Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

Volkskunst aus Oberösterreich Entstehung und Wesen einer regionalen Sammlung innerhalb des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien Franz J. Grieshofer Beim Rundgang durch die,,Möbelstuben" des österreichischen Museums für Volkskunde in Wien gelangt der Besucher im Gartenpalais Schönborn auch in die Räume Oberösterreich und Salzkammergut. Wie in einer „hohen" Stube des Traunvierteis findet er hier das rei che und primär zur Repräsentation bestimmte Ausstattungsgut einer Bäuerin zusammenge stellt: das prachtvolle Hochzeitsbett von 1781 mit dem Sonntagberger Gnadenstuhl am Kopfaufsatz und der lebendigen Darstellung einer Hochzeitstafel am Fußende, den mit ei nem imaginären Gedeck bemalten Tisch, der wohl die immerwährende Gastfreundschaft ausdrücken soll, die bemalten Brettstühle mit den interessanten Selbstdarstellungen der Besitzer in der Tracht des 17. und 18. Jahr hunderts, dazu das Spinnrad und eine Wand uhr, deren Zifferblatt mit den Symbolen der vier Jahreszeiten und mit der für Oberöster reich typischen Darstellung des auf dem Kreuz liegenden Jesuskindes geschmückt ist. Diese Motive weisen auf die enge Beziehung zur Möbelmalerei hin, die denselben Formen schatz verwendet. Zur Bestätigung hängt gleich neben der Uhr eine Kastentürfüllung mit dem liegenden Jesuskind und im Vorraum des Obergeschosses steht der eindrucksvolle Jah reszeitenschrank mit den Tierkreiszeichen aus der ,,Lambacher Werkstätte" von 1791. Enge Verwandtschaft dazu lassen die drei Ka sten aus den Jahren 1804 und 1805 erkennen, die sich in der ,,hohen" Stube befinden und Bildnisse der Dreifaltigkeit vom Sonntagberg, der Evangelisten und der ,,heiligen Madeln" Barbara, Katharina, Margarete und Rosalia zeigen. Dieses ,,heilige" Programm, zu dem noch, wie die dazugehörige Truhe beweist, die ,,Maria-Hilf"-Bilder von der Passauer Gra nach-Madonna zählen, und die Art der Aus führung lassen unschwer die gemeinsame Werkstätte erkennen. Hatte man zunächst all gemein von ,,Gunskirchner Möbeln" gespro chen, so können seit den Forschungen von Rudoif Moser die ,,Tischier in Aigen", Urban Huemer (1757-1790) und sein Sohn Andreas (1790-1819) aus Offenhausen, als Hersteller dieser originell bemalten Möbel namhaft ge macht werden. Als Markenzeichen für die Mö bel aus dem Raum des östlichen Hausruck viertels sind auch die vielen Soldaten, Grena diere und Panduren-Reiter anzusehen. Für sie dienten wohl die zahlreichen Stiche als Vorlage, die man auf die Linzer und Florianer ,,Reiter-Truhen und -Kästen" gleich direkt aufklebte und kolorierte. Lange Zeit mußte der reiche Bestand an ober österreichischen Möbein dem Besucher we gen mangelnder Ausstellungsfläche entzogen werden. Mit der Errichtung einer ständigen Außenstelle auf Schloß Gobelsburg bei Langenlois in Niederösterreich konnte jedoch Ab hilfe geschaffen werden. Beginnend mit einer ,,gotischen" Spreißltruhe aus Eferding von 1726, einem Viechtauer Kasten, über Lamba cher-, Kronstorfer- und Hirschbacher Möbel, bis hin zu dem Kasten, dessen Türfelder die Bilder von Kaiser Josef II. und König Friedrich von Preußen schmücken, die mit dem Frieden von Teschen den Anschluß des Innviertels an Osterreich besiegelten, findet man das ge samte Spektrum an oberösterreichischem Mobiliar im Museum vertreten. Erst jüngst konnte die Sammlung durch Widmung um ein Ensemble von ,,gelben" Möbeln aus Linzer Besitz bereichert werden, das aus dem oberen Mühlviertel stammen dürfte. Auch für den großen Bestand an altösterrei chischer Majolika ergab sich im Schloßmu seum Gobelsburg eine adäquate Ausstel lungsmöglichkeit. Die Gmundner Keramik mit den zahlreichen Godenschalen, Schüsseln, Krügen, Weihbrunnkesseln und Tintenbehäl tern nimmt dabei eine vorrangige Stellung ein. Eine erlesene Auswahl wird auch in Wien ge zeigt. Hier findet man die typischen braungla sierten Zwiebelschüsseln aus dem Traunviertel und zwei Alphabetschüsseln aus den Jah ren 1691 und 1721, über die Leopold Schmidt in der Festschrift für Franz 0. Lipp berichtete. Herausragendstes Zeugnis der handwerkli chen Fertigkeit der Hafner und Ofensetzer bil det jedoch die sogenannte,,Ofenbäuerin" aus Münzbach bei Perg, die den OberösterreichRaum beherrscht. Die anthropomorphe Nachbildung einer gestandenen Bäuerin aus dem Machland in der naturgetreuen Wieder gabe der Trächt um 1760, die einen geflochte nen Obstkorb auf dem Kopf trägt, stellt eine vielbestaunte Attraktion des Osterreichischen Museums für Volkskunde in Wien dar. Neben den bemalten Möbeln und der Kera mik, die einen Hauptteil der OberösterreichSammlung ausmachen, zählen die Glas erzeugnisse zu einem Spezifikum des Landes ob der Enns. In der Glasausstellung auf Schloß Gobelsburg findet man deshalb auch oberösterreichisches Hohlglas mit Emailfarbenbemalung. Alfred Walcher Ritter von Molthein gelang es, die Herkunft der eckigen Branntweinflaschen mit dem Schraubver schluß aus einer Manufaktur in Freudenthal nahe bei Frankenmarkt im Attergau zu eru ieren, worüber er in den ,,Werken der Volks kunst", die vom Osterreichischen Museum für Volkskunde herausgegeben wurden, berich tete. In der Laudongasse sind die gläsernen Zeugnisse des 18. Jahrhunderts der Abteilung Liebe - Hochzeit - Ehe zugeordnet, um ihren einstigen Stellenwert im Volksleben zu unter streichen. Nebenbei sieht man in Vitrinen die mit Brandmalerei verzierten Brautschaffel, kerbschnittverzierte Haubenständer, Span schachteln und gedrechselte ,,Krösenbüchsen". Hier fehien natürlich auch nicht die Viechtauer ,,Liebesgaben": die schwarzgold lackierten Löffel, die in entsprechenden hübsch bemalten Remen stecken, gedrech selte Schüsseln und Keramikkrüge, die eben falls eine goldene Verzierung auf schwarzem Grund tragen. Oberösterreichische Volkskunst eröffnet sich dem interessierten Besucher im Wiener Volkskundemuseum demnach unter drei Ge sichtspunkten: unter einem kuiturräumlichen in den ,,Möbelstuben", unter einem funktiona len in den Abteilungen Religiöse Voikskunst, Schauspielwesen, Musik, Zunftwesen oder unter einem nach Sachgruppen zu ordnenden Aspekt in der Modelsammlung, bei der Kera mik, den Möbeln, dem Spielzeug, den Texti lien usw. Wichtige Gruppen sind freilich nur mit wenigen Objekten in der ständigen Ausstel lung vertreten. Von der reichen Sammlung an Hinterglasbildern aus Sandl, zu denen das Museum auch die entsprechenden Risse be sitzt, befindet sich ein großer Teil im Depot. Die Trachten und Textilien sind nur mit bildli chen Zeugnissen und mit Goldhauben vertre ten, obwohl auch hier wertvolle alte Stücke vorhanden sind. Es kann nicht in der Absicht des Museums liegen, sämtliche Objekte zei gen zu wollen, sondern es sollen an Hand ei ner durchdachten Auswahl innerhalb eines gesamtösterreichischen Museums die Schwerpunkte und Zentren oberösterreichi scher Volkskunst, ihr Stellenwert in der Volks kultur und ihre Bestimmungsmerkmale veran schaulicht werden. Wenn das alles heute geradezu selbstver ständlich, in seinen Zusammenhängen ge ordnet und mit Schautafeln übersichtlich dargestelit ist, so darf, wie Leopold Schmidt in seinem Buch über das Werden und Wesen des Osterreichischen Museums für Volks kunde schreibt, nicht vergessen werden, daß die Zeugnisse der Volkskunst im 19. Jahrhun dert noch völlig unbeachtet waren. Selbst die begriffliche Klammer fehlte. Erst als die Kunstgewerbebewegung die tradi tionsgebundenen Handfertigkeiten der ländli chen Bevöikerung sozusagen für sich zu ent decken begann, wurde auch eine breite Öf fentlichkeit auf diese Erzeugnisse aufmerk sam. Die einfachen, material- und funktions gerechten Formen regten zur Nachahmung an und boten den Ansatzpunkt für eine Erneue rung der gewerblichen Kunst. Auch die zu nehmende Maschinenfertigung führte zu einer wachsenden Wertschätzung der Handarbeit. Die Mechanisierung und Industrialisierung drohte die handgefertigten Produkte in den Hintergrund zu drängen und damit vielen hausgewerblichen Betrieben den bitter benö tigten Nebenverdienst zu entziehen. Um die Abwanderung aus wirtschaftlich schwachen

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