Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 2, 1981

Die Brucknerorgei im Alten Dom von Linz Geschichte und Bericht nach der jüngsten Restaurierung Rupert Gottfried Frleberger O. Praem. Die wechselvolle Geschichte der Orgel der Ignatiuskirche (Alter Dom) in der Landes hauptstadt Linz beginnt eigentlich mit der Gründung der Diözese Linz im Jahre 1785. Nach Aufhebung des Jesuitenordens lag es auf der Hand, das vermutlich von Pietro Francesco Garione im 17. Jahrhundert er richtete Gotteshaus als Domkirche zu ver wenden. Nun entsprach aber die vorhan dene Orgel keineswegs den Anforderungen einer Dommusik, so daß die Suche nach ei nem passenden Instrument wohl berechtigt war. Mit der Sorge um eine Orgel für den Dom betraute man den hierzulande offenbar bestens bekannten ,,berühmten" Orgelma cher Franz Xaver Chrisman. Franz Xaver Chrisman wurde am 24. 5. 1726 in Reifenberg bei Görz geboren, entstammte einer einfachen Familie und erhielt seine erste Bildung wahrscheinlich an einem Jesuitengymnasium. Nach dem Theologiestudium wurde er 1 750 zum Priester geweiht. Als Lehrzeit des Orgelmacher handwerkes können die Jahre 1754 bis 1758 an genommen werden. Er starb am 19. (20.) Mai 1795 in Rottenmann/Stmk. Von ihm selbst wis sen wir seine Herkunft über den Orgeimacher Pietro Nacchini, der seine Werkstatt in Venedig hatte. Sein für die Donauiande völiig neuer Orgelbaustii ist die Verschmelzung von Elementen der italienisch-venezianischen Principaiorgel, das Obernehmen gotischer Bauprinzipien und das Anwenden oberitalienischer Frühromantik, wie sie in den Werken der Orgeibauerdynastie Serassi dort bestens dokumentiert ist. Dem Zeitgeist entsprechend, dachte man gar nicht so sehr an eine neu zu errichtende Orgel, sondern an geeignete, auf Grund der Klosteraufhebungen nicht mehr gebrauchte Instrumente. Das Urteil Chrismans über die vorhandene Orgel bestätigte ihre Unzuläng lichkeit; er hätte nämlich niemals etwas Schlechteres der Art gesehen. Bei näherer Besichtigung stellten sich auch die In Aus sicht genommenen Instrumente der Stifts kirchen von Baumgartenberg und Gleinkals nicht geeignet heraus. Nun fiel aber just in diese Zeit der Todesfall des Abtes von Engelszell und damit die In korporierung dieses Stiftes an Wilhering. Die für dort von Chrisman selbst verfertigte Orgel - er hatte sie, nachdem die Klosterkir che Engelszell nach einem Brand 1699 neu errichtet wurde, nach 1760 gebaut - war also ohne weitere Bestimmung und wäre somit für die neue Domkirche In Linz frei ge worden. Zuvor hatte Chrisman noch Ko stenvoranschläge zwischen 3000 und 5000 Gulden für eine ganz neue Domorgel erstellt. Auch beim ,,Linzer Orgelmacher" erkundigte sich das Domkapitel; dieser war aber ,,auf Jahre hinaus mit Arbeit einge deckt und zu alt". Die Entscheidung über die Engelszeller Or gel verzögerte sich, so daß Zeit für neue Überlegungen blieb. Die geistliche Musikdirektion, Johann Georg Roser und Joseph Glöggl, versuchten 1788, dem Magistrat in sechs Punkten die Ungeeignetheit der Engelszeller Orgel hervorzu kehren und schlugen die Transferierung der von Chrisman verfertigten St. Florianer Stiftsorgel vor, diese sei ,,. . . unstreitig die prächtigste Orgel im Lande . . . und ... die allerangemessenste für die Domkirche". Schließlich nahm Chrisman, nachdem er zuvor mit Roser und dem in St. Florian ar beitenden Orgelmacher Daniel List die Si tuation in Engelszell geprüft hatte und die Adaption dieser Orgel samt dem Schiffs transportlohn immer noch billiger kam als ein Neubau, die Übersetzung der Engelszel ler Orgel nach Linz vor, wobei das ursprüng liche Gehäuse dortselbst verblieb. In Linz selbst waren Umänderungen des Musikcho res notwendig, wegen der Lichtverhältnisse wurde ein zweiteiliges Gehäuse mit Ausspa rung des Fensters an der Westselte vorge sehen. Schließlich machte er das ursprüng lich als stumm vorgesehene Brüstungsposi tivgehäuse als drittes Manualklavier mit Pfeifen spielbar. 1790 waren diese Arbelten so gut wie abgeschlossen. Die vorhandenen Protokolle entbehren lei der jeder Aufweisung einer Disposition. Auch die Gestalt der Engelszeller Ghrismanorgel Ist nicht In Quellen überlie fert. So verbleiben wenige, zum Teil diver gierende Berichte späterer Zeit. Einer davon ist ein Inventarder Domkirche von 1828, das wahrscheinlich auf einen ziemlich unkundi gen Schreiber zurückgeht und dem nicht allzu gewichtige Bedeutung beigemessen werden darf. Das andere, zweifellos Interessantere Do kument Ist ein Bericht des Orgelbau-Autodi dakten und Landwirtes Matthäus Höfer aus Niederwaldkirchen anläßlich einer Repara tur im Jahre 1844. ,,Dle Stärke der Orgel be steht in 53 Registerzügen, drey Manuale, Pedal und 5 Blasbälgen, wovon nur ein Bäl genzug angebracht ist! Die übrigen 4 Bälge dienen zurWindreserve (Magäzin). Zum un tern Manuale befinden sich zwey Reihen Registerzüge mit 18 Knöpfen, welche zwey große Mixturen, eine 8-, die andere 4füßig ansprächen. Zum mittleren Manuale gehö ren 17 Register und ein Goplungszug, womit man das mittlere Manuale mit den unteren copuliert. Das obere Manual hat nur 4 Regi ster und ein Sper-Ventil. In dem Pedale sind 5 Register. In diesem Orgelwerke befinden sich mehrere Register, wo auf einen Zug mehrere Reg Ister-Knöpfe herausgehen." Selbst wenn man nun noch die Angaben zwischen den Zeilen der Voranschläge der nächsten großen, das Werk ziemlich ver ändernden Umgestaltung unter Josef Breinbauer - die gleich im folgenden be schrieben wird - mit einbezieht, muß ehrli cherweise zugegeben werden, daß es nicht gelingt, die ursprüngliche Disposition der Chrismanorgel auch nur annähernd zu re konstruieren. Sicher hatte sie wie seine an deren Orgeln viele geteilte Register, daher die Menge an Registerzügen; im Hauptwerk hatte sie ein Blockwerk, d. h. mehrere Regi ster auf einer Lade ohne Auflösung in Ein zelschleifen wie eine große Mixtur, wie wir es auch aus der Disposition von St. Florian wissen; im Positiv hatte sie das Register ,,Echo 8" und irgendwo noch eine ,,Vox humana" als Schwebeprinclpal Im Diskant. Wollen wir eine Charakterisierung geben; Auf jeden Fall handelte es sich um ein für Chrisman ganz typisches Instrument, das wiederum den Stil der früheren oberitallenischen Orgel mit den aus dem Phantasie reichtum der Spätbarockzeit entstandenen neuen Klangfarben vereinigte und vielleicht noch einen Schritt weiter als die große Florianerin ging (wenn sie sich auch nicht mit deren Größe und wegen des Verschmel zens des Engelszeller Materials mit neuem nur kompromißhaft vergleichen läßt). Schließlich ist trotz derfolgenden Umbauten in der Orgel des Linzer Alten Domes der größte Bestand an Ghrisman-Material er halten geblieben. Die schon gestreifte Veränderung in der Mitte des 19. Jahrhunderts war im Zuge ei ner gesamten Kirchenrenovierung gesche hen. Dabei bedingte die Umgestaltung des Musikchores einen Abbruch und Wieder aufbau der Orgel. Es waren schon 1853 Pläne für eine Umgestaltung der Orgel an gesprochen worden, die vorderhand aber durch eine Änderung des Bischöflichen Konsistoriums (ohne Bischof) vom 17. Sep tember 1853 beiseite geschoben wurden, welches ,,eine absolute Nothwendigkeit oder gar Dringlichkeit des Umbaues der Or gel in der hiesigen Domkirche durchaus nicht anerkennen" konnte. Erst der seit 1853 amtierende Bischof Franz Joseph Ru digier und der 1855 berufene Domorganist Anton Bruckner konnten das Vorhaben wie der erfolgreich aufgreifen. Zunächst erhielt der In Ottensheim ansäs sige Orgelbauer Josef Breinbauer den Auf trag, das ,, Vorderpositiv" vor das Fenster in die Nische zu setzen und zu verbessern, im übrigen die Orgel in jenen Zustand zu ver setzen, in welchem sie sich vor Hebung der Empore befand. In diesen Zustand griff Do morganist Bruckner mit Unterstützung des amtierenden Ghorvikares Gregor Arminger

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