Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 4, 1980

senhaften Entwicklung verdankt die Ennsburg itire Entstehung. Sie wurde nach den Fuldaer Annalen um 900 als Bollwerk gegen die Ungarn errichtet und sicherte die west lich der Enns befindliche Hochterrasse, als Fluchtburg dienend, vorfelndllchen Überfäl len. Nach der Vernichtung des balerischen Heerbannes bei Preßburg (907) wurde auch sie von den Ungarn überrannt und das ge samte baierische Gebiet für ein halbes Jahrhundert - bis zur Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg (955) - verunsichert. In derdarauffolgenden Zeit kam es durch die Errichtung einer Markgrafschaft im Osten zu einer völlig neuen geopolitischen Situation. Linz, das nunmehr ganz dem balerischen Einfluß (Passau) unterlag, trat in den Hin tergrund und die Enns wurde zur Grenze Beierns, dem im Osten die sich allmählich ausbiidende Mark der Babenberger vorge lagert war. Der Aufstieg von Enns als Handelsemporium am Donau-Enns-Zusammenfluß mit einem günstigen Handelsweg nach dem Norden und Osten setzte ein, die Blütezeit der Grenzstadt bahnte sich an. Linz hatte bei dieser Konstellation keinen Auftrag und trat in den Hintergrund. Als östlichste Position Beierns konnte Enns den Fernhandei an sich ziehen und durch die enge Verbindung mit den baierischen Stammlanden und der alten Hauptstadt Re gensburg zu einer bedeutenden Handels stadt aufsteigen. Im Sinne des ottonischen Reichskirchensystems wurde die Burg mit reichem Grundbesitz an den Passauer Bi schofübertragen, von dem sie später an den steirischen Landesfürsten Otakar kam. Für mehrere Jahrhunderte prägte und beein flußte die polltische Landschaft den Ent wicklungsgang der Stadt, die für Baiern Grenzfunktion hatte. Das hat sich selbstver ständlich tief in die Mentalität der Bürger schaft von Enns eingegraben, deren Selbst bewußtsein die Babenberger nach dem in folge der Georgenberger Handfeste von 1186 eingetretenen Erbfall (1192) kennen lernen sollten. Das Ennser Stadtrecht von 1212, das älteste im Original erhaltene Stadtrecht auf österreichischem Boden, ist sichtbarer Ausdruck für die Anerkennung bürgerlicher Rechte seitens des Stadtherrn. Es ist, für das frühe 13. Jahrhundert auf Österreich bezogen, eine besondere Aus nahme, stellt aber auch die Peripetie in der Ennser Stadtgeschichte dar, einen Abgesang auf vorangegangene große Jahrhun derte handelspolitischer Bedeutung. Was war geschehen? Auf dem Reichstag zu Regensburg von 1156 hatten die Babenber ger die Erhebung ihrer Mark, der Ostmark, zum Herzogtum erreicht und damit nicht nur eine rangmäßige Gieichstellung mit dem al ten Herzogtum Baiern, sondern eine Reihe von Ausnahmerechten auch gegenüber dem Reich. Diese neue Position ermunterte die Babenberger selbstverständlich zu Ge bietsausweitungen, die sie im Wege von Erbverträgen und Käufen durchsetzen konnten. So gelang Ihnen durch die schon erwähnte Georgenberger Handfeste nicht nur die Erwerbung von Enns, sondern des ganzen Herzogtums Steier, wenig später er warben sie Linz und knapp darauf Wels. Sie arrondierten auf diese Weise ihren Einfluß bereich westlich der Enns gegen über Baiern und führten im Osten ihres Territoriums eine relativ stabile Grenzsituation mit Ungarn herbei. Innerhalb von etwa sechzig Jahren nach dem Regensburger Reichstag hatte sich demnach die geopolitlsche Situation im heutigen österreichischen Donauraum we sentlich verändert. Enns verlor zugunsten von Wien seine Grenzposition und lag nun inmitten des Einflußbereiches der Baben berger, Linz erhielt die wichtige Aufgabe, als westlichste Donaumautstelle der Baben berger zu wirken, und Wels konnte sich in gleicher Weise um den Landweg nach Bai ern und Salzburg bemühen, obgleich durch das schon vor dem Kauf von Wels eingetre tene Erbe des Poigen-Rebgauschen Besitz tums seitens der Babenberger (nach 1188) für diese Siedlung keine Grenzlage zu ver merken Ist. Diese Umstände bewirken In der Folge den neuerlichen und raschen Aufstieg von Linz als bedeutendster Handels- und Umschlagplatz an der oberösterreichischen Donau, den allmählichen Abstieg von Enns, der das ganze Spätmittelalter währte, und eine mähliche Ausbildung von Wels zur be deutendsten Siedlung Im Alpenvorland Oberösterreichs, in welche die Handels wege von Italien (Pyhrnstraße), nach Salz burg und ins Reich mündeten. Die Lage an der Traun brachte der Stadt durch den Holz stapel zusätzlichen Gewinn. Oberösterreichs Städte erhielten eben In jenerZeit, Endedes12. und Im Verlauf des 13. Jahrhunderts, Ihre Konturen. Die wirtschaft liche Prosperität des 13. Jahrhunderts er laubte Ihre Erweiterungen und im Grunde schon die Festlegung jenes Mauerringes, der bis Ins 19. Jahrhundert, ja biswellen bis auf unsere Tage herauf den mittelalterlichen Stadtbereich ausweist. Der Einfluß herr schender Geschlechter (Babenberger, Habsburger) Ist dabei in vieler Hinsicht nicht zu verkennen. Zu den drei alten Städten im Land hatten sich unterdessen zwei weitere gesellt; die auf die schon im 10. Jahrhundert erwähnte Stirapurhc zurückgehende Eisenstadt Steyr und die Libera civitas, die freie Stadt Frei stadt. Obzwar auch die Stadt Steyr kraft des Georgenberger Vertrages an die Babenber ger gekommen war, gehörte sie, die Namensgeberin der Mark im Süden (Steier mark), erst infolge der Ofener Verträge (1254) zum Land ob der Enns. Freistadt hin gegen lag in der Interessensphäre der Ba benberger und gelangte um die Mitte des 14. Jahrhunderts in landesfürstliche Hände. Seine Aufgabe war es, den Handel von und nach Böhmen zu kontrollleren und das Land Im Norden abzuschirmen. Mit den beiden letztgenannten Städten ha ben wir alle fünf landesfürstlichen Städte ob der Enns (später werden es durch das Hin zutreten von Gmunden und Vöcklabruck sieben sein) erwähnt, die Im Mittelalter un tereinander um die ,,Krone" im Land kon kurrierten und gemeinsam die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts sich ausbil dende ständische Vertretung der Bürger schaft Im Land besorgten. Die landesfürstli chen Städte bildeten neben Prälaten, Her ren und Rittern den vierten Stand im ständi schen Kollegium. Die Stände wiederum ver traten das Land gegenüber dem Landesfür sten schon Im ausgehenden 13. Jahrhun dert. Seit 1408 tagen die Stände ob der Enns nicht mehr mit jenen unter der Enns gemein sam, sondern getrennt. Man kann behaupten, daß die ständische Vertretung der Städte des Landes nach de mokratischen Spielregeln vor sich ging. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Aufteilung der auf die Städte entfallenden beziehungs weise vom Landesfürsten geforderten Steuer, und da zeigte es sich, daß Linz nicht die höchsten Steuersätze zu entrichten hat te, sondern mit seiner Leistung oft hinter Weis und Steyr zurückstand. Daraus leite ten aber die anderen Städte für sich eine Vorrangstellung im Land ab. Mit der Steuerleistung der Städte hat es eine besondere Bewandtnis, die bei der Beurtei lung der Gesamtfrage bisher wen ig beachtet wurde: Die Steuer wurde generell nach Hof stätten, also der Häuserzahl, in einer Stadt erhoben. Das ergab für Linz immer eine ge ringere Hausanzahl als für Steyr oder Wels, entsprach aber Insoferne nicht der Realität, weil nur jene Häuser erfaßt werden durften, die der Stadt nach dem Burgrecht unterwor fen waren. Die sogenannten Freihäuser (von den bürgerlichen Lasten befreite Häu ser) der Klöster und Adeligen wurden dem nach nicht zur Leistung herangezogen. In Linz aber haben seit dem 13. Jahrhundert sehr viele Klöster und Adelige Hausbesitz erworben, um hier einerseits der zentraien Stehe des Landes (später Landeshaupt mann) nahe zu sein, andererseits am Han delsgeschehen aktiven Anteil zu nehmen.

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