Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 4, 1980

Historische Kunst Zwischen „gemütlichem Realismus" und Jugendstil Oberösterreichische Denkmäler aus der Endphase der Monarchie In der Schlußphase des 19. Jahrhunderts erlebt Oberösterreich einen ganz kurzen, kaum zwanzig Jahre umfassenden Zeitab schnitt, in dem das meist liberale Bürgertum bewußt eine bürgerliche, nichtchristliche Kunst vorzeigen will. Sehr bezeichnend ist ein begeisterter ,,Tagespost"-Leitartikel in Zusammenhang mit der Errichtung des Lin zer Stifter-Denkmals, in dem mehrfach be tont wird: ,,Linz hat sein erstes Denkmal!" Gewiß ist der Wiener Einfluß unübersehbar, auch das Nachhinken gegenüber Wien. Die wenigen Repräsentationsdenkmäler, diezwi schen 1897 und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges in Steyr und LinzL in Bad Ischl und in einigen anderen Orten Oberöster reichs entstehen, dringen gewiß nicht ins europäische Spitzenfeld vor-das glückt nur einem, vielleicht zwei oder drei Bildhauern jener Zeit zeigen aber doch Gutes und Gekonntes. Merkwürdig dabei ist, daß im Bauernland Oberösterreich gerade mit dem Denkmal ei nes Industriellen der Startschuß erfolgt, mit dem von Josef Werndl. Hier, mit diesem SteyrerWerndl-Denkmal, entsteht sofort ein früher Höhepunkt, es bleibt als Gesamt kunstwerk unübertroffen, mögen auch spä ter noch bedeutendere Künstler beschäftigt werden. Das 1894 vollendete und am 10. 11. d. J. enthüllte Denkmal verdankt sein Werden ei nem glücklichen Zusammenspiel kunstsin niger Bürger und Industrielier, gewiß auch dem Ehrgeiz, nach Steyr den vielleicht be liebtesten Plastiker jener Jahre zu berufen: Viktor Oskar Tilgner. Eine gewisse Mittierrolle spielt dabei der-allerdings in Wien ge borene und auch dort verstorbene - Steyrer Industrielle Carl Almeroth. Er selbst berich tete über die ,,Auftraggebung des grandio sen Werndl-Denkmals an Tilgner", welches ,,mit zu veranlassen" ihm durch seine Be ziehungen zu Tilgner und der Stadt Steyr gelungen war^. Der am 25. Oktober 1844 in Preßburg gebo rene Tilgner ist nur 52 Jahre alt geworden; er stirbt schon 1896. Tilgner ist also bei der Konzeption und der Ausführung seines Werndl-Denkmais genau 50 Jahre alt. In nerhalb eines knapp dreißigjährigen Wir kens gestaltete Tilgner rund 300 Porträt büsten - sie sind seine Stärke und Schwer punkt seines Wirkens. Daß Tilgner Haupt vertreter des österreichischen Neobarocks ist, erkennt man am Werndl-Denkmal - be dingt wohl durch die Thematik - nicht ohne weiteres. Einen stärkeren Wandel zum Na turalismus zu machen, wie dies manch sei ner Freunde tat, das verhindert sein früher Tod. Harry Slapnicka Tilgner, 1844 in Preßburg geboren, hatte zwischen 1859 und 1871 die Wiener Aka demie besucht, ihm war 1865 die begehrte Füger-Medaille und 1869 das Rom-Sti pendium verliehen worden. Bald wird er so etwas wie der Makart unter den Bildhauern. Übrigens ist er auch mit dem beliebtesten Maler seiner Zeit, Hans Makart, befreundet, 1874 führt er mit ihm eine Studienreise durch Italien durch. Die Gruppierung, der Industrielle Werndl beim Steyrer Denkmal inmitten seiner Mit arbeiter, aiso die pyramidale Komposition, ist an sich nichts Neues. Nach den großen Renaissance-Denkmälern, die alles auf den Darzustellenden zu konzentrieren versuch ten (etwa Donatellos ,,Gattamelatea" in Pa dua von 1443 oder Verrocchios ,,Golleoni" von 1480), ist eine Gruppierung von Perso nen und Figuren um die Hauptfigur schon lange und bei verschiedensten Künstlern und Völkern üblich. Hier kann der Herku les-Brunnen von Adriaen de Vries (1596-1602) in Augsburg ebenso erwähnt werden wie das Monument des Großen Kur fürsten von Andreas Schlüter (1698-1703) In Berlin, Christian Daniel Rauchs Denkmal Friedrichs des Großen (1841-1851), das einst in Berlin, Unter den Linden, stand und sich heute in Potsdam befindet. Derselben Konzeption entsprechen spätere Werke wie das Gavour-Denkmal von Giovanni Durpe (1875) in Turin, das Luthers von Ernst Rietschel (1858) in Worms, das GolumbusDenkmal in der Nähe des Hauptbahnhofes von Genua (1862) oder das der Königin Vik toria (1911) in London und natürlich insbe sondere das Wiener Maria-TheresiaDenkmal von Caspar von Zumbusch (1888). Neu bei diesem Werndl-Denkmal ist aller dings die Tatsache, daß es gleichzeitig eine Figurengruppierung ist, die sich thematisch m it der sonst so vernachlässigten industrieilen Frühzeit Österreichs auseinandersetzt. Arbeiter, Facharbeiter, Meister sind ge schart um ihren Arbeitsherrn - gewiß in er ster Linie zu dessen Verherrlichung, gewiß auch in der patriarchaiischen Sicht jener Zeit. Aber doch auch als wesentliche und unentbehrliche Mitarbeiter. Unorganisch ist es alierdings, daß man das Werndl-Denkmal in eine schöne Parkaniage von Steyr placiert - aber weit weg von den Betriebsstätten der Waffenfabrik. Dazu muß man allerdings hinzufügen, daß die patriar chalisch-großbürgerliche Gestaltung der Denkmalskomposition kaum zur nüchternen Fabrikskulisse gepaßt hätte. Die Bedeutung der Sockelfiguren am Werndl-Denkmal erkennt man übrigens sehr bald. Die Linzer,,Tagespost" schreibt zum fünften Todestag des Bildhauers Tilg ner in einer Wertung des Steyrer Denkmals: ,,Die Hauptfigur Werndis, so charakteri stisch und lebenswahr sie auch ausgeführt ist, ist allerdings für ein großes Monument etwas filigran; geradezu prächtig aber sind die realistisch behandelten vier Sockelfigu ren, Arbeitertypen vorstellend''^. Noch dra stischer drücW sich das Künstlerlexikon von Thieme-Becker aus, das von dem ,,Haupt werk" Tilgners und von dem ,,brutal-veristischen Denkmal des Waffenkönigs Werndl" spricht. Auch das Grabdenkmal Josef Werndis am Steyrer Friedhof, das seine Töchter errich ten lassen, ist ein Werk Tilgners". Von Tilgner stammt übrigens auch das Re liefbild an der Steyrer Schubert-Gedenk tafel, das 1890, also vor Errichtung des Werndl-Denkmals, durch die Steyrer Lie dertafel am seinerzeitigen Wohnhaus Schuberts, Stadtplatz 16, angebracht wird^. Als ein halbes Jahrzehnt nach der Enthül lung des Steyrer Werndl-Denkmals die Bundesgruppe Linz des Deutschen Böh merwaldbundes die Errichtung eines Stif ter-Denkmals in Linz plant, denkt man vor erst ebenfalls an Tilgner, der auch einen Ko stenvoranschlag in der Höhe von 8000 Gul den vorlegt. Der frühe Tod Tilgners verhin derte allerdings diese Pläne^. Jetzt sieht man erstmals, daß das Wiener Ministerium für Kultus und Unterricht, an das man sich wegen einer Subvention wendet, nicht nur großzügig hilft, sondern gleichzei tig auch die Auswahl der in Frage kommen den Künstler, dazu später die Vergabe und die Verrechnung an sich zieht - was man in Linz widerspruchslos akzeptiert. Das Mini sterium stellt 10.000 bei Gesamtkosten von 20.000 Kronen zur Verfügung und übermit telt Einladungen zur Teilnahme an einem beschränkten Preisausschreiben an den in Wels geborenen und in Wien wirkenden Karl Sterrer, den aus Krain stammenden Arthur Strasser, den in der Steiermark lebenden Deutsch-Ungarn Othmar Schimkowitz, den Wiener Hans Bitterlich, der später, 1905, das Wiener Kaiserin-Elisabeth-Denkmal gestaltet, und an den Wiener Hans Rathausky. Den 1. Preis einer ministeriellen Jury erhält die Darstellung Stifters als ,,frei stehende Figur", den 2. Preis eine ,,sit zende Figur" und den 3. Preis ,,eine ste hende Figur, an den Felsen gelehnt". In Linz entscheidet ein Denkmalausschuß, dem Sparkassensekretär Markus (als Obmann), ,,Tagespost"-Ghefredakteur Ritter von Görner, der Linzer Bürgermeister Poche,

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