Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

stantinsbogen, weiterhin römische Baugesinnung für den ersten christlichen Kaiser zeigend. Manche Gassen hindurch zum Pantheon mit dem späteren Grabmal Raphael Santis, jenem ältesten aus dem Altertum erhaltenen Bauwerk mit den riesenhaften klobigen Säulen, an die du dich wieder erinnerst, wenn du die Kolonnaden des Bernini zum Petersdom durchschreitest. Unendlich scheinende Treppen immer hinan zu dieser Burg des christlichen Gottes, in ihm die mar morweiße Lyrik der Pieta Michelangelos - und hast auch schon inzwi schen die Riesenhaftigkeit der Dämonie und das dräuende Auge sei nes Moses in der Chiesa San Pietro in Vincoli gesehen -, und dann schreitest du unter dem Goldgespinst dieser himmelhohen Decke un ter die Kuppel dieses selben Michelangelo und glaubst, in die Unend lichkeit eines noch einmal überhöhten Himmels zu schauen. Und wieder über die Treppen herab und an den zwei riesigen Brunnen dieses Platzes vorbei, auf dem die Pilger weißer, schwarzer und gel ber Hautfarbe aus allen Kontinenten dieses Erdkreises stehen und hinaufbücken zu jenem am Tage geöffneten, in der Nacht aus dem Dunkel leuchtender Fenster des Vatikan, an dem die weiße Gestalt in ihrer Himmel und Erde zusammenschließenden Gebärde Ziel ihrer Wanderung ist. Dann weiter zu dem vielleicht in seinen gewaltigen Unmaßen größten Brunnen der Welt, dem Trevibrunnen, hinüber zu einem neuerlichen maßlosen Treppenaufbau, der Spanischen Trep pe; wieder ein Brunnen an ihrem Grunde, wie du schon an so vielen gewaltigen und lieblicheren Brunnen vorbeigekommen bist, wie ihrer vor der Hitze so oft abgeschirmten Luft. Aber du hast ja von der Kunst noch nicht genug: in die nicht endenwollenden Gänge der Vatikani schen Museen hinein, in die Sammlung der Skulpturen mit dem Ori ginal des Laokoon und dem dauernden Zeugnis von abertausend Bil dern des menschlichen Körpers und seiner unsterblichen Erhaltung in Stein und Metall. Und dann in die Sixtinische Kapelle: Wanderer durch Rom, was wird dich mehr erschüttern als die Fresken jenes als Baumeister und Bildhauer dir schon so ans Herz gesunkenen Michel angelo, der mit dir seiner wuchtigen Handschrift seinen Traum vom Menschen ins Gemüt schreibt und dir rrüt seinem ,,Jüngsten Ge richt", das von der Stirnwand auf dich herniederzielt, einen Mahnruf voll Ungeheuerlichkeit entgegentönt. Dann ist auch ein Sonntag innerhalb deiner sechs Tage, und du wirst nicht an den jahrtausendalten, alle Bauphasen der Kunstgeschichte innehabenden Basiliken von Johann im Lateran und Maria Maggiore vorbeigehen, du wirst die Thermen des CaracaUa, die damaligen Großstadtbäder, nicht verabsäumen zu sehen und dann hinausfah ren auf der Via Appia Antica, dieser ungeheuren Einfalls- und AusfaUsstraße mit ihren ebenso alten Wasserleitungen. Dann bist du auch schon bei den Katakomben und steigst hinunter zu jenen Gräbern des Sebastian und des Calixtus und siehst auch noch in einem Sarkophag etwas liegen wie einen hingelegten Sack und obendrauf ein Büschel Haare wie eine Perücke - und dies war vor zweitausend Jahren ein Mensch. Dann steigst du wieder hinauf in die vor Sonnenglut stUlstehende Luft xmd schaust hinein in die fruchtbare Campagna, seit Jahr tausenden gleich lebendig und früchteschwer, und weit draußen, kaum ahnbar, vor dem silbrig blauen Azur, die etwas violett dun kelnden Albanerberge. Und dort hinüber und über sie hinweg und du bist in den Bergen des Tivoli mit den - und in dieser Stadt und ihrer Umgebung ist eben alles ins Riesenhafte gesteigert - riesenhaften Wasserabstürzen, und du steigst in die großartig-idyllische ViUa d'Este hernieder und findest dich inmitten reizvollster Wasserspiele, die dir in dem schillernden Sonnenlicht Regenbogen um Regenbogen vor die Faune und Nymphen wie bunte Schleier ziehen. Aber der Tag ist nicht ausgeschöpft, und du mußt zum Abend nach Trastevere, diesem Stadtteil ,,jenseits des Tiber". Du hast noch gerade so viel Licht, daß du die Goldmosaiken aus dem zwölften Jahrhundert an der Stirnwand von Santa Maria in Trastevere wahrnimmst, und die Schatten lassen das viele Gold im Kircheninnern noch nicht weniger leuchten. Aber im kühlen Wind des Abends erinnerst du dich des Meeres, das nicht allzuweit vor den Toren der Stadt gegen die Ufer schlägt, und ein anderer später Nachmittag bringt dich auch an sein Gestade, zu diesem Ostia, diesem Lido von Rom, diesem Gesund brunnen der Großstadt, an dessen Strand sich von Horizont zu Hori zont die Reihe der Badepavillons spannt. Aber von den Parks und Gärten habe ich noch nicht geschwärmt, und ich nerme nur einen, je nen, der die Villa Borghese großräumig umschließt und in dem Goe thes Denkmal steht. Dies ungefähr und noch viel rasche und kleine Blicke in eine Haupt straße oder ein enges Nebengäßchen, in einen Kaufladen oder eine Gaststätte, auf Palmen, Pinien, Myrten oder ölhaine, immer wieder auf Statuen und Erinnerungssäulen, immer wieder hinab auf Jahrtau sende und Jahrhunderte, zuletzt doch dahin kommend und so viel gesehen habend, was Sokrates mit dem Satze recht eigentlich meint: Ich weiß, daß ich nichts weiß! - Ich sagte eingangs dieser Streiflichter, daß es einen sanften Regen gab, der meine Einfahrtslinie besprühte und mir derart einen beson ders geformten hellen Stein als ein Laibchen Brot erscheinen ließ. Diesem leisen Regen folgten grelle Blitze und harte Donner, erst dann kamen ihnen sechs Tage strahlend blauen Himmels nach. Als ich von Rom wegfuhr, regnete es wieder, und meine Ausfahrt begleiteten grelle Blitze und harte Donner, Der Zug fuhr rasch davon, und so hatte ich nicht Gelegenheit, nach einem hellen Stein zu spähen, der mir vor diesen Tagen wie ein bedeutungsvolles Sinnbild reicher Zeit erschienen war. Aber hatte ich in jener Stunde die Hoffnung, etwas Schönes ahnen zu dürfen, so brauchte ich ja nun nicht mehr nach ei nem Sinnbüd auszublicken: ich hatte ja wirklich das Bild eines großen Korbes voll fruchtbaren Brotes erschaut. Gleichzeitig mit dieser Prosa wuchsen iangsam Aibert Mitringers schon genannte Wortsonaten. Schieß er mit ihnen wieder an seine Zeit des Studiums bei Paui Kiuckhohn an, an die Romantik eines Novaiis oder Höideriin? Fast scheint es so. Andere Poeten sind ebenfaiis auf dieser Fährte. Da haben wir den Rie der Landsmann Bruno Ammering, der, blutjung noch, im zweiten Weit krieg in der Schiacht in den Ardennen am 26. Dezember 1944 fiei. Franz Tumier brachte 1949 einige seiner Gedichte in einem schmaien Band heraus. Die Mehrzahi wartet noch auf Veröffentiichung. Höideriin seibst ist durch ein außergewöhniiches kritisches Buch des französi schen Germanisten an der Pariser Sorbonne, Pierre Bertaux, wieder in die Mitte unserer Literatur gesteiit worden. Schon in den fünfziger Jah ren unseres Jahrhunderts hat man von einer neuen Romantik in der deutschen Literatur gesprochen. Vieiieicht könnte man auch den aus Wickrath am Niederrhein gebürtigen Johannes Poethen, der jetzt in Stuttgart iebt, mit seinen Prosagedichten aus dem Band ,,Ankunft und Echo" einen Neoromantiker nennen und unseren Juiius Zerzer in sei nem ietzten Gedichtband ,,Das Biid wird Sinnbüd" zu diesen Dichtern zähien. Es ist sicheriich so: eine neue ,,aite" Dichtung ist auf dem Weg. Aibert Mitringer, so wenig es bei seinem Beginn als Dichter danach aussah, so aiimähiich ist er doch diese Richtung gegangen. Man kann hoffen, daß er noch einen Band,, Worfsonafen" herausbringen wird. So seien am Schiuß dieses iiterarischen Bildnisses, das mit einer geografischen Richtung nach Oberösterreich weist, was nicht provinzieil, sondern vieimehr umgekehrt gewertet werden möge in dem Sinne, daß gerade die sogenannte österreichische Provinz bedeutende Dichter wie überhaupt schöpferische Künstler hervorgebracht hat, so seien aiso am Schiuß zwei soiche ,,Wortsonaten" gebracht, die neueren Datums sind.

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