Aber wie der Morgen dir aufstieg, der Mittag dir glühte, wie der Abend versank und die Nacht dich umhüllte, dies war der Umkreis, der dein Leben enthielt, und nichts weiter. Nichts weiter? Ist es genug nicht, dies alles zu haben, das Deine genannt zu haben, das Deine nennen zu dürfen? Laß es genug sein. Bedenke und danke. Nichts weiter. In diesem Gedicht klingen schon neue Töne und eine neue Form an. Aber daneben gibt es in dem Band auch sanghafte Verse, so ... Ferne", diese Einkehr in Rom, gleichsam eine verdichtete Darstellung des alten Rom gegenüber der so ausgebreiteten und nicht minder ein dringlichen von Ferdinand Gregorovius in dessen ,,Geschichte der Stadt Rom" und „Wanderjahre in Italien", so deshalb, weil da eine Schilderung vorliegt, die nur aus der Erkenntnis, daß Heimat mehr als ein Begriff ist, kommen kann. Von ihr geht alles aus. Der denkende Mensch erfährt das aber am fremden Bild am ehesten. Erwächst in sei nem Denken am fremden Bild. So hat denn erlebte Heimat nichts mit Kleinbürgerei zu tun. Der namenlose Zwillingsbruder bei Mitringer, der kein anderer als sein ewig zweites, mahnendes Ich ist, das zu bestimm-' ten Zeiten eingreift, meldet sich in dieser Romreise. Heimat Geh die alte Straße her. Bäume noch zur Seite, Atem wird mir leicht und schwer, Heimat wird zur Weite. Weht mich die Luft an von einst, Luft der jungen Jahre, Jahr, in dem du lachst und weinst, Wein der jungen Paare. Trinkst als Alter du den Wein, schmeckt er langsam bitter, macht wohl, daß das eigne Sein bringt dich zum Erzittern. Geh die alte Straße hin, Luft von hier und ehmals. Was ich war und was ich bin, bindet heut und jemals. Das war also der Stand von 1965. Auch kleinere literarische Arbeiten waren inzwischen entstanden, ein paar Essays, auch für den Hörfunk, darunter die redaktionelle Betreuung der Reihe „Wiener Schriften" und des Almanachs der Stadt Wien ,,Lebendige Stadt". Auch an der Fest schrift der Stadt Steyr zu ihrem 1000jährigen Bestand stellte er sich mit einem gefühlvollen Essay über die Umgebung der alten Eisenstadt am Zusammenfluß der Enns und Steyr ein, mit einer Schau von der Dam bergwarte über das ganze Land Oberösterreich. Nie hat Mitringer seine Heimat vergessen, und nun, nach seiner Pensionierung als Ober senatsrat, auch mit den Titeln eines Hofrats und Professors ausge zeichnet, kehrt er wieder öfter in seinem eigentlichen Zuhause, in Steyr ein. Auch iockt es ihn, von neuem Prosa zu schreiben, er nennt sie„E/n Mann vom Lande oder Namenlose Zwillingsbrüder" und brachte sie Im Oberösterreichischen Landesverlag Ried heraus, zugleich eine festli che Gabe dieses Veriages im Jahr 1979, dem Jahr der 200jährigen Zu gehörigkeit des Innviertels zu Österreich. Mit dieser Prosa bewies Mitringer wieder, daß er in den Jahrzehnten in Wien kein anderer geworden ist, als er er zuvor war - ein Oberösterrei cher, gewillt auch, es zu bleiben. ,,Ein Mann vom Lande oder Namenslose Zwillinge" ist in achtzehn knappe Kapitel geteilt. Wenn hier keines von den oberösterreichischen — im Grunde ist diese Prosa ja die Entwicklungsgeschichte des Dichters - zur Wiedergabe ausgesucht wurde, sondern das eine,,,Fahrt in die . . . Könnte es aber sein, daß ich diesem immer wieder mahnenden Bruder ein wenig zu Gefallen wäre, wenn ich versuche, einen Lebenskreis fernab meines Heimatlandes aufzuzeichnen, eine Dar stellung, in der er sich vielleicht mehr als ich mich selbst, den im Tag Lebenden, wiederfindet? . . . Schilt mein Bruder und nennt mich schon bei meinem Vorhaben eingebildet? Er lasse mich doch gewäh ren, ich wiU es ihm doch rechtmachen, indem ich von meinem - wahrscheinlich schreit er, es ist ihm ein gestohlenes - Bestreben be richte, zu erkennen, wie sich diese „Ewige Stadt" als Zeugnis dau ernder schöpferischer Kraft in so vielen Ausbildungen bekundet, in welcher Aura sie lebt. So viele Bücher sind aus ihrem Kulturhintergrund geschrieben und so viele Bildbücher aus ihm gestaltet worden; welches kann für sich be anspruchen, diese große Stadt auch nur halben Weges auszuschöp fen? Wie kann ich also wagen, in ein paar Lichtern auch nur einen Hauch von Atmosphäre jener dauernden Stadt einzufangen? Und doch will ich durch die Zeichnung meines Streifzuges durch jene al ten und neuen Mauern versuchen, anzugeben, welche Mahnmale vorangegangener Kulturen und jener ewigen Landschaft mir von je nem Kulturhorizont eine Ahnung gaben. Als ich nach Rom kam - der Abend fiel gerade wie ein dunkles Tuch über die Zyklopenformen der Wohnblöcke, welche die Einfahrtslinie säumen -, fing ein sanfter und südlich weicher Regen Landschaft und so auch die Bahntrasse zu besprühen an. So ghtt mir vor dem sehr langsam rollenden Zug vor dunklen Steinen ein heller, wie ein Laibchen Brot geformter Stein umso deutlicher in mein Blickfeld und löste die Überlegung aus: wird mir diese Stadt nur scheinbar oder wahrhaftig fruchtbares Brot schenken? Was ich dann in sechs Tagen sah, bedeutete wenigstens subjektiv für mich wirklich Brot, in schönster Form dargereicht. Ich zähle nun nicht in einer langweiligen Reihenfolge das Erschaute auf, sondern ordne es so, wie es mir farbig und füllig im Sinpe liegt. Nachdem du am prallen Nachmittag das protzige Denkmal des ,, Va ters des Vaterlandes" unbehaglich verlassen hast, bist du schon ge gen Abend auf dem von Michelangelo neuentworfenen Kapitolsplatz mit den drei Palästen gestanden, dort, wo einst die Senatoren ihre Be schlüsse faßten: Wundersamkeit architektonischer Gestaltung aus dem 16. Jahrhundert, wie du die gleiche Liebe nach Strenge und Maß im Forum Romanum schaust, auf das du niederblickst. Vor dir die drei berühmten Säulen noch des Castor-und PoUuxtempels, nicht weit davon die Reste des Vestatempels, unmittelbar vor deinen Au gen der Triumphbogen des Septimius, ihn überhöhend aus dem Hin tergrund der Titusbogen und als graue dräuende Wand vorerst nur das Kolosseum. Gehst du aber das Kapitol die andere Seite hinab, kommst du an den Kaiserforen, vor allem dem des Caesar vorüber und denkst des eigenwilligen Mannes, dessen wiUensharten Kopf du als Skulptur im Vatikanmuseum sehen wirst, dann kommst du zu diesem Kolosseum in seiner Ruinenhaftigkeit, das noch immer groß artiger ist als jedes Stadion der Neuzeit, und noch daneben der Kon-
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2