zeugendes Argument darstellt. Außerdem ge staltete sich der Konflikt von 595 deswegen zu einer schweren Niederlage der Bayern - sie verloren mit 2000 Mann fast ein ganzes Stammesheer-, weil der Khaghan und damit die awarische Reiterei die Schlacht entschie den. Ein solches Ereignis ist aber im Donautal zumindest ebenso, wenn nicht eher, denkbar als an der oberen Drau. Die bayerischen Niederlagen der Jahre 595 und 610 bewirkten jedenfalls die Verfestigung einer Grenzzone, die jahrhundertelang den Ostalpenraum aufspaltete. Dieser Bereich, der eine im letzten fränkisch bestimmte West hälfte vom reiternomadisch beherrschten Osten trennte, entwickelte sich im Norden ent lang des kurzen, voralpinen Süd-Nord-Laufs der Enns vor ihrer Mündung in die Donau, verwandelte sich flußaufwärts In einen breiten Grenzsaum, den die steirisch-oberösterreichisch-salzburgischen Kalkalpen bis zum Tennengebirge bildeten, durchquerte dann das Wald- und Bergland des Pongaus nach Sü den, erreichte den Alpenhauptkamm, dem die Grenze nach Westen bis etwa zur Dreiherren spitze, jedenfalls aber bis zur Wasserscheide zwischen dem Ahrntal und Virgental folgte, von dort nach Süden abbog und östlich von Innichen auf die Karnischen Alpen und damit auf die Grenze des seit 568 langobardischen Ita lien stieß. Slawische oder sonstige Gruppen, die diese Linie nach Westen überschritten, wurden, wie etwa im Raum von Kremsmünster oder Ischl, zu Bayern. Dafür gab es nach wie vor Romanen und Germanen im awarischslawischen Herrschaftsbereich. Dieser diente auch als Exil für westliche Überläufer, von de nen allerdings nur langobardische Große - sowohl im siebenten wie im achten Jahrhun dert - namentlich bezeugt sind. Die Spaltung des Ostalpenraums änderte sich fast fünf Ge nerationen lang nicht und wurde endgültig erst durch den Awarenkrieg Karls des Großen im letzten Jahrzehnt vor dessen Kaiserkrönung beseitigt. Die Zeugnisse des siebenten Jahrhunderts sind an Dürftigkeit nicht zu unterbieten. Eine ernste Schwäche der Awaren nach 626, da ihr Übermut vor Konstantinopel scheiterte, wurde weder von den Franken und deren Völkern noch von den Langobarden nachhaltig ge nutzt. Vielmehr entstand das slawische Reich des Samo, der seinen Einfluß auch über die Alpenslawen ausdehnen konnte und die west lichen Franken wie südlichen Langobarden zu vereinten militärischen Maßnahmen veranlaßte. Der Schwerpunkt des Samo-Reichs, das durchaus noch völkerwanderungszeitlich bestimmt war, lag im Sudetenraum; wie weit jedoch sein Erbe etwa auch in Niederöster reich, vor allem in der ,,Slavia" zwischen Melk und Pielach, fortlebte, ist fraglich und daher 22 umstritten. Das Gebiet des späteren Karantaniens muß mit dem Samo-Reich in einer, nicht näher bestimmbaren, Beziehung gestanden sein. Die Schwäche der Awaren hatten aber nicht bloß die West- und Ostalpenslawen ge nutzt, sie hatte auch die Bulgaren zum Abfall veranlaßt. Der Wiederanstieg der awarischen Macht, der als mittelawarische Epoche oder zweite awarische Stammesbildung gilt, traf zunächst die einstigen üntertanen im Osten. Zu den Jahren 631/32 wird von 9000 bulgari schen Flüchtlingen berichtet, die zu den Bay ern kamen, jedoch zum Großteil von Ihnen auf Befehl König Dagoberts I. (623-639) getötet wurden. Der Frankenkönig zog diese ebenso brutale wie auf den ersten Blick unvernünftige Lösung dem Einsatz der verhältnismäßig gro ßen Gruppe gegen die Awaren vor. Wahr scheinlich hatte sich der Merowinger längst schon gegen den Krieg und für eine bere chenbare Koexistenz mit dem Awarenreich entschieden, zumal dieses seit etwa zwei Ge nerationen feste Grenzen respektierte und somit als Gegengewicht gegen den gemein samen Feind, das gefährliche Samo-Reich, dienen konnte. Einige der Bulgaren entkamen über alpenslawisches Gebiet zu den Lango barden und fanden schließlich im fernen Be nevent eine neue Heimat. Der bulgarische Fluchtweg zeigt, daß die Alpenslawen selbst nach Samos Tod In den sechziger Jahren des siebenten Jahrhunderts nicht wieder unter awarische Botmäßigkeit zurückkehrten. Aber auch die Bayern dürften den Befehl Dagoberts - übrigens den letzten, den ihnen ein Mero winger erfolgreich erteilte -, zumindest teil weise ignoriert haben, wie etwa der Ortsname Pulgarn nordöstlich von Linz verraten könnte. Je nachdem, wann der heilige Emmeram nach Bayern und Regensburg kam, fällt auch die letzte bekannte Awarenschlacht an der Enns. Wahrscheinlich gemacht wurde jüngst die Zeit von 715, womit zugleich auch ein Datum für die sogenannte dritte awarische Herrschafts und Stammesbildung an der Donau genannt wäre. Die große Wende trat jedoch um 740, genauer zwischen dem Frühjahr 741 und dem Sommer 743, ein: Die Awaren bedrohten die Karantanen, die sich der Hilfe der Bayern ver sicherten, gemeinsam die Angreifer zurück schlugen und dabei selbst unter die Oberho heit des bayerischen Agiiolfingerherzogs ge rieten. Ungefähr drei Generationen lang blieb Karantanien ein abhängiges slawisches Fürstentum innerhalb Bayerns, und zwar zu erst des Herzogtums Odilos und Tassilos III. und danach des Reichs der Karolingerkönige. Die Öffnung Karantaniens gegenüber Bayern schuf die erste ernstzunehmende Möglichkeit einer christlichen Mission, die von Salzburg, seinem irischen Bischof Virgil und nicht zuletzt den Salzburger Romanen getragen wurde. Mit dem Sturz Tassilos III. wurden die Franken 788 wieder die Herren des Donau- und Ostal penraums. Diesmal entwickelten sie aber nicht bloß aggressive Absichten wie im sech sten Jahrhundert, sondern besaßen unter ei nem Karl den Großen auch die entsprechen den Mittel zur militärischen Expansion. Im letz ten Jahrzehnt des achten Jahrhunderts verlo ren die immer noch gefürchteten Awaren er staunlich rasch ihre politische Eigenständig keit und eine Generation später auch ihre eth nische Identität. Den gentilen Einheiten Ost mitteleuropas, die zwischen dem Baltikum und der Adria vom Karolingerreich erfaßt wurden, blieben nach der Niederringung der Sachsen und dem Sturz der Awaren bloß zwei Möglich keiten: Sie konnten sich entweder unterwerfen oder selbst Großeinheiten zu bilden versu chen. Damit kam es aber auch zum Ende der jenigen Strukturen, die sich in der Völkerwan derungszeit des Donau- und Ostalpenraums gebildet und sich hier so lange gehalten hatten. Es wirkt daher mehr als ein Zufall, daß auf dem Aachener Reichstag von 822 die Ge sandten der unterworfenen Awaren zum letz ten und die der Großmährer zum ersten Mal genannt werden. Die fränkische Expansion wurde durch den administrativ-militärischen Rückzug der Byzantiner aus Istrien und Norddalmatien zwar erleichtert, gleichzeitig jedoch durch die werdende Großstaatlichkeit der Theiß- und Donau-Bulgaren beschränkt. Au ßerdem hatte die großräumige Diplomatie Konstantinopels nichts von ihrer Wirksamkeit und Gefährlichkeit verloren. Selbst der letzte awarische Widerstand scheint nicht ohne by zantinische Unterstützung erfolgt zu sein. Den Liudewit-Aufstand, der in den Jahren von 819 bis 822 die gesamte Südostflanke des Fran kenreichs bis tief ins heutige Salzburg hinein in Brand setzte, hatte nachweisbar byzantini sches Geld finanziert. Die politisch-ethnische Gliederung unseres Raums enthält die Ordinatio imperii von 817. Hier gibt Kaiser Ludwig der Fromme seinem gleichnamigen Sohn, Ludwig dem Deutschen, folgende Einheiten als Königreich: ,,Bayern, die Karantanen, die Böhmen, die Awaren und die Slawen, die im Osten Bayerns leben." Das heißt, Ludwig der Deutsche erhält das Bayern Tassilos III. als territoriale, sein Königreich be nennende Einheit. Dazu kommt das gesamte bayerische Ostland mit halbautonomen slawi schen Völkerschaften sowie mit dem Awarenkhaghanat zwischen Savaria und Carnuntum. Die Völker tragen einerseits schon Son dernamen, andrerseits noch den allgemeinen Awaren- oder Slawennamen. Allein Bayern gilt als Land und besitzt daher einigermaßen bestimmbare Grenzen. Sie lie gen seit dem Beginn des siebenten Jahrhun derts im Osten an der voralpinen Enns und an
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