Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

Denkmalpflege Bewahrerin im Dienste eines großen kulturellen Erbes Biographische Anmerkungen zum Lebenswerk der Textiikonservatorin und -restauratorin Prof. Clara Hahmann In Kaschau, der wohlgeordneten und anmuti gen Hauptstadt des damaligen ungarischen Komitats Abauj-Torna, und somit als Groß österreicherin der Monarchie wurde Professor Clara Hahmann, heute die wohl erfahrenste Textiikonservatorin und -restauratorin Ober österreichs mit zweiter Heimat in Linz, gebo ren. Das Städtchen Kaschau, südlich der Hohen Tatra am Hernad-Fiuß in der heutigen Südsiowakei gelegen, zählt für junge Österreicher unserer Tage leider schon wieder zu den Er fahrungslöchern und weißen Flecken auf der Landkarte. Dabei liegt es höchstens 450 Kilo meter in südöstlicher Richtung von Wien ent fernt und war 1911, im Geburtsjahr von Clara Hahmann, noch ganz in den Großraum von Wien - Budapest eingeordnet, was sich auch im gesellschaftlichen Leben der damals etwa 41.000 Köpfe zählenden Einwohnerschaft wi derspiegelte. Die Kaschauer Altstadt zeigte außerdem architektonische Muster, die noch bis in die deutschen Siedlerzeiten des Mittelal ters zurückverwiesen. Die Nationalitätenmischung war bunt aus Un garn, Deutschen, Slowaken und Juden zu sammengesetzt. Auf der Hauptstraße im Kern der Stadt flanierte man tagtäglich am Abend hin und her, hielt Korso ab. Mit diesem Korso, der sich bis tief in die Zwischenkriegszeit hin ein hielt, endete ,,eine Art zu leben, ein lange Zeit zuvor über alle Veränderungen hinaus ge rettetes Stück Österreich-Ungarn zwischen Triest oder Verona oder Mailand und dem fer nen Städtchen", das zwar das von Josef Mühlberger mit gerade diesen Worten ge schilderte Trautenau am Riesengebirge war, aber gleichfalls und genau sogut Kaschau hätte sein können. Clara Hahmann ist eine der letzten Augen zeuginnen einer österreichisch-deutsch gesit teten und sprechenden, dabei erbmäßig un gemein bunt und schillernd zusammengesetz ten Abschiedskultur der alten Donaumonar chie. Ihr angeheirateter Name, den sie auch als Künstlerin beibehält, ist mit ein Zeichen je nes deutschen Ferments, das letzthin dafür verantwortlich ist, daß sie selbst und ihr Mann über Deutschland den Flüchtiingsweg zwar zurück in ein kieingeschrumpftes Österreich, aber nie mehr wieder heim in die Elternstadt gefunden haben. Die dieser Weit an der Grenze und zugleich mitten im Herzen Europas entstammende Clara Hahmann hat bisher unter sechs ver schiedenen staatlichen oder nationalen Ob rigkeiten gelebt: in der ungarischen Reichs hälfte der Monarchie, in der Ersten Tschechi schen Republik, unter dem ungarischen Horthy-Regime, im kurzlebigen Großdeutschen Reich, in der späteren Bundesrepublik Deutschland und schließlich, bis zum heutiPeter Kraft gem Tag, im Österreich der Zweiten Republik. Die Eitern Clara Hahmanns verkörperten bür gerlichen Mittelstand, der Vater war Beamter der einstigen Kaschau-Oderberger Privat bahn, die später verstaatlicht wurde. Er ließ seine Tochter zugleich mit der Absolvierung von Mittel- und Handelsschule an der Kunst schule des akademischen Malers und Graphi kers Eugen Krön ausbilden. Von dort öffnete sich der Weg nach Wien, Clara Hahmann be suchte in den Jahren 1928 bis 1932 die Wiener Kunstgewerbeschuie und die damalige Frau enakademie unter den Professoren Kitt, Mar tin und Cizek. Ebenso war sie Absolventin der Kunstgewerbeschuie Emmy Zweybrück-Prochaska in Wien und legte ein Praktikum im Atelier Feila Jakobson ab. Gleichfalls in Wien bot ihr die Mode- und Schnittzeichenschuie Schack weitere Ausbiidungsmögiichkeiten. 1932 kehrte die junge Clara Hahmann nach Kaschau zurück und widmete sich einer frei schaffenden Tätigkeit für angewandte Kunst und Kunstgewerbe. Ebenso erteilte sie Kin dern zwischen acht und zwölf Jahren privaten Zeichenunterricht. Ab 1938 fand die bereits als Textilentwerferin und -designerin (wie wir heute sagen würden) profilierte junge Künstle rin eine feste Anstellung und konnte sich den noch ihre freiberuflichen Ambitionen erhalten. Betrachtet man die frühen Werklisten und Ausstellungsdaten, so fällt auf, daß bereits die Achtzehnjährige 1929 an einer Aussteilung der im österreichischen Werkbund vertrete nen Schule Zweybrück-Prochaska mit Ent würfen für Stoffdrucke beteiligt war. Diese Schau wanderte bis nach Chicago. 1932 beteiligte sich Clara Hahmann weiters an einer Gruppenaussteilung des Deutsch-Mäh rischen Kunstvereins in Brünn. Sie war, da mals erst einundzwanzigjährig, bereits Mit glied dieser Gruppe. 1934 folgte eine weitere Gemeinschaftsausstellung mit Kaschauer Künstlern, wobei Clara Hahmann sowohl Ent würfe für Stoffdrucke (Dekorationsstoffe), als auch fertige Arbeiten nach eigenen Entwürfen zeigte. Die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges sind zunächst gekennzeichnet durch die Ehe schließung mit dem Kaschauer, nach Wien zuständigen Diplomingenieur Ötto Hahmann, sodann aber, während des Fronteinsatzes ih res Mannes, durch weiteren Aufenthalt in Ka schau bis zum Verlassen der Stadt 1944 und ein an Arno Schmidts Erzählung,,Die Umsied ler" gemahnendes Evakuiertenschicksal: Auf Anordnung der deutschen Behörden hatte Clara Hahmann Kaschau verlassen müssen, ehe sie nach Berlin-Brandenburg kam, wo sie auch der Zusammenbruch des Krieges ereilte. Es kam dort jedoch auch zur Wiedervereini gung der Eheleute und der gemeinsame Weg führte beide zunächst nach Norddeutschland, Schleswig-Holstein, 1946 aber, allerdings nur für kurze Zeit, ins Innviertei. In Linz wurde Clara Hahmann, gleichfalls bereits 1946, Mit glied der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Landesgruppe Ober österreich. Seit der frühen Nachkriegszeit arbeitet Clara Hahmann als Konservatorin und Restaurato rin von Textilien, aber auch am Aufbau ein schlägiger Ausstellungen am Oberösterrei chischen Landesmuseum und Linzer Stadt museum mit. Von 1968 bis 1973 erhielt sie ei nen Arbeitsvertrag im Stadtmuseum von Haliein. Aufgrund zeitlicher und wirtschaftlicher Zwänge entwickelte sich das kustodische Element in Clara Hahmann nach 1945 am kräftigsten weiter. Werdegang, Reifung und schließlich erreichte Leistungshöhe der Textii konservatorin bzw. -restauratorin machen in Oberösterreich mit einer künstlerisch inspirier ten, dabei wissenschaftlich exakt vorgehen den Kostümhistorikerin vertraut. Die Ausstellungsbilanz zeigt lakonisch zu nächst die entscheidende Mitarbeit an der großen Wanderausstellung des Linzer Stadt museums ,,Figurinen nach alten Schnittmu sterbüchern" an. Ab 1968 erreichte diese Schau, von der Neuen Galerie der Stadt Linz ausgehend, in fünf weiteren Stationen Karls ruhe, Graz, Dortmund, Oldenburg, Innsbruck und kam schließlich noch in die niederöster reichische Landesmuseums-Dependance Riegersburg. 1970 stand Clara Hahmann, die damals schon längere Zeit Mitglied der deutschen Gesell schaft für historische Waffen- und Kostüm kunde war, als Hauptakteurin und -gestaiterin im Mittelpunkt der gleichfalls vom Stadtmu seum Nordico organisierten Schau ,,Fahnen und Textilien" (Restaurierungs- und Konser vierungsarbeiten von ihrer Hand). Die beiden gerade zitierten Ausstellungen wa ren übrigens mit eindrucksvollen Katalogwer ken und wissenschaftlichen Begleitaufsätzen ausgestattet. 1972 richtete Clara Hahmann die umfangrei che finanzgeschichtiiche Sammlung für das Finanzamt Linz-Urfahr in der Kaarstraße ein. 1973 nahm die längst in Linz eingebürgerte Künstlerin an einer 50-Jahr-Aussteliung der Innviertier Künstiergilde teil. Diese Vereini gung hatte sie 1971 in ihre Reihen aufgenom men. In der Zeit von 1968 bis 1974 erfolgten wichtige konservatorische Arbeiten für das Halieiner und Rieder Stadtmuseum, gipfelnd in den Wiederherstellungsprozessen einer Fahne des Halieiner Bürgercorps und der ,,Stille-Nacht-Heilige-Nacht"-Krippe aus Oberndorf. Das Jahr 1974 steht als Leistungsanzeiger für die Einrichtung des revitalisierten Stadtmu-

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