Die Hausruckviertier Franz C. Lipp „Landler", so werden sie von ihren Nach barn im Westen, den innviertiern, schlecht weg genannt. Der Name ist nicht unzutref fend, aber er gilt nicht nur für die Leute zwi schen Hausruck und Traun, sondern - vom Osten, vom anderen älteren Teil des ,,Erz herzogtums Österreich" her gesehen - für alle Bewohner des Ländieins ob der Enns, mit Ausnahme eben des Spätheimkehrers innviertei. irgendwie gilt die Bezeichnung, auch im besonderen, zumindest für die nördlichen Hausruckviertier, weil sie, im Winkel zwi schen den recht ausgeprägten und selbst bewußten Viertein an Inn und Mühl liegend, sozusagen als ,,Landier" übrigblieben^. Südlich des Hausruckwaides liegen die Dinge nicht mehr so einfach; es zu erklären, muß etwas ausgeholt werden. Nach Viertein einzuteilen, ist ein bis auf die Römer zurückgehender Brauch, die ihre ,,Quartiere" (= Viertel) hatten, von Stadt vierteln spricht man noch heute, wenn es sich auch nur mehr um eine Gegendbe zeichnung handelt. Da das österreichische Stammiand, Niederösterreich, in vier Vier tel geteilt ist, haben die Kameraiisten auch Oberösterreich in vier recht ungleiche Vier tel gegliedert, das Mühlviertel in das obere und untere (,,Schwarzviertel" genannt), das Land südlich der Donau links der Traun bis Attnang-Puchheim^ in das Hausruckviertel, rechts in das Traunviertei. Als unter Joseph II. das Innviertel zu Öster reich kam, gab es ein fünftes Viertel, das paßte nicht in die strengen österreichischen Verwaltungsgrundsätze; so wurden die bei den Mühlviertel vereinigt. Die Rechnung stimmte wieder. Wissenschaftlich, vom Standpunkt der Geographie, der Geschich te, der Kulturgeschichte und der Volkskun de, die sich ja vor allem mit den ,,Leuten" zu befassen hat, taugt jedoch die Vierteleintei lung wenig. Sie wird diesem Versuch, zu ei nem deutlicheren Bild von der Wesensart einer Bevölkerungsgruppe zu kommen, nur deshalb zugrunde gelegt, weil die Bevölke rung von Oberösterreich nach altem Her kommen von den Vierteln, insbesondere dem Hausruckviertel, zwar keine ganz klare, aber doch eine sehr liebgewonnene Vorstel lung hat und an dieser wohl auch festhalten wird. Um es kurz zu machen; nach den erwähnten wissenschaftlichen Kriterien gliedert sich das Land Oberösterreich in: oberes, mittle res und unteres Mühlviertel; innviertei, nördliches Hausruckviertel, unteres Traun viertei; Mondseeland und Attergau, Salz kammergut, Eisenwurzen (oberes Kremstal, Steyr-, Stoder-, WIndischgarstner und obe res Ennstal). Die Strichpunkte in dieser Auf zählung bedeuten die horizontal verlaufen den geographischen Leitlinien: Donau und Voralpengrenze, also ungefähr die Linie Oberhofen-Gmunden-Steyr. Auf dem Boden des Hausruckviertels befin den sich also zwei verschiedene Kuiturlandschaften, die sich auch bevölkerungs mäßig unterscheiden. Historisch gespro chen haben wir sogar, von den kleineren Grundherrschaften und verschiedenen Ein sprengseln abgesehen, drei deutlich er kennbare Herrschaftsbereiche: im nördli chen Bereich das Schaunberger Ländchen, das bis zum Jahr 1385, zuietzt als reichs unmittelbare Grafschaft, die Unabhängig keit von Habsburg behaupten konnte. Die Schaunberger Grafen hatten ihren Besitz im 13. Jahrhundert auch über weite Teiie des Attergaues auszudehnen vermocht. Als Ganzes war der Attergau erst 1156 aus dem Verband des bairlschen Herzogtums gelöst und babenbergisch geworden, immerhin 350 Jahre vor der Angliederung des ausge dehnten Klosterlandes Mondsee, das 1506 habsburglsch und damit österreichisch wur de. Siedlungsmäßig und strukturell beste hen jedoch zwischen dem Mondseeiand und dem Attergau so viele Gemeinsamkei ten, daß von einer zusammengehörigen Kulturlandschaft gesprochen werden kann. Sie wurde mit der zunehmenden Bedeutung des Fremdenverkehrs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt wegen ihrer Seen, immer häufiger zum Salzkammergut gezählt, mit dem sie ja auch räumlich eng benachbart ist. Gemeinsam ist dem nördiichen und südli chen Teil des Hausruckviertels aber auch die längere Selbstbehauptung und Eigen ständigkeit zwischen den zwei politischen Mächten Bayern und Österreich. Das mag auf noch ältere Einflußbereiche von An spruch und Herrschaft zurückgehen, die etwa vom 6. bis zum 8. Jahrhundert an der Traun endigten und sich in den bairlschen Siedlungen bzw. den von ihnen hinterlassenen Reihengräberfeldern entlang dieses Flusses von ZIzlau über Rudelsdorf, Marchtrenk, Schlatt, Schwanenstadt und Rafeld auszudrücken scheinen. Bis zur Traun, ja bis zur unteren Alm (Bad Wimsbach-Neydharting) also reichte der ungestörte bairische Stammesboden, bis zur Traun auch als Teil des alten Traungaues, der linksufrige Ufgau, unser nördliches Hausruckviertel. Die wichtigsten Römerstraßen befanden sich hier: die Verbindungen zwischen Lorch und Salzburg und von Wels über Schlügen nach Passau. Keltoromanische Spuren, am deutlichsten im Attergau mit seinen Walchen-Orten und sogar einem noch im 6. Jahrhundert errich teten Grabstein, der ein Ehepaar in heimisch-norischer Tracht zeigt^, und bis zur Voralpengrenze gehäuft und dicht die -ingund -heim-örte bairischer Siedler der nach römischen Jahrhunderte bis zur karolingischen Zeit, nicht aber namenskundliche Er innerungen an slawisches Substrat, denen wir ja dann östlich derTraun öfter begegnen. Ist das Hausruckviertel im ganzen gesehen typisch bairisches Bauerniand, so gibt es doch auch Hinweise auf andersstämmige Besiedlung. Dies trifft besonders auf den Besitz zu, mit dem schon Heinrich Ii., der Heilige, das Hochstift (= Fürstbistum) Bamberg im Jahre 1007 im Attergau begabt hat. Die Märkte Frankenburg und Franken markt sind in ihrer Namensgebung ein spre chendes Zeugnis für diesen Anteil des Be völkerungsaufbaues. Man denkt heute kaum mehr daran, daß es z. B. in der Herr schaft Frankenburg noch im 16. Jahrhun dert eine ansehnliche Anzahl völlig unfreier Menschen gab, die in den Urkunden als ,,Pamberger" oder ,,Babenwerger" be zeichnet wurden". Diese Leibelgenen sind unter der Herrschaftszeit der Bamberger Bi schöfe in ,,sozial tiefster Stellung" angesie delt worden. Ein umfangreiches Kapitel des Frankenburger Urbars aus 1581 handelt von diesen ,,Leybleuten", die praktisch rechtlos waren. Ein Pamberger durfte nur eine Pambergerin heiraten, er durfte auch keinesfalls seine Herrschaft wechseln. Ihn erschlagen, kostete zwar Geld, aber es war weder Mord noch Totschlag. Der Täter hatte der Herr schaft nur einen Ersatzmann zu stellen und ,,das Wandl", nämlich 72 Pfennig, zu be zahlen. Viele Pamberger versuchten daher ihre Herkunft zu leugnen, worauf schwere Strafen standen. Auch in der großen Herr schaft Kogl, die an den Attersee grenzte, gab es zahlreiche ,,Pabenwerger"-Leibeigene, die, den überlieferten Familiennamen nach zu schließen, am Aufbau der Bevölke rung nicht unwesentlich beteiligt waren. Vielleicht sind die vielen ,,Bamberger" eine Antwort auf die Frage nach der Eigenart der Attergauer. Die Frage nach der Sonderstellung der Hausruckviertler, namentlich gegenüber den Innviertiern, mit denen sie volksmäßig so sehr verwandt sind, wurde wiederholt aufgeworfen. Eduard Kriechbaum hat da m. E. mit seiner Unterscheidung zwischen ,,Wallnern" und ,,Gäubauern", d. h. zwischen Waldbauern und denen des waidfreien, flachen Landes, die er zunächst auf das Innviertel bezogen wissen wollte, eine sehr treffende Beobach tung wiedergegeben. Die Hausrucker nun sind ähnlich wie die Innviertler Bauern um Höhnhart und Kobernaußen vorwiegend
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