Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 3, 1981

Kunst der Gegenwart ElfHede Trautner — Porträt einer bedeutenden Künstlerin Walter Beyer Vier auf verschiedenartigsten Ebenen an gesiedelte Schiagworte tauchen immer wie der auf, wenn von Kunst und speziell von bildender Kunst unserer Tage die Rede ist. Das erste betrifft die Stellung der Frau und ist insbesondere gegenwärtig, seit wir anno 1975 ein Jahr der Frau zelebrierten. Das zweite befaßt sich mit der innerhalb alier Be reiche des täglichen Lebens und somit auch im Rahmen der Kunst laufend zunehmen den Spezialisierung. Als drittes sei auf den Terminus von surreai und Surrealismus verwiesen, welcher in der ersten Hälfte die ses Jahrhunderts für eine ganze Gruppe bedeutender Künstler zum stilistischen Oberbegriff wurde und seit der Existenz der Wiener Schule immer wieder Anlaß zu irre levanter und mißbräuchlicher Verwendung gibt. Als viertes und letztes sei noch auf die als Folge der Auswüchse des Booms der sechziger- und siebziger Jahre in Mißkredit geratene Druckgrafik mit einigen grundsätz lichen Bemerkungen eingegangen. Alle diese vier Begriffe haben nicht nur einen festen Platz im Vokabular der Kunstkritiker und Kunsthistoriker von heute, sondern dür fen auch als besonders relevant für Wesen und Werk der bedeutenden, in der Nähe von Rohrbach geborenen oberösterreichischen Radiererin Elfriede Trautner angesehen werden. Der entscheidende Verdienst die ser großen Künstlerin besteht darin, daß sie - wie wir in der Folge sehen werden — diesen vier vielfach wesentlich aus ihrer ursprüngli chen Richtung gekommenen Termini jene Korrektur angedeihen läßt, welche für deren Neubewertung beziehungsweise Adjustie rung im Sinne einer originären Zielsetzung dringend vonnöten ist. Eben darin darf die über das rein Künstlerische hinausrei chende Bedeutung Elfriede Trautners er blickt werden. Befassen wir uns einleitend zunächst ein mal kurz mit dem Themenkompiex ,,Frau und Kunst". Zweifellos zählt die Frau bis heute zu den faszinierendsten und emotionsgeiadensten Kapiteln der Kunstge schichte. Denn selbstverständlich war die Kunst der Frau schon während der klassi schen Antike präsent - man denke etwa an Aristarte oder Kaiypso -, doch stand sie quantitativ wie auch in der ihr angediehenen Wertschätzung bis an die Anfänge des zwanzigsten Jahrhunderts deutlich im Schatten einer erdrückenden Vielfalt mas kuliner artifizieiler Äußerungen. Auch wenn sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr hunderts erste Anzeichen einer stärkeren Präsenz der Frau im Rahmen von Kunst und Wissenschaft anzeigten - in Österreich sei etwa an Tina Blau erinnert -, dauerte es noch fast ein weiteres halbes Jahrhundert, ehe der Frau innerhalb der Kunstproduktion ein breiteres Betätigungsfeld zuzuordnen ist. Dennoch sind die Emotionen über die Frau in der Kunst bis heute nicht gewichen und das 1975 stattgefundende Jahr der Frau hat sicherlich nicht zu einem Abbau derselben geführt. Kein Wunder, wenn Maria Lassnig meint, Frauenkunst sei solange nötig, als die Frauen ihre Ressentiments los werden müssen. Zu den wenigen heimischen Künstlerinnen, deren Schaffen jenseits der artig programmatischer Überlegungen ganz selbstverständlich und natürlich gegenwär tig ist, gehört Eifriede Trautner, wobei der ih rem Ouevre als einziger Maßstab dienende Begriff höchste Qualität einen Garant für eine bei männlichen und weiblichen Kolle gen, wie auch Kunstkritikern höchst selten anzutreffende einhellig hohe Wertschät zung darstellt. Es vollzieht sich hier also der eher ungewohnte Fall, daß eine durchaus nicht bewußt,,Frauenkunst" produzierende oder gar ,,Feminismus" propagierende Künstlerin kraft der Ernsthaftigkeit ihres Strebens und der Fundiertheit ihres Kön nens zu einem der überzeugendsten Expo nenten der Frauenkunst in diesem Lande und dieser Zeit wird. Ähnlich steht es mit dem Begriff der Spezia lisierung, welcher im Rahmen der weitrei chenden Ämbivalenz nahezu alier Erschei nungsformen unserer Zeit die einzige Mög lichkeit zu ihrer Bewältigung darstellt. So gesehen, erscheint es absolut folgerichtig, wenn dem Spezialisten in Medizin und Wirt schaft auch der Spezialist im Bereich der Kunst - sei es nun in technischer oder the matischer Form - an die Seite tritt. Die in solcher Beschränkung liegende, nicht zu unterschätzende Gefährdung beweisen Hundertwassers jüngere Ärbeiten ebenso nachhaltig, wie jene nahezu aller Vertreter der sogenannten Wiener Schule. In beiden Fällen sind mißverstandene Standortfixie rung und ausschließliche Beschränkung auf einen einzigen Blickwinkel zum ursächli chen Änlaß für eine stagnierende, ja retar dierende Kunstproduktion geworden, wel che in die manische Variation eines kleinen Themenkreises und dadurch ausgelöst in ein endliches Äbsterben jeder schöpferi schen Originärität münden muß. Wie positiv das Resultat derartiger Speziali sierung hingegen sein kann, soferne sie richtig verstanden und gepflogen wird, do kumentieren zwei oberösterreichische Künstler überzeugend: im thematischen Be reich der innviertier Älois Riedl und im tech nischen die gebürtige Mühlviertlerin Elfriede Trautner. Ihre konsequent-exklusive Be schränkung auf das Gebiet der Radierung hat die Trautner inhaltlich, wie auch tech nisch längst zur stupenden Beherrscherin dieses Mediums werden lassen, wobei ihr in dieser Technik Hell-Dunkei-Effekte und Farbvaleurs gelingen, weiche, retrospektiv gesehen, nur von ganz wenigen Radierern beherrscht wurden. in diesem Zusammenhang erscheint es an gebracht, auch einige allgemeine Bemer kungen über die Druckgrafik im ganzen und jene von Eifriede Trautner im speziellen ein zuschieben. Kein anderer Bereich der Bil denden Kunst war in unserem Jahrhundert zunächst von einem ähnlichen Äufwind ge tragen, wie die Druckgrafik. Die Rückbesin nung der Expressionisten auf die Kunst von Gotik und Manierismus ließ den Hochdruck eine neue Blüte erreichen. Der Secessionismus und seine Nachfolge brachten un geahnte Impulse insbesondere für den Flachdruck, die Lithografie also. Die Ent wicklung neuer Techniken, die Möglichkeit, mit einer Ärbeit dank entsprechender Ver vielfältigung ein wesentlich breiteres Publi kum und kraft größerer Preisgünstigkeit völ lig neue Käuferschichten ansprechen zu können, nicht zuletzt sicherlich auch die Hoffnung auf damit zusammenhängende höhere Verdienstmöglichkeiten haben in den fünfziger- und sechziger Jahren die Äufiagen von Druckgrafik in derart schwin delnde Höhen steigen lassen, daß sich zahl reiche Sammler entschlossen, keine Druck grafik künftighin in ihre Kollektionen aufzu nehmen und der Druckgrafik seither das Odium des Billigen anhaftet. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß Serigrafien, Foiieniithos oder Siebdrucke vielfach von Drukkern unter bloßer Äufsicht der Künstler in Großserien produziert wurden, welche so manchem Fachbuch zu aller Ehre gereich ten. Man sollte darüber freilich nie verallge meinern und vergessen, daß auch während dieser Zeit der Inflation bestehender Werte stets Künstler existieren, weiche einer der artigen Versuchung widerstanden und die Druckgrafik auch in jener Phase der Entwer tung im Sinne handwerklicher Tradition mit allem nötigen Qualitätsbewußtsein und Ernst betrieben haben. Namen wie Werner Berg, Herbert Fladerer oder Johannes Wanke tauchen im Rahmen des Holzschnit tes auf, beim Litho sei nur an Hans Fronius erinnert und innerhalb der Radierung ist Ei friede Trautner zweifellos an der Spitze zu apostrophieren. Zum Unterschied von fast allen ihrer Kolle gen bedient sich Eifriede Trautner für ihre Kaitnadeiradierungen nicht der an Zwi schentönen ärmeren Kupferplatte, sondern verwendet das wesentlich weichere Zink, in weiches sie nicht zu stechen braucht, son-

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