Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 4, 1980

Türkischer Bauer, Kohlezeichnung, sign. i. unten: HD 73, 35 X 50 cm Lesende, Kohlezeichnung, sign. r. unten: HD 73, 35 X 50 cm tätsgrad, welcher notwendig ist, um vordem gestrengen Urteil ihres spiritus rector be stehen zu können. Sie liegen dann gebün delt oder lose zuhaut in irgendeinem Winkel des mit zahllosen Arbeiten angefüllten, ge heimnisvoll-heimeligen Ateliers. Solches sich über Jahre dehnende Schaffen wird erst dann vollends verständlich, wenn man Dimmeis Vergleich der Kunst mit einem Perpetuum mobile kennt, weiches ohne An fang, ohne Ende die Gewichte des Lebens, der Natur und des Geistes in ihrer unermeß lichen Fülle beansprucht, um die Überwin dung des toten Punktes zu erreichen. Dimmel als ein aus tiefstem Erleben Schöpfen der und ohne dieses Erleben nicht schaffen Könnender, als ein im Schöpfungsvorgang auch immer die Empfindung des Göttlichen Erfassender, einer, der sich somit stets und unmittelbar der Polarität von Leben und Tod bewußt ist (. . . Sterben ist die einzige Si cherheit, die wir haben, wenn wir zu leben beginnen . . .), einer, der, solange er schafft, nicht aufhören kann, den schmalen Grad des eigenen Daseins mit neuem Er kennen und Erkenntnissen zu füllen, ist sich der Ausgesetztheit solcher Positionierung voll bewußt. Denn anders als bei anderen bedarf es bei ihm des aus tiefem Erleben kommenden Schaffensanspornes, einer ,,abstrakten, inneren Wahrheit". Von dieser Grundgesetzesmäßigkeit ausgehend, er folgt dann als zweiter Schritt jener der For mulierung durch die menschliche ratio: Kunst als Ergebnis des menschlichen Gei stes also. ,,Deshalb muß auch jeder Künst ler zuallererst einmal denken können!" Dimmel kann die Existenz eines ausschließ lich aus emotioneiien Quellen schöpfenden, diesen geistigen Umformungsprozeß um gehen wollenden Künstlers nur leugnen. Gleichzeitig muß ihm aber auch die Angst vor dem möglichen Versiegen der schöpfe rischen Kraft, vor der Möglichkeit, irgend wann einmal den toten Punkt nicht mehr im Sinne des obzitierten Perpetuum mobile überwinden zu können, mit erschreckender Deutlichkeit stets im Nacken sitzen, wird ihn wohl nie mehr verlassen. Neben dieser ersten Bedrohung des Ver siegens der schöpferischen Kräfte steht als Gegensatz aber ebenso schlimme Gefähr dung das Abgleiten ins äußerlich Brillante. Denn natürlich agiert die Hand jedes Künst lers mit zunehmender praktischer Erfahrung weitgehend selbständig, vollführt ihre Ge sten auch automatisch ohne geistige Dekkungskongruenz. Dimmel weiß sehr wohl, daß das besondere Kunstwerk jedoch nur dann gelingen kann, wenn es einer inneren Triebkraft und Notwendigkeit im Sinne des vorher Gesagten folgt. Wenn hingegen das Grundsätzliche durch das Menschliche überwuchert wird, gleitet Kunst stets ins Theatralische ab. Auch diese Gefährdung erkennt Dimmel mit klarem Bück. Sein Kunstbegriff ist somit ein völlig abstrakter, sich gegen jedwedes Arrangieren wie auch alles Literarische wendender. Kunst muß unwiderruflich und unwiderholbar sein. Ais eine bloße Vielheit von Variationen wird sie zur Künstlichkeit reduziert. Wen wundert es, daß der solcherart Begnadet-Gestrafte erklärt: ,,Sieben Stufen der Verzweiflung - sagen die Alten - muß der

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