Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 3, 1981

Die alte bayerisch-österreichische Grenze im Hausruckkreis Alois Zauner Die Erwerbung des Innviertels im Jahre 1779 war das bescheidene Ergebnis viel weiter gesteckter Ziele der Machtpolitik Kai ser Josephs Ii. im Hinblick darauf und vom Gesamtstaat aus gesehen war dieser Land gewinn jene „geringe Sache", von der Jo seph in einem Brief an seine Mutter schrieb. Der Kaiser hat aber gleichzeitig auch schon darauf hingewiesen, wie ,,ungemein pas send" dieses neu erworbene Gebiet für das Land ob der Enns sei, dem es aufgrund sei ner Lage verwaltungsmäßig angegliedert werden mußte. Tatsächlich ist unser Land, was Umfang, Bevölkerung und wirtschaftli che Potenz betrifft, erst durch die Eingliede rung dieses neuen Vierteis den übrigen österreichischen Erbländern gleichwertig geworden. Ais eine der selbstverständlichen Folgen dieser Veränderung, über die man in der Regel kaum ein Wort verliert, ergab sich un ter anderem, daß die alte Staatsgrenze zwi schen Bayern und Österreich quer durch das Alpenvorland überflüssig wurde und ihre Funktion an den Inn überging, einen Fluß der vorher durch Jahrhunderte die na türliche Mittelachse und Verkehrsader einer an seinen beiden Ufern gleichgearteten Kul turlandschaft gewesen ist. An seinen Brükken hatten sich die beiden wichtigen Städte Braunau und Schärding entwickelt, deren Funktion als Zentraiorte nun schlagartig aufhörte. Beide Städte sahen sich plötzlich an den äußersten Rand eines Großreiches gerückt und mußten die Konsequenzen ei ner solchen Lage auf sich nehmen. Nach dem Scheitern der Erhebung gegen Napoleon im Jahre 1809 wurde Österreich im Frieden von Schönbrunn vom 14. öktober gezwungen, das innviertei und dazu noch den westlichen Teil des Hausruckvier tels an Napoleon abzutreten, der dieses Gebiet nach freiem Ermessen einem Für sten des Rheinbundes zuwenden wollte. Seine Entscheidung fiel zugunsten Bayerns aus, das damit im Pariser Vertrag vom 7. März 1810 nicht nur den schmerzlichen Ver lust eigenen Gebietes von 1779 rückgängig machen konnte, sondern auch einen schmalen Streifen des Landes ob der Enns bekam, das ihm durch Jahrhunderte beson ders begehrenswert erschien. Kein Wunder also, wenn Bayern nach der Niederlage Na poleons zögerte, diese Erwerbungen wieder herauszugeben, und sich erst im Vertrag von München vom 14. April 1816 dazu be reitfand, nachdem Österreich deutlich sei nen Willen gezeigt hatte, notfalls seiner Forderung mit Waffengewalt Nachdruck zu verleihen. Am 1. Mai 1816 konnte der ober österreichische Regierungspräsident Baron Grenzstein bei Oberrühring, Gemeinde Geiersberg, mit Jahreszahi 1662. Foto: Oö. Landesarchiv von Hingenau beide Gebiete zusammen mit Salzburg wieder in Besitz nehmen. Die zwischen 1809 und 1816 gültige West grenze öberösterreichs war im Friedens vertrag von 1809 nur in groben Zügen ver einbart worden. Erst im Herbst dieses Jah res hat eine von beiden Regierungen er nannte Kommission sie im einzelnen festge legt, wobei man bestrebt war, sich den na türlichen Gegebenheiten anzupassen. Der Grenzveriauf wurde durch Pfähle, welche Wappen und Aufschriften trugen, genau ge kennzeichnet. Ein ausführliches Protokoll hielt die Lage jedes einzelnen dieser Pfähle fest, gleichzeitig wurden sie mit ihren Num mern in eine Grenzkarte eingetragen. Diese Grenze begann beim Saizburger Ter ritorium am Südende des Attersees, durch querte den See vom Süden nach Norden und verlief dann in der Ager bis über Schwanenstadt hinaus. Von hier wandte sie sich nach Norden und führte jeweils östlich an den örten Gaspoltshofen, Meggenhofen, Grieskirchen, Michaeinbach und Waizenkirchen vorbei, so daß diese noch für Öster reich verlorengingen. Bei Schlügen er reichte sie die Donau. Diese Grenze zer schnitt also sehr unorganisch und gewalt sam die fruchtbare Landschaft des Hausruckvierteis. Der Unterschied dieser beiden Grenzzie hungen von 1779 und 1809 zur alten vorher gültigen Grenze bestand vor allem darin, daß die beiden ersten durch Staatsverträge festgelegt wurden, und da sie zu einem Zeit punkt gezogen wurden, in der Grenzen rich tige Trennungslinien bedeuteten, auch radi kal in das Leben der umliegenden Land schaften eingriffen. Die alte Landesgrenze hat sich dagegen allmählich entwickelt und entsprach, zumindest soweit sie dem Kamm des Hausruck folgte, einer alten natürlichen Barriere zwischen Siedlungsgebieten. Von öbermühiham westlich von Franken markt bis zum Jungfraustein südlich Engeihartszeil und östlich Kopfing hat die öster reichisch-bayerische Grenze am längsten bestanden und besaß eine gemeinsame Geschichte. Die Entstehung dieser ganzen Grenzstrecke ist natürlich eng verknüpft mit dem Werden des Landes ob der Enns. Im heutigen Niederösterreich war nach der Schiacht auf dem Lechfeld 955 die ottonische Mark gegründet worden, die sich bis zu ihrer Erhebung zum Herzogtum im Jahre 1156 in Abhängigkeit von Bayern befand. Das ganze Gebiet westlich der Enns gehörte in dieser Zeit unmittelbar zum Herzogtum Bayern. Das Jahr 1156 war für den Traungau bedeutungslos. Dieser wurde jedoch bereits im 12. Jahrhundert teilweise von der Territoriaibiidung der steirischen ötakare erfaßt und die Rangerhöhung des Markgra fen ötakars IV. von Steyr im Jahre 1180 kam daher einer Losiösung seines Herrschafts bereiches aus dem alten Herzogtum Bayern gleich. Dieser Herrschaftsbereich bestand aus geschlossenen Gebieten im Räume Steyr-Enns und dem Saizkammergut, aus Vogteirechten über Klöster und Bistumsbe sitz sowie der Herrschaft über unfreie Dienstieute, die in ihrer Bedeutung jedoch sehr verschieden waren. Der Sturz Heinrichs des Löwen hatte aber außer dieser Änderung der Rechtsstellung der Steiermark für unser Gebiet auch noch andere Auswirkungen. Das mächtige Ge schlecht der Schaunberger, dessen Vertre ter vorher immer im Gefolge des gestürzten Herzogs anzutreffen waren, ordnete sich nicht dem neuen bayerischen Herzog ötto von Witteisbach unter, sondern wandte sich den Babenbergern zu. Damit dürfte es zu sammenhängen, daß in einem Nachtrag zum Chronicon Austriacum Meiiicense aus dieser Zeit von einer Erweiterung der Ge richtsrechte des österreichischen Herzogs unter Heinrich Ii. (1141 bis 1177) bis zum Saiietwaid westlich von Beuerbach gespro chen wird. Dieser Waid ist also jene Steile der Westgrenze des alten Landes ob der

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2