Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 2, 1981

meines alten Kameraden im Kriegsarchiv Rudolf Hans Bartsch, mei nen Urlaub nach Seewalchen am Atteisee zu verlegen. Bartsch trug sich damals schon mit dem Gedanken, sich auf der Höhe über dem See ein eigenes Heim zu erbauen. Mir ist die Stunde deutlich in Erin nerung, da er mich auf den Bauplatz führte, von dem aus man eine in ihrer Schönheit und edlen Großartigkeit überwältigende Aussicht auf den See und den strahlenden Kranz der Gebirge genießt. Das Haus erstand auch bald darauf und ist auch heute noch der Wohnsitz seiner Familie. Es mußte mir von Anfang an bedeutsam sein, was Bartsch, dieser meisterliche Einfühler in die Offenbarungen der Natur, mir von seinem See imd dessen seltsamen Wandelbarkeiten in der Uner schöpflichkeit seiner farbigen Stimmungen berichtete. Ich konnte das weiterhin Jahr für Jahr nun selbst bestätigen und mit stets zuneh mender Freude. Freude war es vor allem über das, ich fühle mich versucht zu sagen ,,geniale" Spiel dieses Sees mit den Möglichkeiten der farbigen Welt. Auch die anderen rühmlichst bekannten Seen des Salzkammergutes besitzen ihre hohen rmd eigenartigen Schönheiten, jeder in seiner Art, rmd es fiele nicht leicht, einen von ihnen imwiderleglich als den schönsten zu bezeichnen, es hat wohl jeder seinen Charakter imd seinen besonderen Reiz. Aber im schöpferischen Spiel mit der Farbe vermag es keiner mit dem Attersse aufzunehmen. Es ist glatthin Zau berei, was dieser zuweilen treibt, und der verwegenste Maler wagt es kaum, ihm mit dem staunenden Pinsel zu folgen. Vom gesättigsten Ultramarin der Weltmeere bis zum singendsten Mitisgrün des be sonnten Waldquellchens schleudert er seine Farbenorgien mit jener Kühnheit imd Sicherheit des Tones in die Welt der Erscheinung, mit der etwa ein genialer Geiger den atemanhaltenden Raum eines gro ßen Konzertsaales füllt. Freilich wissen wir, woher er, der Künstler Attersee, das hat. Er lebt von den Spiegelungen, die ihm das Auge des Himmels, das Spiel der Wolken, das Duftkleid der Berge, das Gewoge der ganzen bildnerischen Atmosphäre zubringen. Aber was er daraus in köstlicher Erfinderlaune zu gestalten weiß, darauf kommt es an! Und er tut es ununterbrochen neu, er wiederholt sich niemals, er ist ein leuchtender Bote der farbigen Unausschöpflichkeit dieses begnadeten Stückchens Welt. Er kennt auch, da er sich stets aufglän zend erneuert, keine Gefangenschaft inmitten seiner Berge. Er ruht inmitten von ihnen, wie etwa der Künstler in der menschlichen Ge meinschaft, seine Losung ist schöpferische Freiheit. Er ist nur ein See, doch mit Meeresgebärden Veiglänzt er sich stolz in die farbige Welt. Die Wellen hüpfen wie fröhliche Herden, Wenn es dem launigen West gefällt. Bewegung ist alles und Sehnsucht in Weite, Die sich ins Grenzenlose ergießt. Er ist der Erlöste, der selig Befreite, Auch wenn ihn ein Wall von Gebirgen umschließt. Er braucht seinen Wächtern nicht zu entrinnen. Es kümmert ihn nicht, wer ihn felsig bewacht. Es blühet die Freiheit, o Seele, von innen, Sei du auch auf ähnliche Freiheit bedacht! Ja, die Mahnung zur schöpferischen Freiheit ist es vor allem, die ich an ihm lieben gelernt habe. Die Fesseln des Herkömmlichen fallen ab, die Dinge leuchten neu von innen heraus, mit dem Erbrecht des Urgeschehens. Er ist der See der ewigen Jugend, und ob er auch aus fer nen Zeiten der Gletscherwandergänge in sagenhafter Eiszeit stammt, Seewalchen steht auf Gletscherschutt, er ist doch unbeschwert von jeder hemmenden Überlieferung. So heißt, an seinen Ufern leben. sich zur Zeitlosigkeit und zugleich zur Majestät des Augenblicks be kennen, und was kann das Alter Besseres tun, bevor es in die Ewig keit abberufen wird? Und nun zum Dritten, zu Badgastein. Als ich im Herbst 1921 zum er stenmal dieses eigenartigste und wohl auch berühmteste Stück öster reichischer Alpenwelt betrat, kam ich als HeUungssuchender, es war eine durchaus körperliche, keine seelische Angelegenheit. Wie wenig aber beides gemeinhin zu trennen ist, erfuhr ich im Laufe der Jahre mit immer stärkerer Bestimmtheit. Und schließlich war es so, wie es gleich mir schon Zehntausende getreuer Badegäste erfahren haben mochten, daß das Seelische das Gebieterische, daß aus der Nutznie ßung eine Art Wallfahrt wurde, daß das Verhältnis zwischen Mensch und Landschaft sich von den konkreten Maßen des Lebens allein nicht mehr bestimmen ließ. Zu Anfang verbrachte ich meine Kurzeit im alten,,Badeschloß", der knapp am Fall der Gasteiner Ache aufragenden einstigen Baderesi denz der Salzburger Erzbischöfe, aus der Zeit, da sie auch noch welt liche Herren im Lande waren. Das ehrwürdige Haus wurde später von Kaiser Franz Joseph zu einer Stiftung für heübedürftige Offiziere bestimmt und umgebaut, und dort erhieltich nun ein Zimmerchen im dritten Stockwerk, unmittelbar über dem Wasserfall, wie ich es mir nicht schöner wünschen konnte. Ganz nahe sah ich mich hier an das große Naturgeschehen herangerückt, es ergriff Besitz von mir mit dämonischer Macht. Das Haus schien fortwährend leise zu erbeben unter dem Donnerschritt der abstürzenden Fluten, und das ging so ohne Ende fort, Tag und Nacht. öffnete ich spätabends das Fenster, ich tat es erst, wenn die etwas va rietehaft anmutende Beleuchtung des Wasserfalls mit Scheinwerfern ihr Ende gefunden hatte, so empfing mich der aus dem Dunkel her auftönende Ruf der Urwelt mit noch stärkerer Macht und riß mich ge bieterisch in sein chaotisches Geschehen mit. Man hat mich später oft gefragt, wie ich denn in diesem unablässigen Gedonner und Geräu sche habe leben, arbeiten, schlafen können? Nie schlief ich besser, und niemals fiel mir auch die Arbeit leichter als in diesem mich ur weltlich-heimatlich umfassenden Getöse, das schließlich wie zum Mantel einer großen Stille wurde, die nichts vom störenden Lärm des Alltags an mich heranließ. Unter diesem Wahrzeichen gedieh mein Bündnis mit dem zauberkundigen Ort zu immer iteferer Hingege benheit, wozu auch noch zwei andere für mich bedeutsame Um stände mitgewirkt haben, ein sinnfällig konkreter und ein geheimnis voll nur zu ahnender: Badgastein bedeutet baulich eine gewaltsame Auftürmung erstklassiger Hotelpaläste in einer wildwuchernden Waldschlucht, ein Gegensatz von ungeheurer und wohl nur einmali ger Prägnanz hat sich hier angekündigt, und das Ergebnis ist - Har monie! Möglich, daß meine Anschauung Widerspruch findet, aber es liegt für mich etwas wohltuend Tröstliches darin, daß Zivilisation und Natur hier einen so einträchtigen Bund geschlossen haben. Man fühlt sich in dieser wie in jener gleich gut aufgehoben, und jeder Wider spruch erlischt vor der Sinngemäßheit des Vorhandenen. Kehrte ich abends von meiner Wanderung über die dämmernden Höhen ins Tal zurück, empfing mich aus tausend glühenden Augen das erregte Geschehen der Welthotels, indes die majestätische Wucht der stillen, schlafenden Berge das so eigenartige Büd wie im einver ständlichen Schutz überdachte. Ich empfand es so, als dürfe der Mensch zu seinem Vorteil auch das Absonderlichste wagen, solange er sich, die Andacht im Herzen, in den Schutz von noch Höherem be gibt. Und so ist es wie ein stilles Geborgensein, was ich vor diesem Bündnis des Welthaften mit dem Ursprunghaften empfinde, und es scheint mir gut, hier zu wohnen. Doch ist in diesem gesegneten Erdwinkel noch eine andere Macht am Werk, die erlauchte Schöpferin dieses ganzen rühmlichen Betriebes, die vieldurchforschte und immer noch rätselhaft gebliebene radioak-

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