Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 3, 1980

Kirchdorf, bewohnbar, Im übrigen während der schönen Jahreszeit auch zum Besuch offensteht. Das Schlößchen Dornach gehörte in jener Zeit dem Rechtsanwalt Dr. Cornelius Reischl, der seine Praxis in Grein ausübte. Strindberg nahm ihn zum Vorbild derGestalt des Richters in seinem swedenborgschen Drama ,,Advent". An einem sonnigen Novembertag des Jah res 1893 erreichten August Strindberg und seine Frau Frida bei einer Fähre gegenüber Dornach die Donau. Vermutlich waren sie von Amstetten hergekommen. Der Anfang im Strudengau warfürden Dich ter eine herrliche Zeit, vielleicht die schön ste, die er in seinem Wanderleben je genos sen hatte. Er erging sich in den Donauauen. Die Landschaft gefiel ihm. Schon hatte er begonnen, sich näher mit Emanuel Swedenborg, dem schwedischen Mystiker, zu befassen, der, wie Strindberg, wesentlich von modernen physikalischen und physiologischen Lehren bestimmt war, ja sie in sein Werk eingebaut hat. Auch in Strindbergs Dichtung heben sie sich heraus. So ist er seiner Zeit weit vorausgeeilt. Denn erst in unseren Tagen haben sich die Dichter von der nur gefühlsbetonten, blumigen Sprache abgewendet, die nicht immer dich terisch ist, wir haben es nur so gemeint. Man weiß aus dem prächtigen Erinnerungs buch ,,Besonnte Vergangenheit" von Carl Ludwig Schieich, dem Erfinder der Infiltra tionsanästhesie, daß Strindberg jede Gele genheit wahrnahm, seine naturwissen schaftlichen Studien in der Praxis zu erpro ben, so einmal um Mitternacht auf dem Alexanderplatz in Berlin. Da legte er sich platt auf den Boden, um zu sehen, ob denn die Erde wirklich eine Kugelgestalt habe. Ein Schutzmann, der gewiß dachte, er habe es mit einem Stockbetrunkenen zu tun, störte ihn bei seinem Forschen, was die Nerven des Dichters nicht gerade beruhigte. Seine Begleiter, darunter auch Schleich, hatten Mühe, ihn vor der Verhaftung zu bewahren. Aber hier, im Strudengau, verbot ihm kein Mensch solche Betrachtungen, die Stille der Natur, das von jeder Geldsorge befreite Le ben in einem gemütlichen Heim - die Atmo sphäre fürs Schaffen war so gut wie noch nie. An Jugendfreund Leopold Littmansson in Paris schreibt er: .,Eine herrliche Land schaft mit der Donau und den Alpen." Es dauert jedoch nicht lange, da heißt es in einem Brief an denselben Freund: ,,lch bin immer auf dem Sprung, wenn ich merke, daß man mir die Schwingen beschneiden will! Und ich bin immer bereit, die Zeitpflöcke herauszureißen, wenn es zu fade, zu leer um mich herum wird!" Seine unbändige Lust an einer grenzen losen Freiheit, die auch die einzige Grund lage für ein eigenwiliges, nur sich selbst verpflichtetes Schaffen ist, spricht aus die sen Worten. Selten hat sich ein künstle risch-schöpferischer Mensch mit so weni gen Worten so klar über das Um und Auf der Möglichkeit, sein ureigenes Werk auszutra gen, ausgedrückt. Im Mai 1894 gebar ihm Frau Frida eine Tochter. Sie wurde in der Pfarrkirche zu Saxen auf den Namen Kerstin, das ist Chri stine, getauft. August Strindberg hat seine Tochter abgöt tisch geliebt. Die von Torsten Eklund her ausgegebenen ,,Briefe an seine Tochter Kerstin" bezeugen es hinlänglich. Dennoch trieb es ihn in diesem Frühjahr fort, wenig stens und vorläufig im Geiste. Er schmie dete viele phantastische Pläne. Einen Po sten als Leuchtturmwächter am äußeren schwedischen Schärenstrand will er su chen. Immerdiese Sucht, ja diese Gier nach Einsamkeit, die er dann aber doch nicht aushält! Ein geistig Schaffender kann ohne Men schen eben nicht leben, er braucht dringen der als jeder andere das Gespräch. Das hat schon der unglückliche Heinrich von Kleist gewußt. Der neugebackene Vater einer TochterwiiI aber auch als Kabarettist auftre ten. Und er will ein Kloster für müde Geister gründen. Dabei ist er erst über 45 Jahre alt. Zuletzt fährt er auf Einladung von Leopold Littmansson nach Versailles, vor allem um mit PariserTheaterdirektoren und Verlegern Fühlung aufzunehmen. Sein Bühnenstück ,,Gläubiger" hat in der französischen Me tropole Erfolg gehabt, und nun probt man seinen ,,Vater". An einem Augustabend 1894 fährt er mit dem Dampfer von Grein nach Linz. Als das Schiff an Dornach vorüberzieht, Ist ihm, als müsse er sich ins Wasser stürzen und nach dem Schlößchen schwimmen. Von Paris aus fordert er seine Frau unentwegt auf, ihm nachzukommen. Tatsächlich reist Frida Strindberg ihm nach. Die kleine Tochter läßt sie in der Obhut ihrer Großeltern zurück. Auf die glückliche Zeit, die das Ehepaar im klei nen ,,Häusel" zu Dornach von April bis Au gust zugebracht hatte, einem kleinen An44

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