Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 3, 1981

Oberösterreich aktuell Umweltschutz und Enercfie Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck Umweltbelastung und Reinhaltung der Na tur sind nicht nur ein technisches Problem oder eine f inanzieile Frage, Umweitpolitik ist ein neues Feld der gesellschaftlichen Aus einandersetzung und damit ein Thema, das alle Kreise unserer Bevölkerung berührt. Die Bewältigung der Probleme erfordert letztlich eine Änderung der geistigen Ein stellung. Nur wenn es gelingt, den Fort schritt in seinen technologischen und ge sellschaftlichen Auswirkungen einzufangen und die Einsicht zur Notwendigkeit techni scher und sozialer Veränderungen besteht, wird auch die finanzielle Bewältigung des Problems leichter möglich sein. Schließlich ist eines klar: Reine Luft und reines Wasser, weniger Lärm und Streß haben ihren Preis und sind von uns - sei es direkt im Wege des Verursacherprinzips oder indirekt über die öffentliche Hand - zu bezahlen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Sicherung der Energieversorgung. Beiden Zielen, der Erhaltung einer lebens werten Umwelt und der Sicherung unserer Energieversorgung, liegt der Grundge danke über die Begrenztheit der natürlichen Vorräte- im Bereich der Energie müßte man sagen, der nicht regenerierbaren Energieträger-zugrunde, woran zumeist die Forde rung nach einem möglichst schonenden Umgang mit den vorhandenen Reserven bei gleichzeitig optimaler Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse geknüpft wird. Beide Wünsche sind legitim, bedauerli cherweise lassen sie sich nur schwer auf ei nen gemeinsamen Nenner bringen. Für eine objektive Konfliktiösung erschwe rend wirkt zudem der Umstand, daß die Dis kussion pro und kontra Umweltschutz oder Energie in vielen Fällen äußerst emotional geführt wird, so daß für eine objektive Ge samtbeurteilung oft nur wenig Raum bleibt. Die Ursachen hiefür liegen zum einen in der Eigenart der Energie als fast nicht ersetzba ren und damit limitierenden Faktor unserer Wirtschaft, zum anderen in dem mit der Ge winnung und Umwandlung der Energieträ ger verbundenen Eingriff in die Natur, aber vor allem im maßlos gesteigerten und ver schwenderischen Verbrauch der Energie in den letzten hundert Jahren. So unglaublich es klingt, noch im Jahre 1850 deckte Brennholz in den Vereinigten Staa ten von Amerika neun Zehntel des Gesamt energiebedarfes. In der Sowjetunion lieferte Holz noch 1932 ein Fünftel alier Energie und selbst 1958 noch ein Zehntel. In Millionen Tonnen Steinkohieneinheiten, das heißt in den Energiewert der Steinkohle umgerech net, betrug der Primärenergieverbrauch der Welt etwa: 1820 20 1870 218 1920 1425 1970 7000 Die Verwertung dieser Energie führte zu ei ner beeindruckenden Vervielfältigung der menschlichen Leistungsfähigkeit und bil dete damit die Grundlage für völlig neue Le bensmöglichkeiten, die Grundlage für die hochtechnisierte Weit, in der wir heute le ben. Im Durchschnitt stehen heute jedem Menschen dank der Energie und Technik 176 unsichtbare Helfer zur Verfügung, ge wissermaßen ,,eiserne Sklaven", die er durch das Niedertreten eines Pedals oder durch die Betätigung eines Schalters zum Einsatz bringen kann. Dies ist allerdings nur ein Aspekt der Ener giegewinnung und -Verwertung, der vorder gründig und für sich aliein betrachtet kaum zu Diskussionen führen dürfte. Bedenklich ist dagegen die in der Vergangenheit und zumTeil auch noch heute damit verbundene Vergeudung der Energiereserven der Welt und ihre Auswirkungen auf Natur und Um welt. Allein in den USA verschwanden zwi schen 1800 und 1950 5,4 Millionen km^ Wald, das entspricht etwa der 450fachen Fläche Oberösterreichs, wofür weniger als ein Siebenhundertstel neu gepflanzt wurde. Zwischen 1870 und 1970 stieg die Steinkoh lenförderung der USA von 36 auf 540 Millio nen Tonnen und die Mineralölgewinnung von 0,7 auf 534 Millionen Tonnen, also auf das mehr als 760fache. Aber wo immer möglich, wurde die Kohle im Tagbau ge wonnen und die ausgekohlten Gebiete blie ben als Mondlandschaft zurück. Ebenso wurde anfangs fast nur jenes Erdöl verwen det, das von selber aus den Bohrlöchern quoll und das war sehr oft nicht mehr als ein Zehntel der Vorräte, neun Zehntel blieben im Boden und damit verloren. Erdgas galt lange Zeit als lästige Begleiterscheinung von Ölbohrungen und wurde abgefackelt, also damit vergeudet. Abgesehen von dieser sinnlosen Energie vergeudung bleibt die Tatsache bestehen, daß auch eine behutsame Energiegewin nung und -Umwandlung nach dem derzeiti gen Stand der Technik Umweltbelastungen mit sich bringt. Je nach Art des Energieträ gers bestehen diese Belastungen in der Wärmeabgabe in die Atmosphäre und in die Gewässer, der Emission von Schadstoffen, der vielfältigen Form der Landschaftsverän derungen. Diese Begleiterscheinungen unserer Zivili sation lösten zunächst in den USA Gegen bewegungen aus, die den Umweltgedanken an die Spitze einer neuen gesellschaftlichen Wertskaia stellten. Daß der Naturschutzge danke besonders in Amerika viele Anhänger fand, ist selbstverständlich, denn dort wurde ja gegen die Natur gesündigt. Was das Wirt schaften gegen die Natur bedeutet, wurde bereits geschildert und so bestand in den USA seit langem die Gefahr, das Pendel der Gegenbewegung könne zu weit ausschla gen. Dazu gab 1962 Rachel Garsons Best seller ,,Siient Spring", der (durch die auch vögeitötende Schädiingsvertiigungsmittei) stumm gewordene Frühling, einen ent scheidenden Anstoß. War Generationen lang wilder Raubbau betrieben worden, so wurde nun in den USA gegen alles angeb lich Unnatürliche demonstriert und als be sonders naturwidrige menschliche Entar tung galt bald fast jede Art der Energiege winnung. Das vordergründig gebrauchte Argument der Unnatüriichkeit gilt mit gewis ser Berechtigung für die Eigenart des Ereignisabiaufes der Energiegewinnung, aber si cher nicht nur für diese, sondern für fast je den Nutzungsanspruch des Menschen an die Landschaft und den Naturhaushalt. Die Natur kennt im Lebensbereich nur ge schlossene Kreisläufe, wie z. B. jenen der Atmosphäre im Hinblick auf den Ausgleich Sauerstoff und Kohlenstoff sowie jenen des Wassers und schließlich auch der Genera tionsfolgen im Bereich der belebten Natur. Es gibt somit in der Natur keinen ,,Müll-

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