Natascha, Natascha, du Kind der Ukraine, hast Haare, hast Eichhörnchenaugen wie keine. Und er sang: Natascha, Natascha! Im Weizenwind tanzt Mutter Ukraine mit deinem Kind. So sang, so summte, so pfiff er, als wäre er längst schon Vater und hätte in seiner Rechtschaffenheit auch schon für das Angebinde ge sorgt. Da sah er Natascha kommen, nicht aus der Küche, dem Raum mit dem Kessel, den Schüsseln, Töpfen, Tassen. Sie kam von draußen, hielt bis in die Höhe der Burst die Schürzenzipfel und blickte, wie wenn ihre Eichhörnchenaugen sich an den Vater des Kindes erst ge wöhnen müßten. ,,Was ist, Natascha, was hast du? Und was ist deine Schürze so rund?" ,,lst sie rund?" meinte sie und umfaßte fester die Schürzenzipfel. Und ehe der Mann, der Vater mit dem Pawelgesicht, zugreifen konnte, war sie heran, öffnete über dem Tisch die Schürze, und da rollen her aus die Schätze, die verdächtig runden: zwei, drei Krautköpfe, vier Häuptel Salat und als Draufgabe der kleinere Kürbis, den sie zu Wür feln nicht geschnitten wie zu Schnitzeln das Kraut nicht. Etwas von dem Segen des Beetes mußte ja gerettet werden für das Familienfest, wenn der kleine Pawel kam oder die kleine Natascha. Jetzt freilich fühlte der Vater sich fast beschämt; er drehte die Ernte auf dem Tisch, behutsam, als handle es sich um den Zuwachs in der PawelfamUie. Natascha lächelte, legte die Hand auf die des beschämten Vaters, und da gab der Mann sich einen Ruck und riß das Geschöpf mit den Eich hörnchenaugen an sich, so fest, als wollte es ihm jemand wegneh men. ,,Natascha", sagte er, ,,Mutter meines Kindes, Eichhörnchenmut ter!" Sie lachte: ,,Eichhörnchenmutter?" Und er sagte, ,,Hast du nicht gesorgt? Und hast du nicht Augen wie ein Eichhörnchen?" ,,Habe ich die?" wunderte sie sich. ,,Das hast du mir noch nie gesagt, Pawel Pawlenkow, noch nie." ,,Habe ich das nicht? Vielleicht - war das ein Geheimnis, Natascha. Wie das, das du hattest - bis heute." Er lockerte den Griff. ,,Und jetzt kommt noch ein Geheimnis, Natascha, ein ganz anderes, du wirst es gleich sehen." Er lief aus der Hütte und kam über eine Weile wieder: unter dem rech ten Arm ein Schwarzbrot, groß wie ein Wagenrad, und unter dem linken Arm ein Weißbrot, wie entrollt dem Weizen der Ukraine. ,,Pawel", rief sie, ,,Pawel Pawlenkow, wo hast du das her!" ,,Das eben ist das Geheimnis, Natascha. Ich muß noch einmal fort." ,,Noch einmal?" wollte sie sagen, aber er war zwischen den Pfosten schon verschwunden, und schon stapfte er wieder daher: mit einer Schwarte Speck und einem Brocken Fleisch, daß er gebückt gehen mußte. Sie rang die Hände: ,,Pawel, Pawel! Das reicht ja für zwei Winter in der Ukraine!" ,,Ja", stöhnte er fast unter der Last des Segens. ,,Aber ich muß noch einmal hinaus." Und diesmal schleppte er einen Krug an, der einen Bauch hatte wie der Bogojew. ,,ln den habe ich Wodka aus dem Eimer geschöpft, sieben Kellen, ich habe sie gezählt, wie Sergej Bogojew die Köpfe auf meinem Beet ge zählt hat. Da ist kein Fehler mehr in der Rechnung, jetzt kann ich sie benmal Vater werden, Natascha, siebenmal! Für jedes Eichhörnchen in unserem Nest kann ich eine Schöpfkelle voU nehmen, eine Schöpf kelle, Natascha!" So sprach er, und als hätte er die erste Schöpfkelle voll schon ausge trunken, fing er an zu singen. Und dann umfaßten die zwei sich, tanzten um Tisch und Bank, san gen und tanzten, bis die Morgensonne im Fenster stand. 108
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