Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 2, 1981

Die Stellung der oberösterreichischen Klöster im Musikbetrieb der Gegenwart Balduin Suizer „Lesen und Singen" waren nach Auskunft einer „Schulordnung" von Lambach die grundlegenden Fächer, die in den mittel alterlichen Klosterschulen unterrichtet wur den; zusätzlich wurden die Schüler im Eiementarstadium, dem sogenannten Trivium, mit Grammatik, Rhetorik und Dialektik be kanntgemacht. In der Oberstufe, dem Quadrivium, wurden Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik angeboten, wobei sich die musikaiische Ausbiidung sowohl auf Theorie wie auch auf Praxis (neben kul tiviertem Ghoralgesang scheint ein Großteil des damals verwendeten Instrumentariums, wie Zupf-, Streich- und Blasinstrumente, im klösteriichen Bereich auf) bezog. Interes sant Ist die Tatsache, daß sich über viele Jahrhunderte die gesamte Weiterentwick lung der Musik Im Rahmen der Klosterschu len vollzog, etwa Entstehen und Wachsen der Mehrstimmigkeit, Notierbarkelt der Mu sik, stiiistische Differenzierungen im Rah men der ,,Ars antiqua", ,,Ars nova" oderder ,,niederländisch-burgundischen" Musik: die damalige Avantgarde steilten die Musikmei ster der den Klöstern und Bischofsresiden zen angegliederten Sängerknabenschulen. Zieht man dazu in Betracht, daß derartige institutionen die einzigen Vorposten im Kampf gegen den Analphabetismus waren, daß also die gesamte geistige Elite diese Schuien durchlaufen mußte und daher mit den Bereichen der Kunstmusik engstens vertraut war, erklärt sich die zentrale Stel lung derTonkunst In den Jahrhunderten des Mittelalters. Freilich waren es im Hochmitteiaiter vornehmiich die französischen Kiöster, die als Hochburgen musikalischer Kunstgalten,die an der Peripherie des christlichen Kuiturbereiches liegenden Mönchsniederlassungen hatten jedoch mit ihren Stammklöstern gu ten Kontakt und stimmten neben den monastlschen und diszipiinären Beiangen gerne auch die künstierischen Interessen auf die französischen Vorbilder ab; nurso ist die ra sche Verbreitung des französischen Bau stils, d. h. der Gotik, aber auch der französi schen Musik, d. h. der Mehrstimmigkeit nach dem Vorbiid der Schuie von NotreDame in Paris, zu erkiären; kurzum, die Kiö ster waren in ailer Weit hinsichtiich der Kunst erklärte Vorkämpfer für das Neue. Diese Zelten sind vorbei. Heute gelten die Kiöster, von wenigen Ausnahmen abgese hen, als Bewahrungsstätten für Künste ver gangener Epochen und als Stätten intensi ver, zu einer eigenen Disziplin ausgebauter Denkmaipfiege. Die Baugeschichten wer den erforscht, man lebt sich in die Ästhetik früherer Epochen ein, Restaurierungen die nen vor allem der Wiederaufdeckung stillstl- / ..vT' 'kl Die oberösterreichischen Kiöster erhielten im Barockzeitaiter ihre heute noch bestim mende Architektur, den unvergleichlichen Zauber ihres künstlerischen Dekors. Die Ver herrlichung der Musik war für die barocken Stukkateure und Maier eine Selbstverständlichkeit. Ais Bildbeispiei: Stuckdetail aus der Decke des Prinz-Eugen-Zimmers im AugustinerChorherrenstift St. Florian. Foto: M. Eiersebner scher Urideen, die prachtvoll wiederherge stellten Abteien und Stifte künden gleichzei tig von einer kulturbewußten Vergangenheit wie auch von einer kunstgeschichtlich ver sierten Gegenwart. Was liegt nun näher, als daß die Ihrerseits ebenfalls schon seit etwa 150 Jahren auf denkmalpflegerische Aktivitäten ein schwenkende Kunstmusikpflege mit den ihr stilistisch adäquaten Bauwerken in Verbin dung gebracht wird? Die Zeit ist reif dafür, daß Musik vergangener Zeiten in dem ihr angemessenen baulichen Rahmen erklingt; der für stilistische Valeurs sensibilisierte Musikfreund erlebt In dieser optisch-akusti schen Symbiose ein Gesamtkunstwerk von erstaunlicher Intensität. Nurso ist etwa der außergewöhnliche Publi kumserfolg der ,,Oberösterreichischen Stiftskonzerte" zu erklären, die einige fin dige Köpfe, darunter die Wiener Hochschul professoren Hans Petermandl und Heinz Medjimorec, sowie der Linzer Dipl.- Ing. Carl Steiner, gerade zur rechten Zeit ins Leben gerufen haben. Die kommerzielle Basis die ses nunmehr seit acht Jahren bestehenden Unternehmens bildet ein Verein von rund 370 Mitgliedern, der auch den Hauptanteil der Abonnenten stellt. Großzügige Förde rung des Landes Oberösterreich, sowie eine Subvention des Bundesministeriums für Un terricht und Kunst ermöglichten bisher einen positiven Rechnungsabschluß. Weitere Hil feleistungen kommen von der Oberösterrei chischen Volkskreditbank, die Druck- und Werbekosten übernahm, vom Verkauf von Schallplatten sowie von ORF-Mitschnitten. Das künstlerische Konzept der oberöster reichischen Stiftskonzerte definiert sich als eine Art Kammermusikfestival, das von Mitte Juni bis Anfang August in den dafür geeigneten Räumlichkeiten einiger Stifte unseres Bundeslandes abläuft. Von den In Anspruch genommenen Sälen erweist sich der nach Plänen von Carlo Antonio Carlone 1694—1696 erbaute, an die 450 Per sonen fassende ,,Kaisersaal" von Krems münster als Idealfall. Ob es sich um Lieder abende, Klavierabende oder Quartettver anstaltungen handelt: der Kaisersaal der Benediktinerabtei stellt die musikgerechte ste Akustik bei. Der berühmte Prandtauersaal des Stiftes St. Florian hingegen, der Marmorsaal, bringt durch seine Helligkeit speziell für reine Klaviermusik und größere Ensembles (vor allem für Chöre und in Baßund Schlagwerkbereichen stärker besetzte Instrumentalgruppen) akustische Eintrü bungen. Hervorragendes KammermusikFeeling erwächst dem Zuhörer im Garstener ,,Sommerchor". Der mit reichlichen Stuck arbeiten ausgezierte, knapp 250 Personen fassende Saal eignet sich trefflichst für Cembaloabende oder reine Soloabende für ein Streichinstrument - unvergeßlich etwa Heinrich Schiffs Celloabend In der Saison 1980 mit Werken von Bach und Kodaly. Die kleinste Räumlichkeit stellt das Stift Schlier bach mit dem um 1700 erbauten ,,Bernhardisaal" bei. Hier läßt sich vorzüglich auf al ten Instrumenten musizieren, deren eher zarte Tonqualität in diesem intimen Rahmen voll zur Geltung kommt. Wenn es die Pro grammgestaltung erfordert, laden die Ober österreichischen Stiftskonzerte von Zeit zu Zeit auch in die Dreifaltigkeitskirche von Stadl-Paura ein. Die spezifische Anlage dieser Kirche mit ihren drei Emporen und den drei gut restaurierten Egedacher-Orgeln eignet sich vornehmlich für mehrchöriges Musizieren.

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