Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 4, 1980

und eigenwilligsten Denkmäler aus der Spätphase der franziszäischen Zeit erhal ten. Aber diesen Denkmalkauf verhinderte der „Anschluß". Graz konnte allerdings das 1877 für Pola errichtete Tegetthoff-Denkmal von Kundmann 1935 käuflich erwerben22. Immer wieder wird der Versuch gemacht, Klassizismus und Romantik streng, auch chronologisch, zu trennen. Und man meint auch, daß beim Klassizismus der Bildhauer, In der Romantik der Maler dominiert. Aber gerade In Oberösterreich werden die flie ßenden Übergänge besonders deutlich; man erkennt den auch im Künstlerischen sichtbaren West-Ost-Trend, die vielfach vom Westen kommenden, Oberösterreich überspringenden und erst von Wien, also von Osten, nach Oberösterreich vordrin genden neuen Stilrichtungen. Die Mittelstel lung Oberösterreichs zwischen München und Wien, in der Malerei immer wieder sym pathisch spürbar, ist in der Plastik selten nachweisbar. Alle wesentlichen In Ober österreich beschäftigten Bildhauer kommen aus Wien. Man kann also In Oberösterreich Stilrlchtungen nicht nach Jahreszahlen -auch nicht in ihrer Verzögerung gegenüber Frankreich und den deutschen Ländern - erfassen. Während hier etwa schon das ,,modernste" Denkmal dieser Gründerjahre Im plasti schen Bereich, Metzners StelzhamerDenkmal, errichtet wird, ist die Neugotik noch nicht völlig abgeschlossen, weder in vereinzelten Dorfkirchen noch im Linzer Dom, dessen Bau erst ein Jahrzehnt nach dieser Denkmalerrichtung abgeschlossen wird. Aber nicht nur eine zeitliche Einschachtelung ist unmöglich. Auch viele andere - ge wiß fragwürdige - ,.Gesetzmäßigkeiten" gelten für Oberösterreich nicht. Hier gibt es erfreulicherweise keinen ,,kostümierten Hi storismus" - dazu sind die dargestellten Persönlichkelten auch gar nicht geeignet. Stifter ist bei Errichtung seines Linzer Denkmals erst 34 Jahre tot und Stelzhamer erst 22 Jahre. Kaiserin Elisabeth war nur vier Jahre vor der Errichtung der Linzer Ge denktafel ermordet worden und Kaiser Franz Josef Ist bei der Enthüllung sogar per sönlich anwesend. So kennt man weder in Linz noch in Steyrdie ,,geborgten Formen" des historischen Stils. Man kennt bei den oberösterreichischen Standbildern verständllcherweise auch keine ,,blutleere Allegorlk", und der,.sachliche Realismus" je ner Jahre istgroßteils in einen ,,gemütlichen Realismus" gewandelt. Aber auch andere Wiener und ausländische Wertungen und Erfahrungen gelten für Oberösterreich nicht; so ist nirgends der Pathos des roma nischen französischen Bildhauers Rüde sichtbar, den wir In seiner,,Marseillaise" am Pariser Are de Triomphe erkennen. Es ist durchaus die ,,gute alte Zelt", die Im Stifter-Denkmal Rathauskys sichtbar wird, die ,.selbstbewußte Gegenwart", die ein wenig überheblich und gleichermaßen pa triarchalisch Tilgners Werndl-Denkmal do kumentiert. Aber weder das Rieder noch das Linzer Stelzhamer-Denkmal vermögen je nen explosiven Realismus auszustrahlen wie etwa Rodins ,,Balzac". Und dieser Bal zac entsteht Im selben Jahr wie das Linzer Stifter-Denkmal! Noch früher, 1884 bis 1886, gelingt dem Franzosen Rodin mit sei nen ,,Bürgern von Calais" der große Durch bruch zur Moderne. Für Oberösterreich und Linz mag es aller dings ein Trost sein, daß auch die meisten seiner französischen Zeitgenossen Rodin nicht verstanden und daß unter den unzähli gen Denkmälern der französischen Haupt stadt, die zu 90 Prozent im 19. Jahrhundert entstehen, kein einziges von Rodin, diesem wahren Nachfolger Michelangelos, stammt. Der erste Weltkrieg schließt vorerst diese bedeutsame, nur zwei Jahrzehnte umfas sende Phase ab. Es werden zwar auch In der Zwischenkriegszelt, mehr noch nach dem zweiten Weltkrieg, neue Dokumente der Aufbauarbeit und des Gedenkens an große Männer der Vergangenheit gesetzt - und zwar bis zur Gegenwart. Der Enthu siasmus der Jahre zwischen 1894 und 1914 wird nicht mehr erreicht, denn nicht jede Zeit ist dafür geeignet und reif. Anmerkung der Redaktion: Aus redaktionellen Gründen mußte dieser Beitrag im Manuskript gekürzt werden. Der Autor erschließt mit dieser Abhandlung kunsthlstorlsches Neuland. Die Redaktion hofft, von ihm noch einige Beiträge aus diesem Themenkreis veröffentlichen zu können.

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