Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 1, 1981

Der gotische Fiügeiaitar von St. Woifgang als Aufgabe der Denkmalpflege Norbert Wibiral Es gibt wenig Werke der mittelalterlichen Al tarkunst, über deren Entstehung wir so gute Kenntnis haben, wie den Hochaltar Michael Pachers für die Pfarr- und Wallfahrtskirche in St. Wolfgang am Abersee. Während die Autorschaft des zweiten großen Retabels, des Hochaltares der Pfarrkirche von Kefermarkt, ungelöst geblieben ist, gab von An fang an eine bis heute erhaltene, an den Au ßenflügeln angebrachte Inschrift eindeutige Kunde vom Auftraggeber, dem Künstler und dem Jahr 1481 als Zeitpunkt der Fertigsteiiung. Zwar konnten auch im vorigen Jahr hundert noch ,,Schnitzer" unterlaufen, wie der des Freiherrn Eduard von Bach, welcher in seiner Eingabe an den Ministerdes Kuitus und öffentiichen Unterrichtes, Graf Leo von Thun, vom 17. Juli 1851 die Aitargemälde als Originalwerke Albrecht Dürers bezeich net hat, doch war man sich offenbar schon seit der Enstehung des Wertes dieser künst lerischen Gesamtschöpfung bewußt. Als der große Historiker Ignaz ZIbermayr 1912 in den Mitteilungen des Instituts für österrei chische Geschichtsforschung den von ihm entdeckten Vertrag mit Michael Pacher vom 13. Dezember 1471 veröffentlicht hat, wurde auch bekannt, daß schon der Auf traggeber, Abt Benedikt Eck von Mondsee, fürdie Figurengruppe der Marienkrönung im Hauptschrein von Pacher verlangte, daß er sie ausführen solle nach dem chostlichem und pesten, so er das gemachen mag (Abb. 1). Das ganze Retabei ist als einheitlich ge plantes und organisiertes Werk schon großteils in der Werkstatt des Meisters in Brun eck In Südtirol fertiggestellt worden und mußte In seinen Teilen von dazu Lande und zu Wasser über 300 km weit nach seinem Bestimmungsort transportiert werden, eine enorme technische Leistung, wenn man auch nur einige Maßangaben bedenkt: 12,16 m Höhe, 77 Figuren verschiedenster Größe, 31 Tafelbiider mit insgesamt 67 m^ /Fläche usw. (Abb. 2). Zwar kennen wir das Jahr der Fertigstellung des Werkes mit 1481, jedoch Ist nicht sicher, ob es auch damals schon aufgestellt werden konnte, denn 1480 brannte das Dach der Kirche ab und ein im 17. Jh. schreibender Chronist des Mondseer Klosters berichtet, daß die Reparatur erst 1489 abgeschlossen worden sei. Aus der gleichen Quelle erfah ren wir, daß Abt Wolfgang Haberl (gest. 1521) nach einem neuerlichen Brand des Ortes im Jahre 1514, bei dem wieder die Kirche in Mitleidenschaft gezogen wurde, Restaurierungen am und im Bau vornahm und dabei tres . . . altarium tabulas depingi fecit. Aus Gründen, welche hier im einzel nen nicht dargelegt werden können, ist an zunehmen, daß dies Mal- bzw. Faßmalerar beiten waren und auch der Pacher-Altar da von betroffen worden sein dürfte. Tatsäch lich vermutete man schon seit längerem - und die neuesten technologischen Untersu chungen haben dies erhärtet-, daß zwar die Goidpartien original sind, jedoch die Figuren an den inkarnaten und Gewändern - außer teilweise noch späteren Schichten - eine erste Übermalung erhalten haben, deren Farbmittel, aufgrund der Analysen, vom 15. bis zum 17. Jh. üblich waren, in diesem Zeitraum ist die erste Übermaiungsschicht auf die gotische, darunter im wesentlichen noch erhaltene Fassung aufgebracht wor den. Möglicherweise also schon unter Abt Haberl, wenngleich andere aus stilistischen Gründen erst für das 17. Jh. eintreten. Der Unterschied sei an den zwei mittleren En gelhalbfiguren mit Vorhang im Hauptschrein gezeigt. Der linke mit rötiichgeibem Inkarnat und dunkelbraunen Haaren zeigt das über lieferte ,,neuzeitliche" Erscheinungsbild der Fassung, der rechte mit bieichrosa Inkarnat und Haaren in Geibocker die originale goti sche Fassung. Allein bei diesem Engel ist die Freiiegung auf das Original als Muster stück verblieben, ansonsten wurde während der letzten Konservierungs- und Restaurie rungsaktion die erste neuzeitliche Übermaiung der Fassung als eigenständiger, ge schichtlich gewordener Zustand respektiert. Das infoige der Aufhebung Mondsees leider dezimierte Klosterarchiv liefert dann keine Nachrichten zum Hochaltar, wenn wir von der heute nicht unumstrittenen Interpreta tion einiger Schriftstücke im Zusammen hang mit der Errichtung des SchwanthaierAitares 1675/76 absehen. Er soll ursprüng lich - falls kein Schreibfehler vorliegt - als Chor-Altar vorgesehen gewesen sein, was den Abbruch des Pacher-Aitares zur Folge gehabt hätte, und es wurde aus der Tatsa che der Aufstellung am jetzigen Ort ge schlossen, daß Schwanthaler selbst zur Schonung des gotischen Werkes geraten habe. Erst für 1795, wenige Jahre nach der Aufhe bung des Mutterklosters, besitzen wir aus dem Pfarrarchiv die ersten, direkt auf den Altar bezüglichen Nachrichten: Ausbes serung mit Blech (!) und Leimungsarbeiten an der Marienkrone. Es war die Zeit des Pfarrers Michael Neuhauser (Pater Gregor Neuhauser), des letzten Mönches als Pfar rer zu St. Wolfgang, der in einer Eingabe an das neu gegründete Bischöfliche Ordinariat in Linz vom 17. April 1787 ausspricht, daß unser Hochaltar der schönste Ist, so Ich je mals gesehen hab. Im frühen 19. Jh. beginnt das Interesse am Wolfgangaltar auch in der Reiseiiteratur seinen Niederschlag zu finden. Franz Anton SüizI, der zwischen 1792 und 1812 Schul lehrer in St. Wolfgang war, verfaßte eine handschriftliche ,,Kurze Beschreibung der Umgebung des Abersees samt den Im Markte St. Wolfgang befindlichen merkwür digen Alterthümern", in welcher auch der Al tar berücksichtigt wird. 1822 erschien die erste gedruckte Beschreibung des Altares und seiner Inschrift durch den Kustos der Ambraser Sammlung, Alois Primisser, und im September des folgenden Jahres weilte Anton Ritter von Spaun in St. Wolfgang, wo er eine offenbar nur handschriftlich überlie ferte und vom Oberösterreichischen Muse alverein später in Abschrift erworbene (der zeit nicht auffindbare) Beschreibung verfaß te. Auch die Bildzeugnisse beginnen sich von da an zu mehren: 1842 datiert die erste bis jetzt bekannt gewordene Darstellung von Karl Schnorr von Caroisfeid, 1847 die Blei stiftzeichnung der Maria mit vier Engeln von Leopold Kupelwleser, 1855 und 1860 zwei farbige Gesamtdarstellungen des Altares von Rudolf von Alt, 1856 eine nur noch pho tographisch erhaltene Zeichnung von Mi chael Stolz und Georg Mader (Abb. 3), 1858 der Stich von Paul Ritter nach einer Zeich nung von Josef LIppert in der ersten wissen schaftlichen Publikation von Eduard v. Sakken. Schließlich Ist der Altar gut vertreten In der 1861 /62 von Josef Lelmer herausgege benen lithographischen ,,Sammlung mittel alterlicher Kunstwerke aus Österreich" von Carl und Franz Jobst, für welche kürzlich In einem größeren Konvolut mehrere Dutzend St. Wolfgang betreffende Blätter mit Origi nalzeichnungen dieser beiden Brüder im Oberösterreichischen Landesmuseum wie der gefunden worden sind. Für das Jahr 1837 ist eine Entstaubung bzw. Reinigung durch datierte Namensinschrif ten von Handwerkern am Gesprenge gesi chert. Größer sind aber die Sorgen um das Bauwerk selbst: 1846 berichtet der Pfarrherr Jakob Mellich an das Ordinariat, daß die äu ßerst schadhaften und zersprungenen Mauern des Presbyteriums durch Blitz schlag so einsturzgefährdet seien, daß der Prister nur mit Furcht und Zittern den Altar betreten kann. Im Wege der k. k. Statthalterei des Landes ob der Enns wird der Landesbaudlrektor Josef Baumgartner einge schaltet und Statthalter Freiherr Eduard v. Bach wendet sich 1851 in der eingangs er wähnten Eingabe an den Kultusminister in Wien. 1852 werden die Eichenpfähle, auf welchen das vier Klafter tiefe Fundament der Kirche seit dem 15. Jh. ruhte, wegen fortschreitender Vermoderung herausge nommen und das Fundament In einer Tiefe

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2