Das Musikgymnasium in Linz Balduin Sulzer Im Zuge der österreichischen Schulrefor men, die etwa 1962 einsetzten, bemühten sich der Wiener Gymnasialdirektor Dr. Hans Zwölfer und der damalige Präsident der Wiener Akademie für Musik und darstel lende Kunst, Dr. Hans Sittner, um die Reali sierung eines Schulversuches, der die spe zifische Problemlage jener ,,Mittelschüler" berücksichtigen sollte, die an einer Musik hochschule oder an einem Konservatorium das ungemein zeitaufwendige Studium ei nes Instrumentes betreiben, gleichzeitig aber auch die Matura mit Erfolg hinter sich bringen möchten. Der Schuiversuch wurde im September 1964 im Bundesgymnasium Wien IX, Wasagasse, Installiert und zeltigte sehr bald Früchte, die bei den Schulbehör den und In der Öffentlichkeit Aufsehen er regten. So verfolgte auch der oberösterreichische Landesschulrat die weitere Entwicklung des Wiener Schulversuches mit erhöhtem Inter esse; und da auch der neuernannte Direktor des Linzer Brucknerkonservatoriums, Mag. Gerhard Dallinger, seine Aufgeschlossen heit für dieses Unternehmen bekundete, wurde im Herbst 1973 der Direktorenkonfe renz ein Plan der Landesschulbehörde zur Kenntnis gebracht, im Raum Oberösterreich einen Schulversuch ,,Musikgymnasium" nach dem Wiener Modell einzurichten. Der Direktor des Oberstufenrealgymna siums der Diözese Linz, Karl Kloybhofer, entschloß sich, diese Anregung aufzugrei fen und nach dem Muster des schon be währten Wiener Vorbildes Im Rahmen sei ner Anstalt einen Klassenzug als ,,Real gymnasium für Studierende der Musik" ein zuführen. So besteht also seit Herbst 1974 in den Räumen des ehemaligen Bischöf lichen Lehrerseminars, aus dem so bedeu tende Musikerpersönlichkeiten wie Johann Nepomuk David, Augustin Kubizek, Fridolin Dallinger u. a. m. hervorgegangen sind, das ,,Linzer Musikgymnasium". Es möge die sem illustren Namen Ehre machen! Um ganz kurz die typischen Attribute dieser Schule zu beschreiben: Das Fach MUSIK bildet den eindeutigen Schwerpunkt dieser Schulform; damit aber die anderen Fächer nicht zu kurz kommen, ist die in den übrigen Schulformen vierjährige Oberstufe auf fünf Jahre ausgedehnt. In denen alle Gegen stände der übrigen Oberstufenformen - mit Ausnahme von Bildnerischer Erziehung und Handarbeit - unterrichtet werden. Zur Entlastung des Stundenplans sind ei nige Fächer in Blockform nur zwei oder drei Jahre auf dem Lehrplan zu finden, aber die Norm, die für die übrigen Oberstufenformen gilt, muß auch von den Schülern des Musik gymnasiums erfüllt werden. Im Vergleich zu den rund 35 Wochenstun den der übrigen Schüler haben die Muslkgymnaslasten nur 28 Wochenstunden, wo von fünf Wochenstunden auf Musikkunde entfallen. Der Unterricht an der Schule ist grundsätzlich nur am Vormittag angesetzt, so daß der Nachmittag dem ungestörten Üben am Instrument und den allenfalls an fallenden Hausübungen In den Schul fächern vorbehalten bleibt. In diesem Zu sammenhang sei auf die große Verantwor tung und auf das Einfühlungsvermögen der Lehrer hingewiesen, die einerseits den Schüler für das gebotene Interesse auch an außermusikallschen Fächern zu motivleren, andererseits aber auch die tägliche Übungsarbeit am Instrument, die in vielen Fällen ein durchschnittliches Ausmaß von vier bis fünf Stunden erreicht und die physi schen wie psychischen Kräfte des Schülers weitgehend vereinnahmt, zu berücksichti gen haben; daher scheint es unerläßlich, daß die Lehrer durch den Besuch von Vor tragsabenden und Konzerten mit diesen spezifischen Anliegen Ihrer Schüler ständig konfrontiert sind und womöglich, besonders im Rahmen von Sing- und Schullandwo chen, mit den musikalischen Übungs- und Trainingsvorgängen bekannt gemacht wer den; nurauf dieser Basis kann einegerechte Einschätzung der Schülerleistung erzielt werden. Die Schüler des Musikgymnasiums sind zu gleich Schüler am Brucknerkonservatorium oder an einerderMusikhochschulen in Wien bzw. Salzburg, wo sie ihren Instrumentalun terricht erhalten. Die Aufnahme an einer der genannten Anstalten Ist Voraussetzung für die Aufnahme ins Musikgymnasium; auf diese Welse Ist gewährleistet, daß nur ernst lich begabte und technisch einigermaßen versierte Schüler ins Musikgymnasium kommen; bricht der Schüler sein Instrumen talstudium ab, muß er auch das Musikgym nasium verlassen. Der Musikunterricht am Musikgymnasium umfaßt die sogenannten Ergänzungsfächer, die im Rahmen des ordentlichen Instrumen talstudiums an Konservatorien und Musik hochschulen vorgeschrieben sind: Allge meine Musiklehre, Gehörbildung, Instru mentenkunde, Harmonielehre, Grundlagen des Kontrapunktes, Formenlehre und Mu sikgeschichte. Dazu werden praktische Übungen durchgeführt, vor allem Chorgesang und Orchesterübungen; laut Lehrplan muß der Ausbildungsstand in den prakti schen Übungen mehrmals im Jahr in öffent lichen Aufführungen dokumentiert werden. Die theoretischen Fächer sind Gegenstand einer fünfstündigen schriftlichen Matura, die für alle Kandidaten verpflichtend ist; die mündliche Matura aus Musikkunde wird zur freien Wahl angeboten. Am Linzer Brucknerkonservatorium bietet sich außerdem für die Musikgymnasiasten die günstige Möglichkeit, ab der 7. Klasse parallel zum Instrumentalstudium den Lehr gang Musikerziehung B (Instrumentalleh rerausbildung) zu belegen, wobei alle am Musikgymnasium gelehrten Ergänzungs fächer angerechnet werden; in diesem Fall kann der Studierende etwa gleichzeitig mit der Matura die Lehrbefähigungsprüfung für das Instrumentalfach ablegen und ist - bei spielsweise im Bereich des oberösterreichi schen Musikschulwerkes - an jeder Lan desmusikschule als voll geprüfte Lehrkraft einsatzfähig. Das nunmehr seit sieben Jahren beste hende Linzer Musikgymnasium Ist zu seiner Vollform herangereift, es lassen sich nach der zweiten Matura erstmals konkrete Er fahrungswerte hinsichtlich Schüler und Lei stungsniveau der Institution selbst erbrin gen. Das Haupteinzugsgebiet, aus dem die Schüler des Musikgymnasiums kommen, sind die ländlichen Gebiete Oberöster reichs, in einzelnen Fällen sind auch Niederösterreich, die Steiermark und Tirol ver treten. Die schulischen Voraussetzungen wurden an diversen AHS, vielfach jedoch an Hauptschulen erworben, so daß dem ersten Jahrgang (5. Klasse) eine gewisse Anglei chungsfunktion hinsichtlich des oft sehr un terschiedlichen Vorbildungsgrades in den außermusikalischen Fächern zufällt. Die musikalische Vorbildung wird meist durch die bereits ausgezeichnet funktionierenden Landesmusikschulen vermittelt, oftmals lei sten auch die Blaskapellen wertvolle Vorbil dungsarbeit. Leider fehlen in Oberöster reich noch die Musik-Volksschulen und Muslk-Hauptschulen mit verpflichtendem In strumentalunterricht, die sowohl ein brei tenwirksames Vorfeld für die Instrumental musik insgesamt bilden, als auch eine niveauhebende Wirkung auf das Musik gymnasium selbst ausüben könnten. Jene Schüler, die Ihren elterlichen Wohnsitz nicht in Linz haben, sind teils in Heimen, teils privat untergebracht, wobei sich in jedem Fall das Problem der Bereitstellung von an gemessenen Übungsmöglichkeiten ergibt. Hier müßten sich die zuständigen Stellen noch um eine sachgerechte und großzügige Lösung bemühen, denn ein Defizit an Trai ningsmöglichkeit nagt am Lebensnerv der Institution. Nach bisherigen Beobachtungen erreichen etwa 70 Prozent der aufgenommenen Schü ler die Matura; der Grund für die Ausfalls quote von 30 Prozent liegt durchwegs auf schulischem Sektor; vor allem das Fach Ma-
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