lichen Österreich gleichzusetzen ist, zum Rö merreich, als Severin - bald nach dem Tode des Hunnenkönigs Attila (f 453) - hier seine Tätigkeit begann. In einem Brief seines Bio graphen Eugippius, der der ,,Vita" des Heili gen gleichsam als Einleitung vorangestellt ist, wird Ziel und Absicht seines Kommens klar zum Ausdruck gebracht; Severin werden die Worte in den Mund gelegt, die als Motto für sein ganzes Lebenswerk gelten können: ,,Gott hat mir den Auftrag erteilt, diesen Menschen in ihrer Not beizustehen." Die Forschungen Friedrich Lotters haben dar getan, daß Severin den höchsten römischen Adels- und Beamtenkreisen angehört haben muß. Dieser Umstand erklärt die Art seines Auftretens, sein Handeln mit Autorität, sein Ansehen und zum Teil auch seinen Erfolg. Seine hohe Bildung und streng aszetische Le bensweise sowie seine staatsmännische Klugheit bildeten die Basis für das große Ver trauen, das ihm sowohl seine romanischen Landsleute als auch die germanischen Heer führer entgegenbrachten. Durch mutige und kluge staatspolitische Maß nahmen konnte Severin manche blutige Aus einandersetzung zwischen den im Donau raum aufeinandertreffenden Völkern verhin dern und den sich vor der Übermacht der Germanen allmählich zurückziehenden Ro manen ihre hohe Kultur und ihren Glauben ret ten. Er sorgte neben den Befriedungsaktionen unermüdlich für die materielle Existenz seiner Schutzbefohlenen und baute zu diesem Zweck ein hervorragend organisiertes Fürsor gewerk auf. Dabei vernachlässigte er nicht die geistig-religiöse Betreuung der in dauernder Gefahr lebenden Menschen im Grenzland an der Donau durch die Gründung von klösterli chen Stützpunkten. So wurde er hier in Ufernoricum in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts zum ,,Vater des Vaterlandes". Severin starb am 8. Jänner 482, also vor 1500 Jahren, zu Favianis an der Donau. Als acht Jahre später ein Großteil der Romanen nach dem Süden abzog, versäumte man es nicht, die Reliquien des Heiligen als kostbaren Schatz mitzuführen. Seine Gebeine ruhen heute in Frattamaggiore bei Neapel. Nachdem nun der Rahmen abgesteckt ist, sei versucht, die intensiven Beziehungen Seve rins zu ,,Oberösterreich" aufzuzeigen. Bei dieser Gelegenheit wird auch das oben gebo tene unscharfe Bild des Heiligen klarere Um risse annehmen. Es sind an sich nur zwei Orte im heutigen Oberösterreich, die in der ,,Vita" namentlich genannt werden: das nicht eindeutig lokali sierbare loviaco und Lauriacum/Lorch, dieses aber gleich fünfmal. Es darf auch nicht über sehen werden, daß Severin seine Wege nach Batavis/Passau, Boiotro/Passau-Innstadt, Quintanis/Künzing, luvao/Saizburg und Cucuilis/Kuchl durch oberösterreichischen Raum geführt haben, so daß mit oftmaligen Aufenthalten hier zu rechnen ist. Das Kapitei24 der Lebensbeschreibung schildert ein dramatisches Ereignis. Es führt uns mitten hinein in jenen etappenweisen Ab zug der Romanen vom Westen in den Osten, der durch den Einfall germanischer Stämme in die Provinz Ufernorikum (etwa heutiges Oberund Niederösterreich) bedingt war. Wir erieben Severin als den ,,Seher", der bevorste hende Überfälle voraussagt, was in nüchter ner Ailtagssprache wohl nur sagt, daß er über ein gut ausgebautes Nachrichtennetz verfüg te. In diesem Fall warnt der Heilige die Bewoh ner von loviaco, ,,einer Stadt mehr als zwan zig Meilen von Batavis entfernt", vor dem herandringenden Feind und erteilt den Über siedlungsauftrag. Den genannten Ort sucht die Wissenschaft in Aschachs. D. (L. Eckhart) oder in Schlügen (Gemeinde Haibach a. D.), wo dicht an der Donau ein Kastell mit Zivilsied lung ergraben wurde (R. Noll). Zwei Boten schickt Severin ab, den Kantor (Kirchensän ger) Moderatus, dem man keinen Glauben schenkt, dann einen Bewohner aus Quintanis, der offenbar selbst ein Betroffener war, seine Heimat bereits aufgegeben hatte und bei Se verin in Favianis (Mautern a. D.?) weilte. Zu mindest der Presbyter Maximianus sollte zum Abzug bewegen werden. Die Sendboten des Heiligen richteten nichts aus. loviaco wurde verwüstet, seine Bewohner gefangengenom men und Maximian erhängt. Hier erleben wir Severin vor allem in der Sorge um seine Landsleute, erfahren aber gleichzei tig, daß seine Mahnungen nicht immer auf of fene Ohren und bereite Herzen stießen. Als Gegenbeispiel wird in Kapitei 25 von Binnennorikum berichtet, wo sich die Leute auf den Rat des Heiligen hin in die Kastelle zurückzo gen und den Feindeinfall (für diesmal) über standen. Wie schon angedeutet, nimmt Lorch in der ,,Vita" eine besondere Stellung ein. In fünf bzw. sechs von Insgesamt 46 Kapiteln des Buches wird darauf Bezug genommen. Es ist vor allem der Mann der Caritas, der Organisa tor des Flüchtlingswesens, aber auch der Staatsmann, den uns die genannten Ab schnitte zeigen. Es gab damals viel Elend und Not. Im Bemü hen, den Hunger der Armen zu stillen, führte Severin den Zehent ein. Der zehnte Teil der Feldfrüchte war für diese Zwecke abzuliefern. Es scheint, daß Severin der ürheber des Ze hentwesens in Norikum ist; er griff zu dieser dem christlichen Altertum nicht unbekannten Maßnahme, um in seinem Wirkungsbereich helfend eingreifen zu können. Kapitei 18 schildert uns Ereignisse im Zu sammenhang mit der Eintreibung des Zehents in Lorch. Es kam zum Widerstand der Bevöl kerung. Wenn es ums Teilen geht, dann gibt es anscheinend immer und überali Schwierig keiten. ünsere Stelle läßt auch die Strenge Severins, die ja schon sein Name zum Ausdruck bringt (Severus = ernst, streng), erkennen. Er hatte die Bürger wiederholt ermahnt, sie waren aber widerspenstig, nun foigte die Strafe: Getrei derost. Der Kausalzusammenhang, der hier nach Art der Heiligenviten - zwischen Ermah nung und himmlischer Bestrafung hergestellt wird, läßt auf jeden Fall die Eindringlichkeit des severinischen Befehls erkennen. Wir erfahren jedoch auch von der Reue der Bevölkerung. Sie findet Ausdruck in dem von der ,,Vita" be richteten symbolhaften ümstand, daß der Be fall der Ernte letztlich nicht viel Schaden an richtete, vor allem aber darin, daß der Zehent in Hinkunft bereitwilliger abgeliefert wurde. Natürlich war von den Lorchern auch eine Buße zu leisten. Severin ordnete, ,,wie es seine Gewohnheit war", ein Fasten an. Dieses Fasten, das bei Severin persönlich, aber auch bei den ihm anvertrauten Menschen eine so große Rolle spielt, ist sicherlich nicht nur eine aszetische Übung, sondern hat auch einen sozialen Bezug. Das auf diese Weise Ersparte konnte ja den besonders Bedürftigen zugäng lich gemacht werden. Kapitei 27, das als nächstes Lorch erwähnt, läßt uns miterleben, wie die Romanen nach

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