Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 2, 1981

Ballade vom Vergeltsgott (Nach einer Sage aus dem Atterseegebiet) 4. Finale Sieh, was hat für eine Krone Abendglut dem See verliehn! Hyazinthe und Zirkone Blühn um flammenden Rubin. Rollt zum Reif sich Well auf Welle, Wird kein Funkelstein vermißt: Nicht Granaten und Spinelle, Nicht Topas und Amethyst. Selig, wie versteintes Leuchten, Das im Schoß der Erde ruht. Nun im Leichtbewegten, Feuchten Atmet auf verklärter Flut! Unten in granitnen Räumen Ruhn der edlen Steine viel. Und es ist, als zog ihr Träumen Aufwärts zu der Wellen Spiel. Daß der See sich selig kröne. Nimmt er den erträumten Schein Sich zu Lehn, und alles Schöne Scheint ein Gleichnis nur zu sein. Beim Metzger erschien ein alt Weiblein in Sitten: Ein kleins Stückerl Fleisch nur, drum tät sie schön bitten. Es lachte der Metzger: ,,Ja, kannst du's bezahlen? Denn wenn du kein Geld hast, ich werd dir was malen." Da seufzte das Weiblein: ,,Das ist es ja eben. Ich kann Euch dafür ein Vergeltsgott nur geben." Da höhnte der Metzger: „Das könnt dir so passen. Bei solchener Währung in Fleisch noch zu prassen!" Drauf meinte das Weiblein: ,,Versündigt Euch nicht! Es hat ein Vergeltsgott doch auch sein Gewicht!" Da lachte der Metzger: ,,Wir wollen's versuchen. Wieviel fürs Vergeltsgott an Fleisch ist zu buchen! Ich leg auf die Waag hier das Stückerl vom Schwein, Und du legst derweil dein Vergeltsgott hinein!" Das Weiblein bedankt' sich demütig dafür. Rasch schrieb es das Wort auf ein Blättchen Papier Und legt's auf die Schale, die wartend noch leer Und siehe - sie senkte sich wuchtig und schwer! Da stutzte der Metzger und hieb auf gut Glück Vom Schweinernen ab noch ein mächtiges Stück. Doch siehe, die Schale sie senkte sich nicht. Noch zeigte sich beides nicht gleich an Gewicht. Da riß es den Metzger verzweifelt herum. Er legt noch dazu ein gewaltiges Trumm. Doch sagt' nun das Weiblein: ,,Oh, haltet nur ein! Ich meine es wird schon das Richtige sein." Da stellte die Waage sich plötzlich auf gleich. Der Metzger, er ward wie ein Linnen so bleich. Er schob ihr das Fleisch zu: ,,Nehmt alles nach Haus, Ich geh es Euch gerne, es macht mir nichts aus." Er sah, wie sie stiU durch die Türe verschwand. Ein Schimmer umstrahlte ihr ärmlich Gewand. Der Metzger, er sah wie entgeistert ihr nach. Er horchte der Stimme, die jetzt zu ihm sprach. Die Stimme betraf ihn im innersten Kern: Die Waage des Mitleids - die Währung des Herrn! Befreite Stunde. Gedichte, 1917. Balladenbuch, 1931.

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