Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 3, 1981

Landeskunde Schon Kaiser Franz Josef nannte ihn einen „Musteriandtag" Der vor 120 Jahren eröffnete oberösterreichische Landtag war 113 Jahre tätig Harry Slapnicka Jeder Geburtstag, auch der eines Landta ges, erfüllt nur seinen Zweck, wenn er zum Nachdenken zwingt. 120 Jahre Landtag - das führt vorerst einmal dazu, über die zeit liche Dimension nachzudenken: fast die Hälfte dieses Zeitraumes, 57 Jahre, fällt noch auf die Habsburgermonarchie, dann 20 Jahre auf die Zwischenkriegszeit, wobei der Landtag der Jahre 1934 bis 1938 nicht von Parteien gebildet, sondern nach Be rufsständen gegliedert und überdies er nannt war. Dann gibt es in den sieben natio nalsozialistischen Jahren überhaupt keinen Landtag. Schließlich verfolgen wir seit 1945 wieder ein 36jähriges Wirken dieses Land tages. Natürlich ergeben sich mit diesem ,,runden Geburtstag" eine Fülle von Fragen und trotz aller Schwerpunktverlagerung auf ,,politi sche Bildung" erkennt man, wie wenig wir über diese zentrale Stelle politischer Wil lensbildung im Land, diese gesetzgebende Körperschaft, die ,,Landesvertretung", wisDer Landtag und der Kaiser Dieser obderennsische Landtag, der im April 1861 erstmals zusammentritt, wird An satzpunkt für eine auch im Lande aufzubau ende Demokratie. Vorerst ist die erste Lan desverfassung, die ,,Landesordnung" vom Jahre 1861, von keinem Gremium be schlossen, sondern vom Kaiser erlassen. Und diese Landesordnung bleibt, was für ihre Qualität spricht, mit geringen Änderun gen auch noch für die ersten 12 Jahre der Republik bis 1930, also durch 69 Jahre in Kraft. Anschließend hatte man keinen so langen Atem mehr. Die Landesverfassung von 1930 bleibt vorerst nur vier Jahre gültig, die des Jahres 1935 nur drei, bis dann 1945, unter größten Schwierigkeiten angesichts der Widerstände der Besatzungsmächte, die Landesverfassung von 1930, nur gering fügig geändert, wieder in Kraft gesetzt wird. Nach weiteren kleinen Korrekturen kommt Bedeutende Landespolitiker aus dem Haus ruckviertel: Von links nach rechts: Josef Pfeneberger (1880-1 952), Anton Weidinger (1894-1949), Dr. Heinrich Wlldfellner (geboren 1906), Leopold Hofinger (geboren 1937), Alois Bachinger (geboren 1914). Porträts Im Heimathaus Grieskirchen auf Schloß Tollet. Fotos: Gangl es unter Landeshauptmann Dr. Wenzl zu einer sorgfältigen Ergänzung und Neufas sung, doch bleibt man in Aufbau und Gliede rung bewußt bei der Landesverfassung von 1930, die somit im Vorjahr (1980) ihr 50jähriges Bestehen feiern konnte. Der Kaiser war in der Frühgeschichte des Landtages aber nicht nur der Mann, der den Ländern der Monarchie diese Verfassung gab. Er war es, der die Landtage einberief, schloß oder gegebenenfalls frühzeitig auf löste. Der Kaiser ernannte auf Vorschlag des k. k. Statthalters Landeshauptmann und Landeshauptmannstellvertreter. Lan desgesetze erlangten schließlich nur Gül tigkeit, wenn sie der Kaiser unterzeichnete. Auch für Oberösterreich gibt es einige we nige Beispiele von Landesgesetzen, die von Kaiser Franz Josef nicht unterzeichnet wur den und deshalb auch keine Gültigkeit er langten. Im Landtag griff man dann sehr hef tig wegen Mißachtung der Beschlüsse des Landtages zwar nicht den Kaiser an, aber die kaiserliche Regierung in Wien, die dem Kaiser das Gesetz gar nicht zur Unterzeich nung vorgelegt habe. All diese Beschränkungen des Landtages blieben übrigens bis zum Ende der Monar chie in Kraft und zeigen die reichlich einge schränkte Landesautonomie sehr klar auf. Landtag und Zunahme der Wahlberechtigten Bei fast unveränderter ,,Landesordnung" wird man natürlich die Frage stellen, wo denn ein Auf- und Ausbau der Demokratie sichtbar ist. Dieser liegt deutlich bei der Ausgestaltung des Wahlrechtes, die zwar nicht stürmisch, aber doch recht eindrucks voll erfolgt. Merkwürdigerweise hat sich bis her die Forschung dieses Kapitels kaum an genommen, das weit interessanter ist, als vieles andere. Zwischen 1861 und 1871 gibt es in Öster reich nur Wahlen in den Landtag und die Landtage nominieren aus ihrer Mitte zehn Reichsratsabgeordnete. Erst ab 1873 gibt es neben den Landtagswahlen eigene, di rekte Reichsratswahlen. Es ist besonders reizvoll, beide Wahlen, die ja auf Grund ver schiedener Wahlgesetze erfolgen, für den oberösterreichischen Raum zu vergleichen. Bei einer Bevölkerungszahl von 707.450 Bewohnern schwankt die Zahl der Wahlbe rechtigten bei den ersten Landtags- und Reichsratswahlen, also zwischen 1861 und 1879, zwischen 31.000 und 39.000. Durch die Herabsetzung des ,,Zensus", der Steu erleistung, auf fünf Gulden im Jahre 1882 verdoppelt sich die Wählerzahl (rund 68.000). Dann aber kommt es 1897 mit der Einführung der ,,allgemeinen Kurie" zu ei ner Verdreifachung der Wahlberechtigten. Damit ist praktisch für den Bereich der Reichsratswahlen das allgemeine Wahl recht (also das Wahlrecht aller Männer, un abhängig von ihrer Steuerleistung) einge führt. Jetzt klaffen Reichsrats- und Land tagswahlen weit auseinander und zwischen 1897 und 1907 gibt es in Oberösterreich bei Landtagswahlen jeweils zwischen 70.000 und 80.000 Wahlberechtigte, aber bei Reichsratswahlen mehr als 250.000. Erst mit den letzten Landtagswahlen der Monar chie (1909) und nach geändertem Wahlmo dus (auch hier Einführung der allgemeinen Kurie) ziehen die Landtagswahlen gleich. Aber bis zum Ende der Monarchie bleibt das alte Kurienwahlrecht des Jahres 1861 (Großgrundbesitz, Städte und Industrialorte, Handels- und Gewerbekammer, Land gemeinden und schließlich ,,allgemeine Ku rie") erhalten. Lediglich für Reichsratswah-

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