Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 2, 1980

Rudolf Weilhartner Landessprache Gedichte Landessprache Das Land wird Bucklige Welt genannt. So ist es auf der Landkarte eingetragen. Und in den Schulbüchern steht es auch. Man lernt es von Kind auf. Mit der Muttermilch nimmt man es auf. Man entwöhnt sich ihrer zwar - man wurde aber groß durch sie. Noch wenn du übers Schneefeld gehst - wärmt sie dich, spricht die Sprache am Morgen, am Mittag, am Abend, die ganze Zeit leuchtets . . . wie ein Apfel mich an in meinem Land . . . Mein Dorf Lidlos blickt mich mein Dorf an unter der Augenbraue der Wälder rinnt der Fluß durch die Ebene übers Schottergestein rund wie die Zeit seh hinter verwilderten Hecken das verwunschene Schloß im Dornröschenschlaf weck es nicht auf geh zur Mühle das Rad still steht in den Speichen meine Kindheit drin hängt gibt mir der Brunnen nichts mehr in meine geschüsselte Hand geh weiter zur Kirche bleib vor dem ölberg ich stehn liegen die Jünger wie im Koma seh die Sonnenuhr an der abblätternden Mauer mit dem Bild spür den Brand meines Dorfs ungelöscht auf der Haut der Erinnerung schmerzvoll brennen Mein Dorf bist mir wie ein Augapfel im Gesicht meiner Welt

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