Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

Der „Gimpelmaler'' Peter Brunner (1743 bis 1811) zugleich ein Beitrag zur 200. Wiederkehr des Toieranzpatentes von 1781 Franz C. Lipp Jedem Liebhaber und Sammler oberösterrei chischer Bauernmöbel wird bald jene ausge prägte und unverwechselbare Gruppe von Möbeln in der Erinnerung haften bleiben, die immer wieder im unteren Traunviertel zwi schen Bad Hall und Steyr auftreten, aber längst diesen Radius ihrer dichtesten Verbrei tung überschritten haben, so daß sie ohne weiteres auch noch zwischen Linz und Enns auftauchen. Diesen Möbeln eignet eine deutli che Vorliebe für ein leuchtendes Rot. Auch die konstruktiven Teile der Schränke und Truhen auf den Vorder- und Seitenwänden sind stets rotbraun-graurosa schraffiert. Stereotyp sind auch die rotweißen Tulpen, die zu ,,Maikrü gen", mit anderen rotweißen Blumen vereinigt, gegen einen himmelblauen Grund gesetzt sind. Bei Schränken tritt dieses Motiv, einfa cher oder reicher gestaltet, in den zwei oder vier,,Füllungen" auf, je nachdem ob es sich um einen ein- oder zweitürigen Kasten han delt. Der Zwischenraum zwischen den Haupt feldern wird fast immer zu einer Darstellung des auf dem Kreuze liegenden Jesuskindieins (,,Hier lieg Ich wie ein Kind, bis ich erwach' und straf die Sünd'") oder des auf dem Sterbebett liegenden Helligen Franz Xaver genützt. Auf Betten oder anderen großflächigen Möbeln, auch auf der Rückwand von Schlitten, hat der Gimpelmaler mit Vorliebe figurale Szenen ge setzt, die unverkennbar auf den gleichen Ur heber schließen lassen. Es sind mehrstöckige Häuser mit einer Vielzahl von Fenstern, bäuerliche Menschen, diese gerne mit Stock und Pfeife, und ein Jäger mit Hund, der auf ei nen Hirschen schießt; dazwischen, je nach verfügbarer Fläche, ein oder mehrere Laub bäume, auf denen In der Regel ein roter Gim pel und ein graues Gimpelweibchen sitzen, Oft Ist noch zusätzlich ein Taubenpaar aufgemalt. Statt des Gimpels kann auch ein anderer roter Vogel, z. B. ein Papagei, der mitunter eher ei nem Kreuzschnabel ähnlich sieht, in Erschei nung treten. Man wird nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß ,,P. B.", wie der Maier obgenannter Motive In der Regel zu signieren pflegte, in seinem Leben weder einen Hir schen noch einen Papagel gesehen hat. Auf naturalistische Wiedergabe kam es ihm ja auch nicht an, für ihn galt der Gimpel, Papagel oder Kreuzschnabel als Träger eines roten Federkleides, der ,,Hirsch" als Zielscheibe des Jägers, der eine edle Beute erlegt, die Häuser waren ihm Sinnbild eines höheren und kaum erreichbaren Lebens, das Jesuskind auf dem Kreuz und Franz Xaver auf dem Toten bett erinnerten den Maler an die Vergänglich keit des Lebens. Alles, was er malte, ist Sym bol und spricht in seiner freundlich-naiven Sprache den Menschen auch heute noch un mittelbar an. Das ungemein häufige Auftreten von Möbeln mit so eindeutigen Stiieigentümiichkeiten, von denen noch nicht einmal alle aufgezählt sind, die häufig aufscheinende Signatur und nicht zuletzt die hohe volkskünstlerische Qualität haben die Frage nach dem bislang noch im mer unbekannten Monogrammisten P. B. zu einem heißen Problem der oberösterreichi schen Möbelforschung werden lassen. Natürlich konnte man das Verbreitungsgebiet dieser Möbel trotz meist sekundärer Lagerung dieser vom Antiquitätenhandel schon seit mehr als einem Jahrhundert heißbegehrten ,,Ware" etwa mit dem Begriff, ,,Unteres Traunviertel" abgrenzen. Es kristallisierte sich auch die Südzone dieses Gebietes als ver mutlicher Sitz der Werkstätte bereits seit län gerem heraus. Schon im Katalog der ersten Sonderausstellung oö. BauernmöbeM wird er im Raum Neuhofen/Krems vermutet. Einen konkreteren Hinweis gab dem Autor im Spät herbst 1978 anläßlich einer Führung durch die Bauernmöbelschau im Freilichtmuseum St. Florian-Samesleiten ein alter Bauer, der spon tan bemerkte: ,,lch kenn' die Werkstatt von dem Gimpelmaler ganz genau, sie ist in der Nähe von Neuhofen." Als der Schreiber dieser Zeilen nach Beendigung der stark besuchten Führung von dem Übermittler dieser wertvol len Aussage Näheres in Erfahrung bringen wollte, war er bereits verschwunden. Aber der Funke zündete und schon einige Tage darauf durchstöberte ich im 00. Landesarchiv, hil freich beraten durch die Archivarin Frau. M. Pertiwieser, die einschlägigen Kataster, Handwerkerverzeichnisse und Nachiaßprotokolle der Herrschaften des gesamten Raumes nördlich der Linie Steyr - Lambach, leider zu nächst vergeblich. Keiner der gar nicht so we nigen PB-Namen paßte zeitlich und räumlich auf den Inhaber der fruchtbaren Gimpelwerk stätte. Schließlich fand sich im Archiv unter Hs 66 No 10.994 aus dem Jahre 1806 ein Pruner Peter, Tischlermeister zu Theinstetten, der bit tet ,,recurrendo 1. den Bescheid des Kreisam tes einzuheben und jenen der Obrigkeit Piberbach in Hinsicht der ihm verliehenen Tischler gerechtigkeit zu bestätigen und 2. dem Bitt steller kein Hinderniß in der Ausübung seines Gewerbes in Weege zu legen bis dieser Ge genstand von dieser hohen Stelle entschieden sein wird." Dieser Protokollantrag führte auf die richtige Spur. Vielleicht wählte nur der Pflegamtsschreiber ein hartes P. für ein gebräuchliches B.? Tatsächlich weist für das Jahr 1825 der Franzisceische Kataster einen ßrunner Pe ter, Tischler in Hilbern, aus. Unter ,,Theinstätten" fand sich dann auch im Josephinischen Lagebuch (1788) ein,,Peter Bruner am Petern Häusel zu Brunn, Haus N° 52, Herrschaft Piberbach". Es konnte sich um einen Peter Brunner (oder dessen Vater?) handein, der noch 1825 auf diesem Häusel saß und der 1806 um die Gewerbeberechtigung als Tisch ler nachgesucht hatte. Da 1788 kein Beruf (wahrscheinlich mangels dieser Gewerbebe rechtigung) angegeben, die Landwirtschaft aber so gering war, daß man davon nicht leben konnte, ist die Ausübung einer Lohnarbeit oder eines Handwerks anzunehmen. Aber war Peter Brunner aus Hilbern tatsächlich der Gimpelmaler? Diese Frage konnte bei eini gem Glück und unter günstigen Umständen nur ein Lokaiaugenschein beantworten. Am 13. Dezember 1978, für Brauchtumskun dige als Lucientag und große Rauhnacht von besonderer Bedeutung, war es soweit. Ein Dezembertag mit Resten ersten Neu schnees, den der Föhn an diesem fast früh linghaften Morgen, der eine herrliche Sicht auf die Alpenkette darbot, schon fast weggefres sen hatte. Der freundliche Amtsleiter von Schiediberg, einer Landgemeinde zwischen Neuhofen und Sierning, zeigte mir selber den Weg nach der Ortschaft Brunn in Hilbern, wo das ,,Häusl an der Straßen" auch ,,Petern"- oder ,,Brunnerhäusl" genannt, bis auf das durch eine Hartdeckung ersetzte Strohdach, unverändert angetroffen wurde. Nur die alte Konskriptionsnummer Thainstetten 52, an der Außenseite des Hauses in ein Herz gemalt, wurde schon vor vielen Jahren bei der Einfüh rung einer neuen Grundbuchsordnung in ,,Hil bern 90" abgeändert. Und da standen sie auch, die gesuchten Buchstaben P. B. über der Jahreszahl 1794 in das schwungvolle Herz hineingemalt. Ich wurde in dem Haus, einem kleinen, eingeschossigen Hackenhof, von den beiden Inwohnerinnen, Mutter und Tochter, die den Familiennamen Brunner tragen, wie ein schon lange erwarteter Bekannter aufge nommen und durfte mich umsehen. Der erste Weg führte in die alte Werkstätte, In der noch die Hobelbank steht, die der Vater, Großvater und vielleicht noch ältere Ahnen benützt hat ten, abgearbeitet genug ist sie. Alle Brunner waren Tischler, auch der nun 48jährige Sohn, Friedrich Hermann, ist Tischler, nur ist Ihm die Werkstätte längst zu klein geworden, er hat gebaut und übt sein Gewerbe ebenfalls in Hil bern in etwas günstigerer Verkehrslage aus. In einer Kammer nebenan befinden sich noch verschiedene alte wurmbefallene Werkzeuge, so Zwingen und Hobel, die leicht 200 Jahre alt sein könnten. Die größte Überraschung stand aber noch bevor: In der Schlafkammer der Haustochter, die das kleine Anwesen bewirt schaftet, leuchtete mir aus dem Halbdunkel des Dezembertages die Tür eines Wandkäst chens entgegen und darauf gemalt, zwischen dem bekannten vielfensterigen Hochhaus und dem Zwiebelturm, groß und rotbrüstig aufge bäumt, der Märchenvogel, diesesmal ein wirk lich gelungener Papagei und auch alles an-

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